Mai Zitate (Seite 2)
Über die Heide
Über die Heide hallet mein Schritt;
dumpf aus der Erde wandert es mit.
Herbst ist gekommen, Frühling ist weit –
gab es denn einmal selige Zeit?
Brauende Nebel geistern umher;
schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.
Wär' ich hier nur nicht gegangen im Mai!
Leben und Liebe – wie flog es vorbei!
Theodor Storm
Die Stadt
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohne Unterlass;
Die Wanderganz mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
Theodor Storm
Letztes Lied
Liebte dich, liebte dich
Innig und treu;
Röslein im Tod verblich;
Hin ist der Mai.
Hin ist Hin!
Tot ist tot!
Lebe wohl, lebe wohl!
Mein Mädchen mild.
In meinem Busen soll
Nie verglühn dein Bild.
Hin ist Hin!
Tot ist tot!
Schlummre still, schlummre still,
Ewig hinfür.
Ich auch bald ruhen will,
Ruhen bei dir.
Hin ist Hin!
Tot ist tot!
Adalbert Stifter
Maireigen
Singt der Wonn' und Blütenzeit,
Pflanzt die grünen Maien!
Selig, wer des Mais sich freut,
Wie uns die Natur gebeut,
Zu Zweien! Zu Zweien! Zu Zweien!
Zu der Tänze Melodei
Wirbelt das Gestäude;
Waldgesang und Dorfschalmei
Jubeln: Pflicht und Weisheit sei
Die Freude! Die Freude! Die Freude!
Kränzt, Verlobte, kränzt das Haar
Froh mit Myrtenzweigen!
So, wie bald am Brautaltar,
Steht hier alles Paar um Paar
Im Reigen! Im Reigen! Im Reigen!
Amor läßt am Maienfest
Jede Spröde...
Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis
Noch ist die blühende, goldene Zeit,
du schöne Welt, wie bist du so weit!
Und so weit ist mein Herz und so blau, wie der Tag,
Wie die Lüfte durchjubelt von Lerchenschlag.
Ihr Fröhlichen singt, weil das Leben noch mai't:
Noch ist die blühende, goldene Zeit,
Noch sind die Tage der Rosen!
Otto Roquette
Im Biergarten
Na also! Frühling! Es ist Mai.
Der Ober bringt kein Bier herbei.
Er kratzt sich nur am Oberschenkel
und hält den leeren Krug am Henkel.
Dann ist‘s soweit. Der Stoff rollt an.
Ein jeder säuft, so gut er kann.
Bald fällt man rückwärts vom Gestühle.
Wie denn? Na: endlich Maigefühle!
Worauf man, während alles feiert,
ganz stille in die Büsche reihert.
Wolfgang J. Reus
Zitronenfalter im April
Grausame Frühlingssonne,
Du weckst mich vor der Zeit,
Dem nur in Maienwonne
Die zarte Kost gedeiht!
Ist nicht ein liebes Mädchen hier,
Das auf der Rosenlippe mir
Ein Tröpfchen Honig beut,
So muß ich jämmerlich vergehn
Und wird der Mai mich nimmer sehn
In meinem gelben Kleid.
Eduard Mörike