Lange Leben Zitate (Seite 14)
Der Abend leget warme
hernieder seine Arme
und wo die Erde zu Ende
da ruhen seine Hände…
Die Mücklein summen leise
in ihrer hellen Weise
und alle Wesen beben
und singen leis vom Leben…
Es ist nicht groß, es ist nicht breit,
s’ ist eine kleine Spanne Zeit
und lange währt die Ewigkeit…
Paula Modersohn-Becker
Einem Tagelöhner
Lange Jahre sah ich dich
führen deinen Spaten,
und ein jeder Schaufelstich
ist dir wohl geraten.
Nie hat dir des Lebens Flucht
bang gemacht, ich glaube –
sorgtest für die fremde Frucht,
für die fremde Traube.
Nie gelodert hat die Glut
dir in eignem Herde,
doch du fußtest fest und gut
auf der Mutter Erde.
Nun hast du das Land erreicht,
das du fleißig grubest,
laste dir die Scholle leicht,
die du täglich hubest!
Conrad Ferdinand Meyer
In der Maienfrühe
Lang seufzt ich vergebens,
es war mir im Drang
und Unmut des Lebens
verstummt der Gesang.
Nun bauen die Sänger
des Waldes ihr Nest,
nun halten mich länger
die Sorgen nicht fest.
Die Sorge, die eisig,
das Herz mir umschnürt,
hat alle der Zeisig
und Buchfink entführt.
Welch üppiges Blühen
in Wald und Geheg!
Die Qualen und Mühen,
nun jauchz' ich sie weg.
Früh auf aus dem Bette,
durch Wald und Gesträuch…
Ich pfeif um die Wette,
ihr Vögel, mit eich!
Ich singe und pfeife,
so wie...
Heinrich Leuthold
Durch all die Jahre, die ich durchgelebt,
Hab eines Bruders Freundschaft ich erstrebt,
Der unsern Freundschaftsbund nicht jählings ende,
Sein Wort nicht bräche, noch sich von mir wende.
Bei wieviel Freunden mußt' ich dann erfahren,
Daß alles eher sie als Brüder waren!
Und ach, wie oft, wie oft ersetzte wieder
Ich solche Brüder dann durch neue Brüder!
Zuletzt, als Jahr für Jahr mir so vergangen,
Sprach ich zu mir: Umsonst ist dein Verlangen.
Bei Gott, so lang noch dauert hier mein Leben,
Will...
Omar Khayyâm
Alles eitel
Die güldenen Dukaten
die waren mir zu schwer;
wohin sie all geraten,
das weiß ich schon nicht mehr.
Die goldnen Lieder streute
ich aus mit leichtem Sinn,
es nahm als flüchtge
Beute Vergessenheit sie hin.
Und meiner Lieb Geschmeide,
der Treue funkelnd Erz,
zerbrach mit seinem Eide
ein falsches Mädchenherz.
So blieb mir in dem Leben
von allem Gold allein
das Feuergold der Reben,
der goldne Feuerwein,
Und bleibt mir bis zum Grabe
gewißlich treu und hold;
so lang ich Silber habe,
ist...
Friedrich Hornfeck
Zuweilen kommen niegeliebte Frauen
Zuweilen kommen niegeliebte Frauen
Im Traum als kleine Mädchen uns entgegen
Und sind unsäglich rührend anzuschauen,
Als wären sie mit uns auf fernen Wegen
Einmal an einem Abend lang gegangen,
Indes die Wipfel atmend sich bewegen
Und Duft herunterfällt und Nacht und Bangen,
Und längs des Weges, unsres Wegs, des dunkeln,
Im Abendschein die stummen Weiher prangen
Und, Spiegel unsrer Sehnsucht, traumhaft funkeln,
Und allen leisen Worten, allem Schweben
Der...
Hugo von Hofmannsthal
Rote Rosen
Rote Rosen, die glühen,
Zeugen glücklicher Zeit,
Als von Sorgen und Mühen
Das Herz befreit!
Über Trauer und Trümmer,
Wüsten, häßlichen Graus,
Blühenden Lebens Schimmer,
Neu breite dich aus!
Blüten, lang nicht beschieden,
Gruß aus schenkender Hand,
Boten der Sehnsucht nach Frieden,
Segnet, o segnet das freudlose Land!
Karl Henckell
Seele, die du unergründlich
Tief versenkt, dich ätherwärts
Schwingen möchtest und allstündlich
Dich gehemmt wähnst durch den Schmerz,
An den Taucher, an den stillen,
Denke, der in finstrer See
Fischt nach eines Höhern Willen.
Nur vom Atmen kommt sein Weh.
Ist die Perle erst gefunden
In der öder Wellengruft,
Wird er schnell emporgewunden,
Daß ihn heitre Licht und Luft.
Was sich lange ihm verhehlte,
Wird ihm dann auf einmal klar,
Daß, was ihn im Abgrund quälte,
Eben nur sein Leben war.
Christian Friedrich Hebbel
Vor Freude will ich singen
Vor Freude will ich singen,
Weil's mir jetzt tut gelingen.
Denn die ich hab begehrt,
Die hat mir Gott beschehrt.
Der ich mich hab ergeben,
Mit ihr in Freud zu leben.
Sie hat mein Herz besessen,
Kann ihrer nicht vergessen.
Ich hab oft großes Leiden,
Jetzt ist's verkehrt in Freuden.
Was lang ich hab begehrt,
Das ist mir jetzt gewährt.
All's Trauren will ich meiden,
Ob mich gleich viel drum neiden,
Was Gott ein'm tut bescheren,
Kann ihm kein Mensch verwehren.
Hans Leo Haßler von Roseneck