Lange Zitate (Seite 24)
Der Kuß
Der Kuß, den ich dir nicht gab
hat mir das nicht vergeben
er gibt einfach nicht auf
erschwert mir nach Kräften das Leben
er kitzelt meine Lippen
drückt zwischen den Rippen
er macht Lärm in der Seele
verstopft mir die Kehle
er flitzt durchs Gehirn
und bohrt in der Stirn -
ich halt's nicht mehr lange aus:
das freche Kerlchen muß raus!
Jörn Pfennig
Das Duell
Um eine Ziege balgten sich
Zwei Böcke, warm von Herz und Stirne.
Der Kampf war lang und fürchterlich
Zum Glück erschien zuletzt die Dirne
Und rief: Ihr Herren, haltet ein;
Weswegen rauft ihr? "Nur um dich allein!"
Um mich? den Streit kann ich entscheiden.
Ich liebe keinen von euch beiden.
Gottlieb Konrad Pfeffel
Der Exorzist
Ein Exorzist trieb Teufel aus;
Nicht einer durfte lang verweilen:
Mit Flüchen, Lachen oder Heulen
Verließ er stracks das fremde Haus.
Ein altes Weib wird vorgeführt,
Die sich mit allen Vieren bäumet;
Der Priester droht, die Vettel schäumet
Und Satanas kapituliert;
Erlaube mir nach altem Brauch
In eine fette Sau zu fahren;
Er sprachs und fuhr mit Haut und Haaren
Dem Exorzisten in den Bauch.
Gottlieb Konrad Pfeffel
Untrennbar
Wie lang ach! warst du in der Ferne!
Zog auch mein liebend Herz mit dir,
Du standest nur, gleich einem Sterne,
In meinen Träumen über mir.
Doch, deucht mir, warst du bei mir immer,
Seh' ich dir jetzt ins Angesicht –
Weil ganz der alten Liebe Schimmer
Aus deinem treuen Auge bricht.
Und hältst du mich so lind umfangen
Mit unverlernter Zärtlichkeit –
Ist mir, als wären wir gegangen
So Hand in Hand die ganze Zeit.
Vergessen ist nun alles Scheiden,
Daß wir einst fern, wir...
Ludwig Pfau
O so Lipp' an Lippe hängen dürfen
eine lange schöne Ewigkeit,
aus des ander'n Atem Süße schlürfen
für die Bitternis der argen Zeit.
Nichts mehr reden, sondern nur noch lauschen,
wie des ander'n Herzschlag schneller geht –
und in allen Gliedern dieses Rauschen,
das Gesang ist und zugleich Gebet.
Alfons Petzold
Der Versucher
»Was du von dieses Berges Zinnen
Erschaust im weitgedehnten Kreis,
Durch meine Gunst kannst du's erringen,
Und, wahrlich, um geringen Preis.
Ich trage dich zu Ruhm und Ehre
Empor mit meines Fittichs Schwung!
Du fragst, was ich dafür begehre?
Nichts als nur deine Huldigung.
Jedwedes Ziel magst du erstreben,
Wenn du vor mir die Kniee beugst,
Und mit der Ehrfurcht scheuem Beben
Für meine Oberhoheit zeugst.
Dein sei das Maß der Herrlichkeiten,
So lang du mir zu Willen bist!«
Der...
Betty Paoli
Wer kann in guten Tagen,
So lang das Glücke mild,
Und es zu Tische gilt,
Von rechter Liebe sagen?
Ob einer ist mein Freund,
Und ob er's treulich meint,
Wird daran nicht erkennet,
Wenn er mich Bruder nennet.
Wenn's Glück einst von mir weichet,
Wer's dann am besten meint,
Und mir die Hände reichet,
Der ist mein rechter Freund.
Adam Olearius
Das Wunderbare
Wir alle warten unsre besten Jahre
Aus das, was niemals kommt: das Wunderbare.
In eines Zaubergartens Heimlichkeit
Ist es verborgen und doch stets bereit,
Uns mit dem Lockton himmlischer Gitarren
In einem ewigen Sehnsuchtstraum zu narren.
Doch niemand hat's, solang der Himmel blaut,
In Wirklichkeit erlebt und angeschaut;
Und doch läßt keiner sich den frommen Glauben,
Daß es doch einmal kommen werde, rauben.
Und also voll Gewalt ist sein Gesang,
Daß jedes Menschenherz sein...
Johannes Öhquist
Verschlossen
Die Tür war verschlossen,
des kleinen Mädchens Tränen flossen.
Warum nur bleibt die Türe zu?
Warum sind die Menschen so, auch du?
Sie müssen doch spüren, wie kalt es mir ist,
habe doch so lange die Wärme vermißt.
Sie müssen doch spüren, wie hungrig ich bin,
hungrig nach Liebe –
das ist der Beginn –
für Menschlichkeit –
ich bin dazu bereit.
Bitte öffnet mir doch die Tür –
ich gebe mein Herz dafür.
Karin Obendorfer
An Jeanette
Nimm meine Bücher, meine kleinen Reime,
Mein Häuschen hin, und sei zufrieden wie ich bin,
Nimm meinen sanften Schlummer, meine Träume,
So hold sie sind, auch hin.
Und wenn mir ja noch etwas übrig bliebe,
Mein Becher, Kranz und Stab, so mag es deine sein;
Doch willst du mehr, mein Herz und meine Liebe?
Die sind schon lange dein.
Novalis
Walzer
Hinunter die Pfade des Lebens gedreht
Pausiert nicht, ich bitt euch so lang es noch geht
Drückt fester die Mädchen ans klopfende Herz
Ihr wißt ja wie flüchtig ist Jugend und Scherz.
Laßt fern von uns Zanken und Eifersucht sein
Und nimmer die Stunden mit Grillen entweihn
Dem Schutzgeist der Liebe nur gläubig vertraut
Es findet noch jeder gewiß eine Braut.
Novalis
Die mich einst mit Schmerz gebar
Die mich einst mit Schmerz gebar,
doch mit Mutterfreuden –
da ich noch ein Knäblein war,
vieles mußte leiden,
stets mich doch die Sorge gepflegt
und mit Angst und Mühe,
und mich oft noch huldreich trägt:
Siehe, wie ich blühe.
Und ein Liedchen singe ich
dir voll Dank und Freude.
Nimm es an und freue dich,
höre, was ich heute
wünsche dir voll Dankbarkeit:
Lebe uns zufrieden
lange noch; was dich erfreut,
müsse dich hinieden
stets beglücken; ohne Rast
blühen deine...
Novalis
Zwei Frauen
Zwei Frauen gibt es auf der Welt.
Die einen, die wie Dirnen sind
Und, jede Faser lustgeschwellt,
Nach Sünde lechzen toll und blind;
Die immer neue Lüste lehrt
Ihr unersättliches Gefühl – – –
Das sind die Frau'n, die man begehrt
In Sommernächten, kurz und schwül.
Die andern sind wie Mädchen scheu.
Und ob sie zehnmal Mütter sind,
In ihnen wächst mit jedem Kind
Die eigne Kinderseele neu.
Und immer neu jungfräulich gibt
Ihr Leib sich hin, verschämt und bang.
Das sind die Frauen, die...
A. de Nora (Pseudonym für Anton Alfred Noder)
Die Sonne sinkt
1.
Nicht lange durstest du noch,
verbranntes Herz!
Verheißung ist in der Luft,
aus unbekannten Mündern bläst mich's an,
– die große Kühle kommt...
Meine Sonne stand heiß über mir im Mittage:
seid mir gegrüßt, daß ihr kommt,
ihr plötzlichen Winde,
ihr kühlen Geister des Nachmittags!
Die Luft geht fremd und rein.
Schielt nicht mit schiefem
Verführerblick
die Nacht mich an?...
Bleib stark, mein tapfres Herz!
Frag nicht: warum? –
Friedrich Wilhelm Nietzsche