He Zitate (Seite 2)
Die mich einst mit Schmerz gebar
Die mich einst mit Schmerz gebar,
doch mit Mutterfreuden –
da ich noch ein Knäblein war,
vieles mußte leiden,
stets mich doch die Sorge gepflegt
und mit Angst und Mühe,
und mich oft noch huldreich trägt:
Siehe, wie ich blühe.
Und ein Liedchen singe ich
dir voll Dank und Freude.
Nimm es an und freue dich,
höre, was ich heute
wünsche dir voll Dankbarkeit:
Lebe uns zufrieden
lange noch; was dich erfreut,
müsse dich hinieden
stets beglücken; ohne Rast
blühen deine...
Novalis
In dieser Winterfrühe
wie ist mir doch zumut!
O Morgenrot, ich glühe
vor deinem Jugendblut.
Es glüht der alte Felsen
und Wald und Burg zumal,
berauschte Nebel wälzen
sich jäh hinab ins Tal.
Mit tatenfroher Eile
erhebt sich Herz und Sinn
und flügelt goldne Pfeile
durch alle Ferne hin.
Ach wohl! was aus mir singet
ist nur der Liebe Glück,
die wirren Töne schlinget
sie sanft in sich zurück.
Eduard Mörike
Ein Bach mit Namen Elster rinnt
durch Nacht und Nebel und besinnt
inmitten dieser stillen Handlung
sich seiner einstigen Verwandlung,
die ihm vor mehr als tausend Jahren
von einem Magier widerfahren.
Und wie so Nacht und Nebel weben,
erwacht in ihm das alte Leben,
er fährt in eine in der Nähe
zufällig eingeschlafene Krähe
und fliegt, dieweil sein Bett verdorrt,
wie dermaleinst als Vogel fort.
Christian Morgenstern
Ehelichkeit
Ehe lebt durch Liebe,
bebt voller Zärtlichkeit,
findet neue Ziele,
auch den kleinen Streit.
Ehe braucht Nähe,
zwischen dir und mir,
auf Augenhöhe,
Ehe braucht das Wir.
Gemeinsame Arbeit,
Freude und Leid,
Freizeit und Freiheit,
niemals Kleinlichkeit.
Ehe braucht Ehrlichkeit,
Urvertrauen, Geduld,
Empathie und Wahrheit,
verzeihen von Schuld.
Braucht Einsamkeiten
und Zweisamkeiten,
Gern mit dir allein,
werd ich nie einsam sein
Horst Reiner Menzel
Geduldige Erwartung
Mein still Gemach füllt deiner Rosen Duft,
Und meine Sehnsucht webt in Träumen
Dein Bildnis in die Luft –
O kämst du doch!
Was soll dein Säumen?
Führt dich kein Wunsch in meine Nähe?
Ich drück an die Scheiben mein Gesicht
Und spähe —
Der Mond steht längst im Garten,
Durch stille Zweige bricht sein weißes Licht –
Dich seh ich nicht!
Thekla Lingen
Die kommenden Tage
Es weht ein Gespinst um die Brunnen der Nacht,
Drin flattern die Wünsche des Lebens,
Die einen so glühend, die andern so sacht
Im Dunkel erwacht –
Die Nornen sie wirken's und weben's.
Versunken in brütenden Gründen, was war,
Was sein wird, entbrodelt den Tiefen –
Es steigen die Stunden, es jüngt sich das Jahr,
Aufschimmert die Schar
Der Tage, die schattenhaft schliefen.
Nun schlürfen sie Blut an den Brüsten der Zeit,
Schon wiehert das Kampfroß der Frühe,
Der Hahn schlägt...
Karl Henckell
Es flattert um die Quelle
Die wechselnde Libelle,
Micht freut sie lange schon:
Bald dunkel und bald helle,
Wie der Chamäleon,
Bald rot und blau,
Bald blau und grün.
O daß ich in der Nähe
Doch ihre Farben sähe!
Sie schwirrt und schwebet, rastet nie.
Doch still, sie setzt sich an die Weiden.
Da hab' ich sie! Da hab' ich sie!
Und nun betracht' ich sie genau,
Und seh ein traurig dunkles Blau –
So geht es dir, Zergliedrer deiner Freuden!
Graf Carl von Haugwitz
Dieselbe
So laßt mich scheinen, bis ich werde;
Zieht mir das weiße Kleid nicht aus!
Ich eile von der schönen Erde
Hinab in jenes feste Haus.
Dort ruh ich eine kleine Stille,
Dann öffnet sich der frische Blick,
Ich lasse dann die reine Hülle,
Den Gürtel und den Kranz zurück.
Und jene himmlischen Gestalten,
Sie fragen nicht nach Mann und Weib,
Und keine Kleider, keine Falten
Umgeben den verklärten Leib.
Zwar lebt ich ohne Sorg und Mühe,
Doch fühlt ich tiefen Schmerz genung.
Vor Kummer altert...
Johann Wolfgang von Goethe
Deutsche Nationalhymne
Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vaterland!
Danach laßt uns alle streben
Brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand –
Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland!
Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland!
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Frühe
Im Osten graut's, der Nebel fällt,
Wer weiß, wie bald sich's rühret!
Doch schwer im Schlaf ruht noch die Welt,
Von allem nichts verspüret.
Nur eine frühe Lerche steigt,
Es hat ihr was geträumet
Vom Lichte, wenn noch alles schweigt,
Das kaum die Höhen säumet.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Was bewegt dich, stiller Himmel?
Was beschwingt die schweren Wolken?
Herz, wie kommt die helle Höhe
übers tiefgraue Meer?
Durch die Wolken schwebt ein Vogel,
schwebt vorbei mit hellen Flügeln,
trägt die goldne Morgenröte
übers tiefgraue Meer.
Komm zurück, du goldner Vogel!
Nimm mich hoch in deine Höhe!
Trag mein Herz, du helle Hoffnung,
übers tiefgraue Meer!
Richard Fedor Leopold Dehmel
Gebet um Liebe
O ew'ge Liebe, heil'ge mich
Mit deinen sanften Gluten,
In meine Seele senke dich,
Wenn meine Wunden bluten!
Wenn ich aus dieser wüsten Welt
Nach Licht und Rettung spähe,
Ist nichts, was meine Hoffnung hält,
Als deine sel'ge Nähe!
O halte mich in deinem Arm,
Mir graut vor dem Erkalten,
Und mach' das Herz mir hell und warm
Bis in die tiefsten Falten.
Mit deiner Glut verzehre mich,
In dir laß mich vergehen,
Ich will nicht mich, ich will nur dich,
In dir nur auferstehen!
Du wirst...
Ernst Curtius