He Zitate (Seite 10)
Rede nicht von harter Jugend,
Nicht wie du entbehrt das Glück!
Schaue nicht mit feuchtem Auge
In die trübe Zeit zurück!
Hätten wir denn tragen lernen,
Beten lernen in der Not,
Hoffen lernen, glauben lernen,
Lieben lernen bis zum Tod?
Drum laßt uns mit Rosen schmücken
Unsrer Kindheit frühes Grab:
Selig, wem die Hand von oben
Früh die heil'gen Thränen gab! –
Salomon Hermann Mosenthal
Lied eines Verliebten
In aller Früh', ach, lang' vor Tag,
Weckt mich mein Herz, an dich zu denken,
Da doch gesunde Jugend schlafen mag.
Hell ist mein Aug' um Mitternacht,
Heller als frühe Morgenglocken:
Wann hätt'st du je am Tage mein gedacht?
Wär' ich ein Fischer, stünd' ich auf.
Trüge mein Netz hinab zum Flusse,
Trüg' herzlich froh die Fische zum Verkauf.
In der Mühle, bei Licht, der Müllerknecht
Tummelt sich, alle Gänge klappern;
So rüstig Treiben wär' mir eben recht!
Weh, aber...
Eduard Mörike
In der Frühe
Kein Schlaf noch kühlt das Auge mir,
dort gehe schon der Tag herfür
an meinem Kammerfenster.
Es wühlet mein verstörter Sinn
noch zwischen Zweifeln her und hin
und schaffet Nachtgespenster.
- Ängste, quäle
dich nicht länger, meine Seele!
Freu dich! Schon sind da und dorten
Morgenglocken wach geworden.
Eduard Mörike
Zu allen, ja zu allen möcht ich kommen,
tief übers Einzelmenschliche hinaus.
Als Geist nur aus der Ferne kann man frommen,
ein Mensch ist nur ein Mensch bei sich zu Haus.
Nur in der Ferne wird er wirklich strahlen,
und aus der Nähe wird sein Licht bald blind,
da müssen alle wir dafür bezahlen,
daß wir nicht Geister nur, auch Körper sind.
Christian Morgenstern
Entliebt
Kann nicht zurückholen,
dieses Gefühl.
Einst ersehnte Nähe
wurde zu Enge,
bedrückt mich,
umklammert mein Herz,
Kälte friert es ein.
Schlug es früher wie wild,
wenn ich an dich dachte,
so verlangsamt es heute
den Schlag,
Lähmung verhindert
nicht den Schmerz.
Doch noch Gefühl,
aber ein anderes.
Regina Meier zu Verl
Wie das Meer
Sei still in Gott, still wie das Meer!
Nur seine Fläche streift der Wind,
und tobt als Sturm er noch so sehr,
wiß, daß die Tiefen ruhig sind.
Sei weit in Gott, weit wie das Meer!
Es wogt nicht bloß am heim'schen Strand,
und wird dir's auch zu glauben schwer,
wiß, drüben gibt's doch wieder Land.
Sei tief in Gott, tief wie das Meer!
Nach dort, wo dich die Welt vergißt,
sei dein Verlangen, dein Begehr,
wiß, daß die Tiefe Höhe ist.
Ja, sei, mein Herz, stets wie das Meer
in...
Karl May
Kyria Marias Taverne
unter Blättern und Zweigen
trinke ich
Wein
Vögel erfüllen die Luft
Freude die schmerzt
beengt mir die Brust
und ich atme tief
den Duft dieser Zeit
Häuser wuchsen empor
wie Gedanken
drängten sich
Nähe suchend
zwischen die Menschen
ihr Kommen
und Gehen
und sich
erinnern
Anke Maggauer-Kirsche
Abendsprache
Und geht es zu Ende, so laßt mich allein
mit mir selber auf einsamer Heide sein;
will nichts mehr hören und nichts mehr seh'n,
will wie ein totes Getier vergeh'n.
Das graue Heidemoos mein Sterbebett sei,
Die Krähe singt mir die Litanei.
Die Totenglocke läutet der Sturm,
begraben werden mich Käfer und Wurm.
Auf meinem Grabe soll stehen kein Stein,
kein Hügel soll dorten geschüttet sein;
kein Kranz soll liegen, da wo ich starb,
keine Träne fallen, wo ich verdarb.
Will nichts mehr...
Hermann Löns
Neue Liebe
Zum zweitenmal
Steigt dieses Jahr der Frühling nieder
Ins Erdental.
Die Rosen blühn, die Vögel singen Lieder,
Und ich, ach – liebe wieder,
Mit gleicher Lust und gleicher Qual
Wie dazumal. –
Wie dazumal,
Als mir noch frohe Jugend blühte,
Der Sonnenstrahl
Ins Herz mir junge Lieder sprühte.
Ich glühe, wie ich damals glühte,
Es ist die gleiche süße Qual
Wie...
Hermann Ritter von Lingg
Hüte dich!
Nachtigall, hüte dich!
Singe nicht so lieblich!
Ach, dein allerschönstes Singen
Wird dich um die Freiheit bringen.
Hüte dich!
Schöne Blume, hüte dich,
Blühe nicht so glühend,
Dufte nicht so voll Entzücken!
Wer dich siehet, will dich pflücken,
Hüte dich!
Schönes Mädchen, hüte dich,
Lächle nicht so gütig!
Deine Schönheit, deine Güte!
Denk an Nachtigall und Blüte!
Hüte,
Hüte dich!
Hermann Ritter von Lingg
In der Maienfrühe
Lang seufzt ich vergebens,
es war mir im Drang
und Unmut des Lebens
verstummt der Gesang.
Nun bauen die Sänger
des Waldes ihr Nest,
nun halten mich länger
die Sorgen nicht fest.
Die Sorge, die eisig,
das Herz mir umschnürt,
hat alle der Zeisig
und Buchfink entführt.
Welch üppiges Blühen
in Wald und Geheg!
Die Qualen und Mühen,
nun jauchz' ich sie weg.
Früh auf aus dem Bette,
durch Wald und Gesträuch…
Ich pfeif um die Wette,
ihr Vögel, mit eich!
Ich singe und pfeife,
so wie...
Heinrich Leuthold
Tod und Trennung
Gottes Milde mocht es fügen,
Liegt ein Mensch in letzten Zügen,
Stehn am Sterbepfühl die Seinen,
Daß sie müssen weinen, weinen;
Daß sie nicht vor Tränen schauen
Das unnennbar bange Grauen,
Wie der Geist verläßt die Hülle,
Letztes Zucken, tiefe Stille.
Weh dem Tränenlosen, wehe,
Der sich wagt in Sterbens Nähe,
Denn ihm kann durchs ganze Leben
Jenes Grauen heimlich beben.
Doch ein Anblick tiefrer Trauer,
Bänger als des Sterbens Schauer,
War es, könnt ein Aug es...
Nikolaus Lenau
Sonntagsfrühe
Feierlicher Glockenklang
hallet durch die stillen Felder,
leise rauschen ferne Wälder
einen hehren Lobgesang.
Stille wird's mir im Gemüt,
wenn ich blicke in die Weite,
ob ein Engel mir zur Seite
betend durch die Felder geht?
Süßes Grauen mich umweht,
füllt mein Aug' mit Andachtstränen;
meiner Seele stilles Sehnen,
Löst sich leise im Gebet.
Adolph Lange