Zeit Zitate (Seite 83)
Was bleibt von mir?
Vielleicht ein Wort,
in einem Buch mit tausend Seiten,
verstaubt ganz hinten im Regal.
Vielleicht ein Bild,
im Album in das niemand schaut,
jetzt wird gespeichert digital.
Vielleicht die Ähnlichkeit
Bei einem Kind in ferner Zeit,
mit meinem Muttermal.
Vielleicht ein Satz,
nicht sehr beliebt, weil er so wahr,
und doch zitiert so manches mal.
Vielleicht ein Lied,
das gerne ich gehört,
ein Song von anno dazumal.
Vielleicht die Rose,
die gepflanzt ich vor dem Haus,
noch voller...
Regina Hesse
O Welt, ich muß dich lassen,
Ich fahr dahin mein Straßen
Ins ewig Vaterland;
Mein Geist will ich aufgeben,
Dazu mein Leib und Leben
Setzen in Gottes Hand.
Mein Zeit ist nun vollendet,
Der Tod das Leben schändet,
Sterben ist mein Gewinn:
Kein Bleiben ist auf Erden
Das Ewig muß mir werden,
Mit Fried fahr ich dahin.
Ob mich gleich hat betrogen
Die Welt, von Gott abgezogen
Durch Schand und Büberei:
Will ich doch nit verzagen,
Sondern mit Glauben sagen,
Daß mir vergeben sei.
Johann Hesse
Die Federn
Drei Federn wurden uns für dieses Leben
Zum wechselnden Gebrauch anheim gegeben.
Aus seinem Fittich gab zuerst ein Engel
Die eine Dir, daß Du des Lebens Mängel
Damit verzeichnest mit Gelassenheit.
Die zweite stammt aus eines Adlers Flügel,
Sie folgt der Phantasie mit leichtem Zügel,
Kühn bis zur Sonne, über Wolken hebet
Ihr Flug sie, der der Wirklichkeit entschwebet,
Erheiternd mildert sie den Ernst der Zeit.
Die dritte löste sich aus Amors Schwingen,
Um treuer Liebe Sprache Dir zu...
Natalie von Herder
Den eignen Schranken kannst du nicht entflieh'n,
Sie sind das Maß der dir gewordnen Kraft.
So hüte denn den Schatz, der dir verlieh'n,
Auf daß durch dich er viel des Segens schafft.
Zwar Stückwerk bleibt das Beste, was gelingt,
Je mehr du strebst, je ferner rückt das Ziel.
Oft wird's ein andrer sein, der das vollbringt,
Was unvollendet deiner Hand entfiel.
Du thu' das deine! ob die Saat gedeiht,
Ob unbeachtet sie der Sturm verweht,
Das stell' getrost anheim der künft'gen Zeit,
Die in der Hut...
Christian Henop
Die kommenden Tage
Es weht ein Gespinst um die Brunnen der Nacht,
Drin flattern die Wünsche des Lebens,
Die einen so glühend, die andern so sacht
Im Dunkel erwacht –
Die Nornen sie wirken's und weben's.
Versunken in brütenden Gründen, was war,
Was sein wird, entbrodelt den Tiefen –
Es steigen die Stunden, es jüngt sich das Jahr,
Aufschimmert die Schar
Der Tage, die schattenhaft schliefen.
Nun schlürfen sie Blut an den Brüsten der Zeit,
Schon wiehert das Kampfroß der Frühe,
Der Hahn schlägt...
Karl Henckell
Rote Rosen
Rote Rosen, die glühen,
Zeugen glücklicher Zeit,
Als von Sorgen und Mühen
Das Herz befreit!
Über Trauer und Trümmer,
Wüsten, häßlichen Graus,
Blühenden Lebens Schimmer,
Neu breite dich aus!
Blüten, lang nicht beschieden,
Gruß aus schenkender Hand,
Boten der Sehnsucht nach Frieden,
Segnet, o segnet das freudlose Land!
Karl Henckell
Meiner Mutter
Mutter, aus der Ferne eilst du,
Deinen Sohn zu sehen,
Ach, die kranke Seele heilst du,
Linderst ihre Wehen.
Bin zermartert, bin zerschlagen
Wie im Sturm die Eiche,
Doch bei dir vergeht mein Klagen,
Gute, Milde, Weiche.
Wer der Zeit Meduse schaute
Schon mit jungen Jahren,
Wem's in Höllenschlünden graute,
Früh hinabgefahren:
...
Karl Henckell
Winzer Tod
Wenn jetzt der Tod, der große Winzer, käme,
Mich abzuschneiden von dem Stock der Zeit –
Eh er die Traube mit dem Messer nähme,
Sänk' ihm der Arm: »Noch ist die Stunde weit.
Zwar Sturm und Sonnenschein ward dir beschieden,
Genossen hast du Qual und Lust der Welt,
Empörung kennst du, und du kennst den Frieden,
Den reiferen Früchten hast du dich gesellt.
Doch tiefer sollst du deine Beeren neigen,
Und süß wie Honig will ich deinen Saft,
Gedeihe noch im Licht- und Schattenreigen –
Erst...
Karl Henckell
Das Herz ist mir bedrückt
Das Herz ist mir bedrückt, und sehnlich
Gedenke ich der alten Zeit;
Die Welt war damals noch so wöhnlich,
Und ruhig lebten hin die Leut.
Doch jetzt ist alles wie verschoben,
Das ist ein Drängen! eine Not!
Gestorben ist der Herrgott oben,
und unten ist der Teufel tot.
Und alles schaut so grämlich trübe,
So krausverwirrt und morsch und kalt,
Und wäre nicht das bißchen Liebe,
So gäb es nirgends einen Halt.
Heinrich Heine
Unsre Seelen bleiben freilich,
In platonischer Empfindung,
Fest vereinigt, unzerstörbar
Ist die geistige Verbindung.
Ja sogar im Trennungsfalle
Fänden sie doch leicht sich wieder;
Denn die Seelen haben Flügel,
Schnelles Schmetterlingsgefieder;
Und dabei sind sie unsterblich,
Und die Ewigkeit ist lange;
Und wer Zeit hat und wer suchet
Findet, was er auch verlange.
Doch den Leibern, armen Leibern,
Wird die Trennung sehr verderblich,
Haben keine Flügel, haben
Nur zwei Beine, und sind...
Heinrich Heine
Still ist die Nacht, es ruhn die Gassen,
In diesem Hause wohnte mein Schatz;
sie hat schon längst die Stadt verlassen,
Doch steht noch das Haus auf demselben Platz.
Da steht auch ein Mensch und starrt in die Höhe,
Und ringt die Hände vor Schmerzensgewalt;
Mir graust es, wenn ich sein Antlitz sehe –
Der Mond zeigt mir meine eigne Gestalt.
Du Doppelgänger! Du bleicher Geselle!
Was äffst du nach mein Liebesleid,
Das mich gequält auf dieser Stelle,
So manche Nacht in alter Zeit?
Heinrich Heine
Die Liebe begann im Monat März,
Wo mir erkrankte Sinn und Herz.
Doch als der Mai, der grüne, kam:
Ein Ende all mein Trauern nahm.
Es war am Nachmittag um Drei
Wohl auf der Moosbank der Einsiedelei,
Die hinter der Linde liegt versteckt,
Da hab ich ihr mein Herz entdeckt.
Die Blumen dufteten. Im Baum
Die Nachtigall sang, doch hörten wir kaum
Ein einziges Wort von ihrem Gesinge,
Wir hatten zu reden viel wichtige Dinge.
Wir schwuren uns Treue bis in den Tod.
Die Stunden schwanden, das...
Heinrich Heine
Die Fensterschau
Der bleiche Heinrich ging vorbei,
Schön Hedwig lag am Fenster.
Sie sprach halblaut: Gott steh mir bei,
Der unten schaut bleich wie Gespenster!
Der unten erhebt sein Aug in die Höh,
Hinschmachtend nach Hedewigs Fenster.
Schön Hedwig ergriff es wie Liebesweh,
Auch sie ward bleich wie Gespenster.
Schön Hedwig stand nun mit Liebesharm
Tagtäglich lauernd am Fenster.
Bald aber lag sie in Heinrichs Arm,
Allnächtlich zur Zeit der Gespenster.
Heinrich Heine
Ehmals glaubt ich, alle Küsse,
Die ein Weib uns gibt und nimmt,
Seien uns, durch Schicksalsschlüsse,
Schon urzeitlich vorbestimmt.
Küsse nahm und ich küßte
So mit Ernst in jener Zeit,
Als ob ich erfüllen müßte
Taten der Notwendigkeit.
Jetzo weiß ich, überflüssig
Wie so manches, ist der Kuß,
Und mit leichtern Sinnen küß ich,
Glaubenlos im Überfluß.
Heinrich Heine
Es geht am End, es ist kein Zweifel,
Der Liebe Glut, sie geht zum Teufel.
Sind wir einmal von ihr befreit,
Beginnt für uns die bess're Zeit,
Das Glück der kühlen Häuslichkeit.
Der Mensch genießet dann die Welt,
Die immer lacht fürs liebe Geld.
Er speist vergnügt sein Leibgericht,
Und in den Nächten wälzt er nicht
Schlaflos sein Haupt, er ruhet warm
In seiner treuen Gattin Arm
Heinrich Heine