Süßes Zitate (Seite 72)
"Ihr seid das Salz der Erde", hast gesagt,
Als auf die Erde mich entließest, Gott.
Froh war ich, stolz, und habe nie geklagt.
Nun muß ich bitten, denn ich bin in Not.
Ich bin ein alter Mann und müder Mann.
Ich möchte flehn: "Nimm mich zurück zu dir.
Die Welt ist so, daß ich nicht leben kann.
Ich kann nicht Salz mehr sein, was soll ich hier?"
Doch eine Sünde wäre das Gebet,
Denn Sünde ist es, wenn ein Mensch erschlafft,
Den Gott dahin gestellt hat, wo er steht.
Noch hab ich nichts, das ich...
Paul Ernst
Ruhe des Herzens
Wie heimlich glüht ein Bild
aus langer Dämm'rung:
Ein Sommerabend war's
Im Heimatdorfe;
Noch lag ein Sonnenhauch
Auf Dach und Giebeln,
Und hell stand schon der Mond
In leerer Straße.
Der Nachbar sprach ein Wort
Von Tau und Regen,
Er sprach zu seinem Weib
Drin in der Kammer;
Er zog das Fenster an,
Es klang der Riegel;
Ein erstes Sternlein trat
Aus lichtem Dunkel.
Aus fernen Gärten klang
Ein Mädchenlachen;
Ein letzter Nachhall dann
Und letzte Stille.
Und all die Sommerwelt
Ging...
Otto Ernst
Gefesselt
Liebesglück und Liebesschmerz –
Die Minute macht zum Sklaven,
O des Gottes Pfeile trafen
Mein gestählt gewappnet Herz.
Trage Ketten, golden süß,
Aber immer sind es Ketten,
Goldne Ketten, süße Ketten,
Aber Ketten sinds gewiß.
In des Lebens Blütenzeit
Tief verletzt und schwer gebunden,
Und in Fesseln und in Wunden
Dennoch diese Seligkeit?
Ludwig Eichrodt
Zum Abschied
Der Herbstwind schüttelt die Linde,
Wie geht die Welt so geschwinde!
Halte dein Kindlein warm.
Der Sommer ist hingefahren,
Da wir zusammen waren -
Ach, die sich lieben, wie arm!
Wie arm, die sich lieben und scheiden!
Das haben erfahren wir beiden,
Mir graut vor dem stillen Haus.
Dein Tüchlein noch läßt du wehen,
Ich kann's vor Tränen kaum sehen,
Schau' still in die Gasse hinaus.
Die Gassen schauen noch nächtig,
Es rasselt der Wagen bedächtig -
Nun plötzlich rascher der...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Im hohen Gras der Knabe schlief,
Da hört' er's unten singen,
Es war, als ob die Liebste rief,
Das Herz, wollt ihm zerspringen.
Und über ihm ein Netze wirrt
Der Blumen leises Schwanken,
Durch das die Seele schmachtend irrt
In lieblichen Gedanken.
So süße Zauberei ist los,
Und wunderbare Lieder
Geh'n durch der Erde Frühlingsschoß,
Die lassen ihn nicht wieder.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Ich wär verschlossen, an Vertrauen arm? –
Dann bin ich's unbewußt, daß Gott erbarm.
Nicht kluge Vorsicht ist mir angeboren,
Im Glauben nehm ich's auf mit jedem Toren,
Zur Lüge fehlt mir Feigheit und Geduld.
Mein Denken, all mein Hassen und mein Lieben,
Es steht so klar auf meiner Stirn geschrieben –
Daß ihr nicht lesen lernt, ist eure Schuld.
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach
Vorfrühling
Wir standen heute still am Zaun von einem fremden Garten,
Sah'n hin und sah'n das Wintergras am Teich auf Sonne warten.
Im Wasser lag verjährtes Laub gleichwie auf Glas,
Am Ufer saß ein Büschel Veilchen jung erblüht im gelben Gras,
Und frisches Lilienkraut wuchs grün bei Tuffsteinblöcken,
Am Himmel oben gingen Wolken jugendlich in weißen Röcken.
Wie wenig Welt tut schon den Augen gut!
Nur ein paar Atemzüge lang hat's Herz dort ausgeruht,
Nur ein paar Augenblicke tat es säumen...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Was frag' ich nach Zeit und Stunde
Was frag ich nach Zeit und Stunde,
Wenn an deiner Brust ich lieg' –
Wenn ich küsse von deinem Munde
Der Liebe süßseligen Sieg!
Wenn ich küsse die weißen Brüste,
Den knospenden, schwellenden Leib –
Was frag' ich nach Zeit und Stunde,
Bei solch holdem Zeitvertreib! …
Was frag' ich nach Zeit und Stunde,
Rast' ich auf Linnen, schneeweiß,
Bei dir und trink' dir vom Munde
Der Liebe süßseligen Preis!
Da füllt mich ein großes Genügen,
Mein wildes Begehren...
Hermann Conradi
Die Waise
(Litauisch)
»Sie haben mich geheißen
Nach Heidelbeeren gehn;
Ich habe nach den Beeren
Im Walde nicht gesehn.
Ich bin hinausgegangen
Zu meiner Mutter Grab,
Worauf ich mich gesetzet
Und viel geweinet hab.« –
»Wer sitzt auf meinem Hügel,
Von der die Tränen sind?« –
»Ich bin's, o liebe Mutter,
Ich, dein verwaistes Kind.
Wer wird hinfort mich kleiden
Und flechten mir das Haar?
Mit Liebeswort mir schmeicheln,
Wie's deine Weise war?« –
»Geh hin, o liebe Tochter,
Und finde dich darein!
Es...
Adelbert von Chamisso
Zu guter Letzt
Sie ist ein reizendes Geschöpfchen,
Mit allen Wassern wohl gewaschen.
Sie kennt die süßen Sündentöpfchen
Und liebt es, häufig draus zu naschen.
Da bleibt den sittlich Hochgestellten
Nichts weiter übrig, als mit Freuden
Auf diese Schandperson zu schelten
Und sie mit Schmerzen zu beneiden.
Wilhelm Busch
Sag' o sag' sind's Hallucinationen?
Halt ich dich als Eheweib umspannt?
Zieh'n der Arme Muskelcontractionen
Dich als Gattin an die Thoraxwand?
Ist dies Glück, dies wahrhaft grenzenlose,
Frag' ich skeptisch, ist es wirklich mein?
Keine Stickstoffoxydul-Narkose
Wiegt mein Hirn in süße Träume ein?
Könnt' ich dir, o Holde, demonstriren
Dieses Maximum von Seligkeit!
Willst du darauf hin mich auscultiren,
Sieh', schon liegt das Stethoskop bereit.
Und die Diagnose wird ergeben,
Daß die einst akute...
Edwin Bormann
An eine, die vorüberging
Der Straßenlärm betäubend zu mir drang.
In großer Trauer, schlank, von Schmerz gestrafft,
Schritt eine Frau vorbei, die mit der Hand gerafft
Den Saum des Kleides hob, der glockig schwang;
Anmutig, wie gemeißelt war das Bein.
Und ich, erstarrt, wie außer mich gebracht,
Vom Himmel ihrer Augen, wo ein Sturm erwacht,
Sog Süße, die betört, und Lust, die tötet, ein.
Ein Blitz … dann Nacht! – Du Schöne, mir verloren,
Durch deren Blick ich jählings neu geboren,
Werd in...
Charles Baudelaire
Vom Kirschbaum
Ist alles ganz kahl und still,
nicht mal im Grase sich's regen will,
steht alles geduckt,
klappert im Frost und muckt
mit dem Winter. Der putzt es mit Rauhreif auf,
aber keines gibt was drauf.
Doch im Garten
sagt einer: Ich kann warten.
Ist jemand, du kennst ihn wieder kaum,
so dünn ist er worden: der Kirschenbaum.
Schläft er nicht?
Trau einer dem Wicht!
Heute mittag um eins
gab's mal ein Pröbchen Sonnenscheins:
Darin - ich habe
das deutlich gesehn -
mit seinen...
Ferdinand Ernst Albert Avenarius