Spiegel Zitate (Seite 3)
Eine auf ihre Schönheit bedachte Frau ist sich selbst gegenüber stets sehr ehrlich. Sie schaut in den Spiegel und entdeckt mit Sicherheit das kleinste unerwünschte Fältchen, die kleinste Patrouille des kommenden Alters. So ehrlich aber sind die Menschen nie, wenn sie ihr eigenes Wesen im Spiegel einer Selbstbetrachtung prüfen. Da sehen sie die größten Flecken, die häßlichsten Entstellungen nicht.
Franz Carl Endres
Der Weise benutzt sein Herz wie einen Spiegel. Er sucht die Dinge nicht und geht ihnen auch nicht entgegen. Was auf ihn zukommt, nimmt er in seinem Spiegel auf; tut aber nichts dazu, es dort zu halten. Das aber ist es eben, was ihn fähig macht, über alles zu siegen und selbst nie verletzt zu werden.
Dsuang Dsi
Falsche Gewichtung
Es sind nicht die Tränen im Gesicht
sondern das Wasser in den Augen,
welches die Sichtweisen verschwimmen läßt.
Es sind nicht die Risse im Spiegel,
sondern die Splitter in der Haut,
welche den Schmerz unerträglich machen.
Es sind nicht die Schläge im Herzen
sondern die Treffsicherheit des Angreifers
welche uns die Offenheit bereuen läßt.
Es ist nicht das Wissen um unserer Fehler
sondern die Unzulänglichkeit diese zu verhindern
welche uns zu voreingenommenen macht.
Es ist...
Damaris Wieser
Psyche
Die arme Waise,
Sie seufzt und bebt;
Aus dem Gehäuse
Ihr Fittig strebt.
Nach jedem Sterne
Streckt sie die Hand;
Dort glänzt – ach Ferne!
Ihr Vaterland.
Umsonst nach Klarheit
Sehnt sich ihr Blick,
Nach Lieb' und Wahrheit
Ihr Geist zurück.
Mit bunten Schranken
Hemmt Sinnentrug
Ihr der Gedanken
Äther'schen Flug.
Sie schlägt die Flügel
Am Käfig wund;
Ihr macht kein Spiegel
Ihr Wesen kund.
Die arme Waise
Sie ringt und strebt
Aus dem Gehäuse
Und seufzt und bebt.
Ignaz Heinrich Carl Freiherr von Wessenberg-Ampringen
Der Gorilla
Er atmet ihre Schwüle längst nicht mehr,
Doch lastet seinem Nacken immer noch der Traum der großen Seen
Und läßt ihn tief zum Sand gebückt und schwer
Im Takt zur Wiederkehr der Eisenstäbe gehn.
Er möchte wohl der Glanz der Papageien sein,
Das Duften der Reseden und der Walzerklang,
Doch bricht kein Strahl den trüben Spiegel seines Auges ein:
Die Hand trägt still gefaltet den beträumten Gang
Dem fremden Leuchten still und fremd vorbei.
Manchmal, im Schrei,
Der fernher trifft, fühlt...
Maria Luise Weissmann
Ballade vom Schatten
(unvollendet)
Engte mich mein kleiner Schatten ein,
Kleiner Schatten, der mich streng umschrieb,
Mir drei Schritt voraus, zur Seite ging
Oder drei in meinem Rücken blieb.
Sprach ich: Schatten, böser Spiegel Schatten,
Soll ich ewig treuer Diener sein,
Immerfort von deinem Maß beschlossen,
Ewig Abbild und für ewig dein?
Schatten sprach darauf: Gib mir ein Licht,
Größres Licht gib mir, mich drin zu strecken,
Und ich geh von dir,...
Maria Luise Weissmann
Wölfe
Blutige Schnauzen im Wind
Das Dunkel zum Jagen gemacht
Wißt ihr noch, gestern, das Kind?
Es heulte wie wir in der Nacht.
Der Neuschnee verwischt uns’re Spuren
Legt sich sacht auf gefrorenes Blut
Und der Wind übertönt unser Knurr’n
Das ist gut! Das ist gut!
Am Tag kamen Menschen hierher
Haben Hunde bei sich geführt
Kamen mit Stock und Gewehr
Doch ich hab ihre Angst gespürt.
Ihre Angst, uns wirklich zu seh’n
Ihre Angst, daran zu verbrennen
Ihre Angst, vor Scham zu vergeh’n
daß...
Götz vor dem Gentschenfelde
Von vier Uhr bis sieben
Im Herz, wie im Spiegel, ein Schatten,
Auch unter den Leuten – alleine geblieben…
Der Tag geht nur langsam von statten
Von vier Uhr bis sieben!
Ich brauch keine Menschen – sie lügen
Und werden grausam bei Dämmerung.
Ich könnte weinen. Zur Schnur
Haben die Finger das Tüchlein gewrungen.
Hab ich dich beleidigt – verzeih,
Doch bitt ich, mich nicht zu betrüben!
– Ich spüre unendliche Traurigkeit
Von vier Uhr bis sieben.
Marina Ivanovna Tsvetaeva
Anrede
Ich bin nur Flamme, Durst und Schrei und Brand.
Durch meiner Seele enge Mulden schießt die Zeit
Wie dunkles Wasser, heftig, rasch und unerkannt.
Auf meinem Leibe brennt das Mal: Vergänglichkeit.
Du aber bist der Spiegel, über dessen Rund
Die großen Bäche alles Lebens geh'n,
Und hinter dessen quellend gold'nem Grund
Die toten Dinge schimmernd aufersteh'n.
Mein Bestes glüht und lischt – ein irrer Stern,
Der in den Abgrund blauer Sommernächte fällt –
Doch deiner Tage Bild ist hoch und...
Ernst Maria Richard Stadler
Im Sommer
O komm mit mir aus dem Gewühl der Menge,
Aus Rauch und Qualm und tobendem Gedränge,
Zum stillen Wald,
Dort wo die Wipfel sanfte Grüße tauschen,
Und aus der Zweige sanft bewegtem Rauschen
Ein Liedchen schallt.
Dort zu dem Quell, der durch die Felsen gleitet
Und dann zum Teich die klaren Wasser breitet,
Führ ich dich hin.
In seinem Spiegel schau die stolzen Bäume
Und weiße Wolken, die wie sanfte Träume
Vorüberziehn.
Dort laß uns lauschen auf der Quelle Tropfen
Und auf der...
Heinrich Seidel