Nur Zitate (Seite 288)
Menschenbeifall
Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
seit ich liebe? Warum achtetet ihr mich mehr,
da ich stolzer und wilder,
wortereicher und leerer war?
Ach, der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,
und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
an das Göttliche glauben
die allein, die es selber sind.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
An die jungen Dichter
Liebe Brüder! es reift unsere Kunst vielleicht,
Da, dem Jünglinge gleich, lange sie schon gegärt,
Bald zur Stille, der Schönheit;
Sein nur fromm, wie der Grieche war!
Liebt die Götter und denkt freundlich der Sterblichen!
Hasset den Rausch, wie den Frost! lehrt, und beschreibet nicht!
Fragt die große Natur um Rat.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
An A. von Binzer
Den frohen Sinn der Jugend zu erhalten,
Wenn auch das Alter schon die Locken bleicht,
Das ist's, was jeder wünscht, doch schwer erreicht,
Weil nur dem Glücklichen es vorbehalten.
Ob wir nun fröhlich mit den Stunden schalten,
Ob ihr phlegmatisch durch die Tage schleicht,
Und ob's im Busen stürmet oder schweigt,
Es muß das Herz doch nach und nach erkalten.
Doch seh' ich Dich, so schwindet all mein Zagen;
Denn ungebeugt im Kampfe mit der Welt
Hast Du das Alter aus dem Feld...
Chlodwig Carl Viktor Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst
Ermahnung
Ach was wollt ihr trüben Sinnen
Doch beginnen!
Traurig sein hebt keine Not.
Es verzehret nur die Herzen,
Nicht die Schmerzen,
Und ist ärger als der Tod.
Auf, o Seele! du mußt lernen
Ohne Sternen,
Wenn das Wetter tobt und bricht,
Wenn der Nächte schwarze Decken
Uns erschrecken,
Dir zu sein dein eigen Licht.
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
Priester, du willst die Seele erkennen,
Willst Gesundes vom Kranken trennen,
Irrt dein Sinn oder lügt dein Mund?
Was ist krank?! Was ist gesund?!
Richter, eh du den Stab gebrochen,
Hat keine Stimme in dir gesprochen:
Ist das Gute denn nicht schlecht?
Ist das Unrecht denn nicht Recht?
Mensch, eh du einen Glauben verwarfst,
Weißt du denn auch, ob du es darfst?
Wärest du tief genug nur gedrungen,
Wär dir derselbe Quell nicht entsprungen?
Hugo von Hofmannsthal
Und es fragen mich die Leute:
»Sag, wie kommts, daß deine Lieder
So das Gestern wie das Heute
Spiegeln tausendtönig wieder?
Wenn nur einer Stunde Beben
Sie beseelet und entzündet,
Sag, wie kommts, daß all dein Leben
Bunt und seltsam in sie mündet,
All dein Grübeln und dein Träumen
In die Töneflut sich schlinget,
Der Gedanken wechselnd Schäumen
Dumpf durch deine Lieder klinget?«
Und ich sage: »Seht, es gleichen
Meine Lieder jenen Blüten,
Die ja auch in einer weichen,
Heißen, einzgen Nacht...
Hugo von Hofmannsthal
Der nächtliche Weg
Ich ging den Weg einmal: da war ich sieben,
So arm und reich!
Mir war, ich hielt ein nacktes Schwert in Händen,
Und selbst die Sterne bebten seinem Streich.
Mit siebzehn ging ich wiederum den Weg
Erst recht allein:
Ein Etwas huschte in den blassen Winden,
Von oben kam der fremden Welten Schein.
Nun führ ich dich, du spürst nur meine Hand:
Einst war ich sieben ...
Und das Vergangne glimmt, von Geisterhand
Mit blassem Schein ins Dunkel hingeschrieben!
Hugo von Hofmannsthal
Unser Leiden, unsre Wonnen
Spiegelt uns die Allnatur,
Ewig gilt es unsrer Spur,
Alles wird zum Gleichnisbronnen.
Erstes Grün der frischen Flur
Mahnst an Neigung zart begonnen,
Heißes Sengen reifer Sonnen
Bist der Liebe Abglanz nur!
Schlingt sich um den Baum die Winde,
Denken wir an uns aufs neue,
Sehnen uns nach einer Treue,
Die uns fest und zärtlich binde ...
Und wir fühlen uns verwandt,
Wie wir unser Bild erkannt.
Hugo von Hofmannsthal
Ich will den Schatten einziger Geschicke
Groß an den Boden der Gedichte legen,
Der jungen Helden ungeheure Blicke
Und andre Götter, die den Sinn bewegen:
Dann sollst du über ihren Rand dich neigen
Und völlig hingegeben jenen Werken
Spät nur dein gleitend Bild darin bemerken
Mit einem wundervoll erschrocknen Schweigen.
Hugo von Hofmannsthal
Mache, daß ich so fest vereinigt werde mit Dir:
Wie ein Siegel mit dem Briefe, daß, wenn man das Siegel
herunterhaben will, man den Brief mit zerreißen muß;
daß, wenn ich von Dir getrennt werden sollte,
man uns eben zerreißen müßte,
daß uns auch kein Todesbann ewiglich mehr trennen kann.
So setze mich einmal auf Dein Herz!
So nimm mich auf Deinen Arm!
Umfasse mich nicht nur, sondern halte mich!
Grabe dich ein! Bleibe hängen!
Laß mich nicht wieder los!
Hugo von Hofmannsthal
Melusine
Die Liebste sprach: "Ich halt dich nicht,
du hast mir nichts geschworen.
Die Menschen soll man halten nicht,
sind nicht zur Treu geboren.
Ziehe deine Straßen hin, mein Freund,
beschau dir Land um Land,
in vielen Betten ruh dich aus
viel Frauen nimm bei der Hand.
Wo dir der Wein zu sauer ist,
da trink du Malvasier,
und wenn mein Mund dir süßer ist,
so komm nur wieder zu mir!"
Hugo von Hofmannsthal
Im Schneegestöber
Schneewehen! Verdrossenen Blicks seht ihr nur Flecken,
aber meine Augen werden groß und frohlocken:
Rudel milchweißer Pferde!
Mit wehendem Schweif und wallender Mähne,
die elfenbeinernen Zähne
bleckend zum Freudengeschrei,
jagen sie, rasen sie über die Erde.
Stiebend! Vorbei!
Fridolin Hofer