Nacht Zitate (Seite 16)
Der Gefangene
Oftmals habe ich nachts im Bette
Schon gegrübelt hin und her,
Was es denn geschadet hätte,
Wenn mein Ich ein andrer wär.
Höhnisch raunten meine Zweifel
Mir die tolle Antwort zu:
Nichts geschadet, dummer Teufel,
Denn der andre wärest du!
Hilflos wälzt ich mich im Bette
Und entrang mir dies Gedicht,
Rasselnd mit der Sklavenkette,
Die kein Denker je zerbricht.
Frank Wedekind
Der Andere
Nirgends vergißt sich so leicht
Der Liebe Lust, der Liebe Schmerz
Wie in den Armen eines andern.
Schwarz war dein Auge, mein Freund,
Schwarz wie die Nacht, wolkenumhüllt.
Blau strahlt das Auge des andern.
Keiner wohl küßte wie du,
Sanft wie ein Hauch am Maientag.
Stürmisch jetzt küßt mich der andre.
Treulos und falsch war dein Herz.
Doch auch dafür find' ich Ersatz,
Denn schon betrügt mich der andre.
Frank Wedekind
Ich hab dich lieb, kannst du es denn ermessen,
Verstehn das Wort, so traut und süß?
Es schließet in sich eine Welt von Wonne,
Es birgt in sich ein ganzes Paradies.
Ich hab dich lieb, so tönt es mir entgegen,
Wenn morgens ich zu neuem Sein erwacht;
Und wenn am Abend tausend Sterne funkeln,
Ich hab dich lieb, so klingt die Nacht.
Du bist mir fern, ich will darob nicht klagen,
Dich hegen in des Herzens heil'gem Schrein.
Kling fort, mein Lied! Jauchz auf, beglückte Seele!
Ich hab dich lieb, und...
Frank Wedekind
Der Tantenmörder
Ich hab meine Tante geschlachtet,
Meine Tante war alt und schwach;
Ich hatte bei ihr übernachtet
Und grub in den Kisten-Kasten nach.
Da fand ich goldene Haufen,
Fand auch an Papieren gar viel
Und hörte die alte Tante schnaufen
Ohn Mitleid und Zartgefühl.
Was nutzt es, daß sie sich noch härme –
Nacht war es rings um mich her –
Ich stieß ihr den Dolch in die Därme,
Die Tante schnaufte nicht mehr.
Das Geld war schwer zu tragen,
Viel schwerer die Tante noch.
Ich faßte sie bebend...
Frank Wedekind
Das Leben ist ein Traum,
Man merkt, man fühlt ihn kaum;
Denn schnell wie Wolken ziehn,
Ist dieser Traum dahin.
Wohl dem, der gut geträumt,
Wohl dem, dess Saat hier keimt
Zur Ernte für die Zeit
Der Unvergänglichkeit.
Das Leben ist der Blick
Auf einer Zukunft Glück,
Das jeder haben kann,
Der hier es wohlgetan.
Wohl dem, der nach der Nacht
Des Grabes froh erwacht,
Den nicht die Stimme schreckt,
Die aus dem Schlummer weckt.
Wer bei der Arbeit Schluß
Die Rechnung fürchten muß,
Hat wahrlich keinen...
Johann Christoph Wannovius
Nachtduftende Orchis
Waren's Blumen mit den wunderbaren
Silberhellen kleinen Flügelpaaren?
Oder waren's fragt ich Blumenengel,
Hingeheftet an die Blütenstengel?
Waren's Blumen die beim Mondenschimmer
Mir mit Duft erfüllt mein kleines Zimmer?
Oder hatten durch die Nacht geklungen
Traumhaft süße Überlieferungen?
Christian Wagner
Ein gebrochenes Herz,
es war so allein.
Erlebte den Schmerz,
versuchte trotzdem glücklich zu sein.
Bunte Träume waren da,
sie waren voller Glück.
Handelten davon, wie es einmal war,
wollten die Lebendigkeit zurück.
So floh es vor der Wirklichkeit.
Hinein, in die Dunkelheit der Nacht.
Es liebte die Vergangenheit
und unterschätzte ihre Macht.
Ein gebrochenes Herz,
es war so allein.
Erlebte den Schmerz,
versuchte trotzdem glücklich zu sein.
Silke Vossenkaul
Grabschrift unsres Haushahns
An diesem Baume ruht
der Haushahn, treu und gut.
Er führt' ins achte Jahr
der lieben Hennen Schar.
Als wackrer Ehemann
rührt' er kein Krümchen an,
was wir ihm vorgebrockt,
bis er die Fraun gelockt.
Nun strotzt er nicht mehr
im Hofe stolz umher
und jagt aus seinem Ort
des Nachbarn Hühner fort.
Nun schützt er nicht vor Graun
im Sturm und Nacht die Fraun.
Nun wecket uns nicht früh
sein helles Kikeriki.
Vor Alter blind und taub,
sank er zuletzt in Staub.
Sein Kamm, so...
Johann Heinrich Voß
Schneefall
Das Glitzern seh‘ ich noch. Die Kälte spüre ich nicht mehr. Gefrorenes Haar in fahlem Licht.
Vor Stunden noch war hier ein Weg, verbindend die Dörfer des Schlafs.
Noch wäre es leicht, zu leicht vielleicht, aufzustehen und weiterzugehen.
Der Weg noch da, aber unsichtbar nun für schneeblinde Augen.
Ich brauche keine Nacht mehr, um nicht zu sehen.
Werden sie kommen, die Wölfe?
Mein Heulen wird lauter sein als das ihre.
Welche Glocken läuten da? Ist ein Dorf erwacht?
Ich stehe...
Götz vor dem Gentschenfelde
Wölfe
Blutige Schnauzen im Wind
Das Dunkel zum Jagen gemacht
Wißt ihr noch, gestern, das Kind?
Es heulte wie wir in der Nacht.
Der Neuschnee verwischt uns’re Spuren
Legt sich sacht auf gefrorenes Blut
Und der Wind übertönt unser Knurr’n
Das ist gut! Das ist gut!
Am Tag kamen Menschen hierher
Haben Hunde bei sich geführt
Kamen mit Stock und Gewehr
Doch ich hab ihre Angst gespürt.
Ihre Angst, uns wirklich zu seh’n
Ihre Angst, daran zu verbrennen
Ihre Angst, vor Scham zu vergeh’n
daß...
Götz vor dem Gentschenfelde
Zu spät
Sie haben dich fortgetragen,
Ich kann es dir nicht mehr sagen,
Wie oft ich bei Tag und Nacht
Dein gedacht,
Dein und was ich dir angetan
Auf dunkler Jugendbahn.
Ich habe gezaudert, versäumet,
Hab' immer von Frist geträumet;
Über den Hügel der Wind nun weht:
Es ist zu spät.
Friedrich Theodor von Vischer
Auf irren Pfaden ohne Ende
Schritt ich dahin in banger Qual,
Mich führten deine lieben Hände.
Ich sah am Horizont, daß fahl
Ein schwacher Schein der Hoffnung glimme,
Dein Auge war der Morgenstrahl.
Ermut'gend durch die Nacht, die schlimme,
Kam nur der eig'nen Schritte Klang:
Geh weiter! sagte deine Stimme.
Mein Herz, so düster und so bang,
Es weinte still in bitt'rem Leide,
Die Liebe, die den Sieg errang
Hat uns geeint in sel'ger Freude!
(Übertragen von Graf Wolf von Kalckreuth)</em>
Paul Verlaine
Gib mir den Goldpokal
und laß mich trinken, trinken
in flammendheißer Lust
verglühn, vergehn, versinken!
Sündhaft sind deine Lippen,
die also süß gesprochen,
verflucht die blassen Hände,
die meinen Stolz zerbrochen.
O diese Nacht, die eine,
die wars, nun hilft kein Beten,
Mörder! Du hast meine fromme,
heilige Liebe zertreten!
Leon Vandersee
Das Ständchen
Was wecken aus dem Schlummer mich
Für süße Klänge doch?
O Mutter, sieh! Wer mag es sein
In später Stunde noch?
"Ich höre michts, ich sehe nichts,
O schlummre fort so lind!
Man bringt dir keine Ständchen jetzt,
Du armes, krankes Kind!"
Es ist nicht irdische Musik,
Was mich so freudig macht;
Mich rufen Engel mit Gesang,
O Mutter, gute Nacht!
Ludwig Uhland