Jahr Zitate (Seite 20)
Ein' festen Sitz hab' ich veracht't,
Fuhr unstät durch's Revier,
Da fand ich sonder Vorbedacht
Ein lobesam Quartier.
Doch wie ich in der Ruhe Schoß
Sänftlich zu sitzen wäh'n,
Da bricht ein Donnerwetter los!
Muß wieder wandern geh'n.
All' Jahr wächst eine and're Pflanz'
Im Garten, als vorher!
Das Leben wär' ein Narrentanz!
Wenn's nicht so ernsthaft wär'!
Joseph Victor von Scheffel
Der Ehemann
Zu Ende ist der Hochzeitsschmaus,
Der letzte Gast verläßt das Haus,
Und emsig eilt der Diener Schar,
Zurück bleibt nur das junge Paar.
Der Gatte drückt in heißer Lust
Das holde Weib an seine Brust,
Schwül brennt der roten Ampel Öl,
Er lispelt leise: enfin seul!
Drei Jahre drauf, zur Sommerzeit
Herrscht wieder große Emsigkeit
Im Haus, es rührt sich jede Hand:
Das holde Weibchen fährt aufs Land.
Mit vieler Müh und dito Zanken
Bringt er es an des Zuges Schranken,
Kehrt heim dann,...
Robert Scharl
Ultima ratio
Tier mußt du werden, Tier mußt du werden,
Das über dem Heute das Morgen vergißt,
Dann kann dir der Hunger, die Sorgen auf Erden
Nicht an und du bleibst der Starke, der du bist.
Tier mußt du werden, Tier mußt du werden,
Das über dem Heute das Morgen vergißt,
Gar manche, die jahrlang hindarbend entbehrten,
Vergaßen im Alkohol, was ihrer nicht ist.
Tier mußt du werden, Tier mußt du bleiben,
Des Tieres Gehirn, gott, wie leicht es vergißt!
Was, willst du mit Schnaps und Absinth dich...
Ludwig Scharf
Die Ehrengabe
Stirb, hauch deine Seele aus,
Poet!
Verfallen ist ihr armes Haus:
Die Rettung kam zu spät.
Die Lerche, die im Blut dir sang,
Ist tot –
Denn zwanzig Jahre war zu lang
In Nacht und Not.
Die Perle, längst erblindet, ruht
Im Kot:
Der ausgebrochnen Steine Glut
Ist Stück um Stück verloht.
Die Krone, die man dir gereicht,
War Zinn – –
In Jugendkraft gebrochen schleicht
Ein Greis zum Ausgang hin.
Ludwig Scharf
Jahrestag
An jenem Tag, als ich Dich fand,
da knüpfte ich ein zartes Band.
Ein Jahr lang flocht ich diese Schnur,
schützte sie vor der Natur,
vor Wind und kaltem Regen,
bis ich sie belastbar fand.
Dann holt' ich mir noch Gottes Segen.
damit nie wieder schwindet,
was uns nun so schön verbindet.
Paul Schalamon
Viel genossen, viel gelitten,
Und das Glück lag in der Mitten;
Viel empfangen, nichts erworben,
Froh gelebt und leicht gestorben,
Fraget nicht nach der Zahl der Jahre
Kein Kalender ist die Bahre,
Und der Mensch im Leichentuch
Ist ein zugeklapptes Buch.
Darum, Wand'rer, zieh dich weiter,
Denn Verwesung stimmt nicht heiter.
Ferdinand Sauter
Vergänglichkeit
Menschlichem Elend wäre es eine Linderung,
Sänken die Dinge wie sie stiegen,
Langsam; doch oft begräbt ein schneller Umsturz
Hohe Gebäude.
Lange beglückt stand nichts; der Städt' und Menschen
Schickungen stiegen immer auf und nieder;
Jahre bedarf ein Königreich zu steigen,
Stunden zu fallen.
Du, der du selbst des Todes Opfer sein wirst,
Nenne darum nicht, weil die Zeit im Stillen
Menschen und Menschenwohnungen zerstöret,
Grausam die Götter.
Die dich zum Leben rufte, jene...
Matthäus Casimir Sarbiewsky oder Sarbievius
Der Säulenheilige
Ich kenne einen Menschen, der als Anachoret,
Wie einst die heil'gen Büßer, auf hoher Säule steht.
Im Sommer brennt hernieden versengend heißer Strahl,
Im Winter muß er dulden des Frostes starre Qual.
Der Glieder freies Regen, es ist ihm, ach, verwehrt;
Von ferne muß er schauen, was tief sein Herz begehrt.
Stumm geht die Welt vorüber und reicht ihm kühl hinan,
Was seine Pein verlängern, doch sie nicht lindern kann.
So steht er viele Jahre – gern stürzt' er sich hinab,
Doch...
Ferdinand von Saar
Unsere schöne Welt
Die Welt ist schön, so wunderbar,
die Berge hoch, das Meer so klar,
es war der Anbeginn der Zeit,
der Mensch natürlich und bereit,
die Welt als Scheibe zu erkunden,
um so die Erde zu umrunden.
Viel Zeit verging, mit ihr auch Jahre,
nun liegt sie auf der Krankenbahre,
uns're kranke schöne Welt,
wird verschachert gegen Geld,
Plastik, Öl treibt in den Meeren,
wo sind geblieben diese fairen
Menschen, die zu schätzen wissen
einst das sanfte Ruhekissen.
es geht ganz klar...
Heinz Bernhard Ruprecht
Wiegenlied
Wenn man ab und zu was dichtet,
glaubt man oft, man sei verpflichtet
auch ein Wiegenlied zu schreiben,
um die Vielfalt zu betreiben.
Denn es spiegeln solche Lieder
doch ein Stück der Seele wieder,
darum konnte ich's nicht lassen,
auch ein solches zu verfassen.
Fünfzehn Jahre sind vergangen,
seit ich damit angefangen,
doch das Lied, wie man's auch wendet,
ist bis heute nicht vollendet.
Kaum dass ich so nach Belieben,
ein paar Worte aufgeschrieben,
die mein Schlummerlied...
Edmund Ruhenstroth
Liebst du
Liebst du um Schönheit, o nicht mich liebe!
Liebe die Sonne, sie trägt ein goldnes Haar!
Liebst du um Jugend, o mich nicht liebe!
Liebe den Frühling, der jung ist jedes Jahr!
Liebst du um Schätze, o nicht mich liebe!
Liebe die Meerfrau, sie hat viel Perlen klar!
Liebst du um Liebe, o ja, mich liebe!
Liebe mich immer, dich lieb' ich immerdar.
Friedrich Rückert