Immer Zitate (Seite 111)
Gott, inbrünstig möcht ich beten,
Doch der Erde Bilder treten
Immer zwischen dich und mich,
Und die Seele muß mit Grauen
Wie in einen Abgrund schauen,
Strenger Gott, ich fürchte dich!
Ach, so brich auch meine Ketten!
Alle Menschen zu erretten,
Gingst du ja in bittern Tod.
Irrend an der Hölle Toren,
Ach, wie bald bin ich verloren,
Hilfst du nicht in meiner Not!
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Gesinnung
Wie auch toll die Welt es treibe,
Wie auch alles sich verkehre,
Daß sich selbst er treu verbleibe,
Ist des Mannes Stolz und Ehre.
Was da glitzert, schillert, flimmert,
Staunend mag's der Markt begaffen,
Doch du sollst drum unbekümmert
Immer nur das Rechte schaffen.
Karl Egon Ritter von Ebert
Den lieben langen Tag
Hab' i nur Not und Plag',
Und sollt' am Abend doch nit weine!
Wann i am Fenster steh
Und in die Nacht nei seh
So ganz alleine,
Da muß i weine.
Denn, ach! mein Lieb ist tot,
Ist nun beim lieben Gott; :|
Er war mit Herz und Sinn der Meine.
Ich seh ihn nimmermehr,
Das macht mir's Herz so schwer!
Und i muß weine,
Bin ganz alleine.
Ach er kommt nimmermehr!
Das drückt mi gar zu schwer,
Und abends muß i immer weine,
Seh i die Sternlein gehn,
Glaub' i sein Aug' zu sehn,
Und...
Philipp Jacob Düringer
Gedankliches
Ich sitze hier
in den Wäldern
im Schatten des Berges
dessen Namen ich nicht kenne
der Baumstumpf unter mir
drängt mir mit seiner harten Feuchtigkeit
Gedanken des Lebens in den Kopf
wenn ich in die Ferne sehe
zu einem von Gehölz verdeckten Horizont
um seine Grenzen zu verlassen
wohin werde ich gelangen
wenn ich von einem Horizont zum nächsten schwebe
die Unbegrenztheit der Unendlichkeit verlassend
in welchen Alleen werde ich sein
die alle noch immer nicht
das Alles sind
der...
Gerald Dunkl
Februar
Es wird wieder wärmer.
Der Winter friert nieder,
gibt zögernd uns
Stücke der Erde frei.
die Amsel beginnt
ihre Frühlingslieder.
Du nimmst meine Hände
und lächelst dabei.
Bald ist es geschafft,
das Ende des Dunkels.
Bald werden die Blumen
sich zeigen dem Licht.
Mich stimmt etwas heiter,
denn so war es immer.
Der Frühling wird kommen,
denn Winter bleibt nicht.
Sonja Drechsel-Walther
Wort-Spiel-Arten der Liebe
Liebe ist ein Fürwort
Liebe ist ein Zeitwort
Liebe ist ein Verhältniswort
Liebe ist ein Eigenschaftswort
Liebe ist ein Tätigkeitswort
Liebe ist ein Bindewort
Liebe ist ein Umstandswort
Liebe wird oft zum Fragewort
Liebe wird manchmal zum Zahlwort
Doch Liebe sollte immer das – Hauptwort sein!
Karl Werner Dickhöfer
Erfüllung
Daß du auch an meinem Herzen,
Herz, nur neue Sehnsucht fühlst
und dich in vergangne Schmerzen
schmerzlicher als je verwühlst:
ist das nicht Erfüllung. Du?
Wenn die Erde schmilzt vom Eise,
daß die Luft nach Frühling schmeckt,
und in immer neuer Weise
wild ihr Grün zum Himmel reckt:
ist das nicht Erfüllung, Du?
Wenn wir dann noch Ostern feiern,
weil ein Mensch sein Leben ließ,
der den Frevlern wie Kasteiern
gleiche Seligkeit verhieß:
ist das nicht Erfüllung, Du?
Laß die tragische...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Nicht doch!
Mädel, laß das Stricken – geh,
Thu den Strumpf bei Seite heute;
das ist was für alte Leute,
für die jungen blüht der Klee!
Laß, mein Kind;
komm, mein Schätzchen!
siehst du nicht, der Abendwind
schäkert mit den Weidenkätzchen…
Mädel liebes, sieh doch nicht
immer so bei Seite heute;
das ist was für alte Leute,
junge sehn sich ins Gesicht!
Komm, mein Kind,
sieh doch, Schätzchen:
über uns der Abendwind
schäkert mit den …
Siehst du Mädel, war's nicht nett
so an meiner Seite heute?
Das...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Entweihung
Wag' es selber kaum verstohlen
deinen Namen mir zu stammeln;
ist mir immer doch, als müßt' ich
still mich erst zur Andacht sammeln.
Und ich muß es schweigend leiden,
darf nicht heil'gen Zorns entbrennen
wenn die Andern ohne Scheu mir
diese keuschen Laute nennen, –
mit denselben Lippen nennen,
die des Neides Siegel tragen,
die mit Kuß und Lächeln feilschen,
die zur Lüge Weisheit sagen!
Fort! Ich will aufs Pferd mich werfen,
in die freie Flur es lenken,
will zu meiner Mutter...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Die Illusion
Was ist die Freude, das Glück, das Leben
ohne den Traum von Hoffnung und von Ruhm!
Eine Straße, endlos, öd, uneben:
immer müder wird dein Pilgertum.
Gieb mir Melodieen – oh, nur eine:
wiege das Herz in Träume, wenn es schreit!
und dir wachsen ewige Marmorsteine
aus der Asche der Vergangenheit.
Hoffnung! Ruhm! was soll ich mich beklagen;
ein Diadem zieht strahlend vor mir her.
Was tut’s, ein Leben wie ein Bettler tragen,
wenn man stirbt wie Pindar und Homer!
Richard Fedor Leopold Dehmel
Einst geliebte Seele,
immer noch empfundne,
sternklar weist die Nacht mir Weiten,
die auch dich umschließen,
du entschwundne.
Gütig glänzen wieder
alle Lichter oben,
die uns je zu gleicher Andacht
von der trüben Erde
auferhoben.
Einsamkeit und Dunkel
sind nun nicht mehr Qualen.
Dankbar betet Seel' und Seele:
Sterne, all ihr Sterne,
helft uns strahlen!
Richard Fedor Leopold Dehmel
Durch die Nacht
Und immer Du, dies dunkle Du,
und durch die Nacht dies hohle Sausen;
die Telegraphendrähte brausen,
ich schreite meiner Heimat zu.
Und Schritt für Schritt dies dunkle Du,
es scheint von Pol zu Pol zu sausen;
und tausend Worte hör ich brausen
und schreite stumm der Heimat zu.
Richard Fedor Leopold Dehmel
Leises Lied
In einem stillen Garten,
an eines Brunnens Schacht,
wie wollt ich gerne warten
die lange graue Nacht.
Viel helle Lilien blühen
um des Brunnens Schlund;
drin schwimmen golden die Sterne,
drin badet sich der Mond.
Und wie in den Brunnen schimmern
die lieben Sterne hinein,
glänzt mir im Herzen immer
deiner lieben Augen Schein.
Die Sterne doch am Himmel,
die stehn uns all so fern;
in deinem stillen Garten
stünd' ich jetzt so gern.
Richard Fedor Leopold Dehmel