Alter Zitate (Seite 16)
Wie in sanften Wintern ...
Wie in sanften Wintern die Schneeflocken fliegen
womöglich verfrüht auf die Gräser wehn
komm ich wie verirrt auf dich zu liegen
will einfach in deinen Armen zergehn ...
Eine vage Phantasie gab mir zu verstehen
daß es mir durch deine Wärme wohler wird –
du fragst, warum ich traurig bin: ganz aus Versehen
hat Harmloses mich wieder mal verwirrt:
Kinder haben Krieg gespielt
ganz routiniert aufs Herz gezielt
und Schwalben sind vorbeigezogen –
als Kreuz formiert sind sie...
Jörn Pfennig
Der Apfelbaum
In eines Bauers Garten stand
Ein schöner Apfelbaum; doch neigten Hang und Winde
Und Alter ihn zu weit nach linker Hand.
Der Bauer sahs; berief sein Hausgesinde,
Und hielt geheimen Rat. In diesem ward erkannt:
Den Baum mit umgelegten Stricken
Und mit vereinter Kraft ins Gleichgewicht zu rücken.
Man schritt zum Werk, das rasch von Statten ging.
Kein Wunder, zwanzig Ärzte zogen
So derb, daß sie den Stamm noch mehr zur Rechten bogen,
Als er zuvor sich nach der Linken hing.
Zum...
Gottlieb Konrad Pfeffel
Das befreiende Wort
Ein Wort hab' ich erkoren,
Das in der Lebensschlacht
Ein Schutz, stets unverloren,
Mich hieb- und schußfest macht.
Man lernt es nur mit Schmerzen,
Doch wer's erlernen kann,
Der preist in seinem Herzen
Das Wort: was liegt daran?!
Wenn Falsches und Verkehrtes
Die Welt von ihm ersinnt,
Ein Mann, bar jedes Wertes,
Den Rang ihm abgewinnt.
Wenn ihn die blöde Menge
Belegt mit Acht und Bann,
Ihn bringt's nicht in's Gedränge –
Er denkt: Was liegt daran?!
Nah'n ihm des Alters...
Betty Paoli
Weltkulturerbe
Die Dinger werden hübsch markiert,
damit man sie erkenne –
vielleicht auch dass, wer bombardiert
sowie nach fremden Gütern giert,
sich gar nicht erst verrenne.
Und nächstens? Heißt das Ziel Iran?
Belanglos ist das Fragen,
denn alle trifft es irgendwann –
wir waren schließlich auch schon dran
und kennen solche Lagen.
Den Hütern alter Werte sei
daher von mir empfohlen:
Erspart euch all die Plackerei
und gebt aus freien Stücken frei
das Erbe, eh sie‘s holen!
Wie vieles, was...
Pannonicus
Die mich einst mit Schmerz gebar
Die mich einst mit Schmerz gebar,
doch mit Mutterfreuden –
da ich noch ein Knäblein war,
vieles mußte leiden,
stets mich doch die Sorge gepflegt
und mit Angst und Mühe,
und mich oft noch huldreich trägt:
Siehe, wie ich blühe.
Und ein Liedchen singe ich
dir voll Dank und Freude.
Nimm es an und freue dich,
höre, was ich heute
wünsche dir voll Dankbarkeit:
Lebe uns zufrieden
lange noch; was dich erfreut,
müsse dich hinieden
stets beglücken; ohne Rast
blühen deine...
Novalis
Zu spät
Ach, daß ich verpaßt, verpaßt die Zeit,
Da die Welt so offen noch war und so weit,
Und die Weiber so heiß und mein Herz so toll,
Und die Brüste so weiß und die Lippen so voll!
Die Tafel des Lebens war reich besetzt,
Und alles hat sich an ihr ergetzt…
Nur ich lag draußen wie ein Hund
Mit hungrigem Herzen und lechzendem Mund.
Nun klafft die Tür … Und hinein! – In der Luft
Liegt noch von all dem Süßen der Duft!
Doch glatt sind die Platten, die Becher leer –
Nur welke Rosen liegen...
A. de Nora (Pseudonym für Anton Alfred Noder)
Der Leiermann
Drüben hinterm Dorfe
Steht ein Leiermann
Und mit starren Fingern
Dreht er was er kann.
Barfuß auf dem Eise
Wankt er hin und her
Und sein kleiner Teller
Bleibt ihm immer leer.
Keiner mag ihn hören,
Keiner sieht ihn an,
Und die Hunde knurren
Um den alten Mann.
Und er läßt es gehen,
Alles wie es will,
Dreht, und seine Leier
Steht ihm nimmer still.
Wunderlicher Alter!
Soll ich mit dir geh'n?
Willst zu meinen Liedern
Deine Leier dreh'n?
Wilhelm Müller
Hätt ich geahnt, als ich zuerst Dich schaute
daß mich die warme Sonne Deiner Blicke
verjüngen würde und mit dem Geschicke
feuriger Glut im Alter noch betraute.
Ich wäre, wie der Hirsch, der Luchs, der Panther
entflohen jeder schnöden Schicksalstücke
und wäre hingeeilt zu meinem Glücke.
Längst wären wir begegnet dann einander!
Doch warum gräm ich mich, wo ich nun finde
in Deinen Engelsaugen meinen Frieden,
all meine Ruhe und mein ganzes Heil?
Vielleicht wär damals mir dies Angebinde
noch nicht...
Michelangelo
Die gegeißelte Psyche
Wo von alter Schönheit Trümmern
Marmorhell die Säle schimmern,
Windet blaß und lieblich eine
Psyche sich im Marmelsteine.
Unsichtbarem Geißelhiebe
Beugt sie sich in Qual und Liebe,
Auf den zarten Knieen liegend,
Enge sich zusammenschmiegend.
Flehend halb, und halb geduldig,
Trägt sie Schmach und weiß sich schuldig
Ihre Schmerzensblicke fragen:
Liebst du mich? und kannst mich schlagen?
Soll dich der Olymp begrüßen,
Arme Psyche, mußt du büßen!
Eros, der dich sucht und...
Conrad Ferdinand Meyer
Ohne Dich
Es kommt eine Zeit,
Von der dir nichts bleibt,
Wirst kaum wahrgenommen
Von all jenen Jungen.
Du hast sie gezeugt, geboren,
Hast sie an den Ohren gezogen,
Doch nun bleibst du zurück,
Sie lieben ihr Lebensglück,
Ohne Dich.
Fallout, du kannst gehen,
Man will dich nicht sehen,
Du bist nur noch peinlich,
Ach, sei nicht so kleinlich,
In diesem Leben, alter Tor,
Kommst du nicht mehr vor.
Horst Reiner Menzel
Es nimmt die Jugend Rat vom Augenblick
Und lebt in jedem voll ihr Dasein aus,
Als ob die Zukunft ohne Inhalt sei;
Dem Alter ziemt ein vorbedachtes Ziel
Mit festem Blick und Schritte zu verfolgen,
Sonst bleibt ein Stückwerk unser bestes Thun;
Wie unter Pfuscherhand der Marmor bröckelt,
Der einem Götterbild entgegenreifte.
Friedrich Marx
Die Träume
Wenn uns der Schlaf berührt die Augenlider,
Dann eilt mit seinen Wundern allsogleich
Der Träume wild-phantastisch Nebelreich
Zur dämmernden Gedankenwelt hernieder.
Da sprossen auf des Mohnes bunte Blüten,
Aus jedem Kelche steigt ein wirrer Traum,
Der hüllet sich in leichten Wolkenschaum
Und senkt sich auf das Aug' der Schlummermüden.
Erinn'rung leitet stets der Träume Reigen,
Er zeigt uns längstverscholl'nes Glück und Leid,
Wie nach der Sage alter, grauer Zeit...
Eugenie Marlitt
Abend in den Gassen
an den Wänden
reiben sich Schatten
und der sanfte Glanz
des Alters
liegt weich auf den Steinen
in die engen Gassen
fällt golden
das letzte Abendlicht
streift die Schatten
von den Wänden
dann verwischen sich
die Gassen
sanfter jetzt und steil
und langsam steigt
am trüben Abendhimmel auf
ein träger Mond
Anke Maggauer-Kirsche