Alte Zitate (Seite 28)
Das Neue dringt herein mit Macht, das Alte,
Das Würd'ge scheidet, andere Zeiten kommen,
Es lebt ein anders denkendes Geschlecht!
Was tu ich hier? Sie sind begraben alle,
Mit denen ich gewaltet und gelebt.
Unter der Erde schon liegt meine Zeit;
Wohl dem, der mit der neuen nicht mehr braucht zu leben!
Johann Christoph Friedrich von Schiller
Mai ist's jetzo. Für den Denker,
Der die Gründe der Erscheinung
Kennt, ist dieses nicht befremdlich.
In dem Mittelpunkt der Dinge
Stehn zwei alte weiße Katzen,
Diese drehn der Erde Achse,
Dieser Drehung Folge ist dann
Das System der Jahreszeiten.
Doch warum im Monat Maie
Ist das Aug' mir so beweglich,
Ist das Herz mir so erreglich?
Und warum wie festgenagelt
Muß im Tag ich sechzehn Stunden
Zum Balkon hinüberschielen,
Nach der blonden Mullimulli,
Nach der schwarzen Stibizzina?
Joseph Victor von Scheffel
Im Herz tobt altes Grollen,
Der Sturm pfeift durch die Luft –
»Du kommst mir eben rechte
Des Weges, welscher Schuft!
Dein Dolchstoß ist parieret,
Nun, werter Freund, hab acht,
Wie auf den welschen Schädel
Die deutsche Klinge kracht!«
– Die Sonn' war untergegangen
Fern, fern beim Vatikan;
Sie schien des andern Morgens
Auf einen toten Mann.
Joseph Victor von Scheffel
Laß die breitgetretnen Plätze,
Steig nach unten, klimm nach oben;
Reiche Nibelungen-Schätze
Liegen rings noch ungehoben.
Und du schaust vom Grat der Berge
Fernes Meer und Ufer dämmern,
Hörst tief unten der Gezwerge
Erzgewaltig dumpfes Hämmern.
Mannagleich wird dich erquicken
Süße, starke Geistesnahrung,
Hell vor den gestählten Blicken
Glänzt die alte Offenbarung:
Wie der gröbste und der feinste
Faden sich zu einem Netz schlingt,
Wie durchs Größte und das Kleinste
Stets das...
Joseph Victor von Scheffel
Wenn im Tal und auf den Bergen
Mitternächtig heult der Sturm,
Klettert über First und Schornstein
Hiddigeigei auf zum Turm.
Einem Geist gleich steht er oben,
Schöner, als er jemals war.
Feuer sprühen seine Augen,
Feuer sein gesträubtes Haar.
Und er singt in wilden Weisen,
Singt ein altes Katerschlachtlied,
Das wie fern Gewitterrollen
Durch die sturmdurchbrauste Nacht zieht.
Nimmer hören ihn die Menschen,
Jeder schläft in seinem Haus,
Aber tief im Kellerloche
Hört erblassend ihn...
Joseph Victor von Scheffel
Abschiedslied
Fahr wohl, du alte Schraube!
Mir warst du sehr egal.
Mir schmeckt die Lebenstraube,
Und dir ist alles Qual!
Tu immer, was du wolltest;
Ich stör dich nicht dabei.
Ich weiß nicht, was du solltest;
Ich laß dich gerne frei.
Und wenn du wieder grolltest,
So wär's mir einerlei.
Schrei nur, mein Liebchen, schrei!
Paul Scheerbart
Jenseits-Dämmerung
Jeden Morgen, wenn ich erwache,
Lern' ich die Sprache der Menschen auf's neu,
Die mir in lichtsatten nächtigen Träumen
Zerstoben, verflogen wie kornblinde Spreu.
Jeden Morgen, wenn ich erwache,
Samml' ich auf's neue mein irdisch Gebein,
Das ich im nächtigen Flug durch die Räume
Abgestreift wie ein lästig Gewand.
Und ungern, voll Mißmuth und widrigem Willen
Erheb ich die fröstelnden Glieder auf's neu,
Drein sich die Seele im innersten Marke
Verkrochen vorm Alltag in...
Ludwig Scharf
Nie-Wiederkunft
Ein altes Weib verhaucht seine dünne Seele:
Glaubst du, daß sie weiter leben wird? ..
Glaub's nicht! Glaub's nicht!
Ein greiser König verhauchte seine müdgeword'ne Seele:
Glaubst Du, daß sie weiterleben wird? ..
Glaub's nicht! Glaub's nicht!
Ein muntrer Knabe verhauchte seine tieferschrock'ne Seele:
Glaubst Du, daß sie weiterleben wird? ..
Glaub's nicht! Glaub's nicht!
Keiner, der da war, kommt wieder!
Keiner, der da ist, weiß, daß er war!
Das glaub' – und liebe den Tod!
Ludwig Scharf
Geisterflug
Kronos: Ruhe im Weltall!
Jehova: Alle Sonnen schlafen.
Astaroth: Ein schwüler Atemzug geht durch den Raum.
Athene: Wie lange noch, bis wir hinüber sind?
Jehova: Drei Ewigkeiten. –
Wodan: Seht ihr den Kohlenkloß?
Astaroth: Er züngelt in purpurroten Flammen.
Luzifer: Hat ausgeleuchtet!
Jehova: Dort sein Planetenchor!
Astaroth: Die sieben schwarzen Klumpen?
Wodan: Dort stand die Erde. –
Athene: Seht ihr die Flammenschlinge, die um die Sonne ringt?
Astaroth: Und dort in schräger Kurve...
Ludwig Scharf
Schmerzen
Körperlich –
Psychische Schmerzen –
Ziehen, Stechen, Zerreißen –
treiben mir Tränen in die Augen.
Wut, Einsamkeit, Trauer und Angst
läßt Leere in mir entstehen.
Wo soll ich nur mit all diesen Schmerzen hin?
Nicht zu Euch,
denn Ihr wollt die »Alte«
sehen, hören und fühlen.
So bleiben sie eben dort vergraben,
wo sie hingehören;
In und bei mir.
Alexandra Savnik
Wieder!
Wieder die ersten sonnigen Hauche,
Lockend hinaus vor die düstere Stadt,
Wieder am zitternden, treibenden Strauche
Die ersten Knospen, das erste Blatt.
Wieder auf leis' ergrünenden Hängen
Ersten Veilchens lieblicher Fund,
Wieder mit ersten Jubelgesängen
Hebt sich die Lerche vom scholligen Grund.
Werdenden Frühlings verkündende Zeichen,
Alte Genossen von Lust und Schmerz,
Ach, wie entzückt ihr, ihr ewig Gleichen,
Ewig aufs neue das Menschenherz!
Ferdinand von Saar
Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.
Friedrich Rückert