Würde Zitate (Seite 51)
Klartext
Menschen durchforsten die Läden,
gönnen sich kaum eine Pause,
kaufen nur Nonsens in Massen,
schleppen viel Plastik nach Hause.
Kinder spielen auf Müllhaufen,
atmen die schädlichen Gase,
fangen schon früh an zu saufen,
ziehen sich Koks in die Nase.
Ausländer werden verachtet,
und Regeln werden gebrochen,
im Park mit Bier übernachtet,
eigener Wortschatz gesprochen.
Verpönt sind Würde und Anstand,
genau wie Güte und Respekt,
keiner reicht dem Andern die Hand,
sieht achtlos zu, wie er...
Horst Rehmann
Ein zäher Baum
Ein zäher Baum wiegt sich im Winde,
er leidet unter Altersschwäche,
am Stamm löst sich bereits die Rinde,
Zeit nagt an seiner Oberfläche.
Noch steht er stolz auf festem Boden,
hat sich im Erdreich tief verkrallt,
doch wenn die Winde stärker toben,
verliert er zweifelsfrei den Halt.
Dann muss er machtlos sich ergeben,
dem steten Kreislauf dieser Erde,
muss Platz machen für neues Leben,
und sich verabschieden – in Würde.
Horst Rehmann
Eintauchen in das Gefühl Deiner Nähe
ich bin nur noch am Träumen
von Deiner warmen, weichen Haut
von Deinen Küssen
von Deinen Liebkosungen
ich darf Dich berühren,
schmecken, liebkosen
wenn ich eintauche
in das Gefühl Deiner Nähe
ist es fast, als würde ich mich auflösen
eine Leichtigkeit beflügelt mich
kein Druck lastet auf mir
keine Angst läßt mich erstarren
ich fühle Dich
fühle, daß Du zu mir gehörst
und ich zu Dir.
Beate Prager
Nachklang
(An L.)
Wenn ich dich, du schöne Schwester, sehe
Und betrachte deinen Ernst so gerne,
In den Augen diese klaren Sterne,
Ist's, als wollte weichen all mein Wehe.
Denn da kann ich mir so plötzlich denken,
Dürft' ich wohl in ihre reine Seele
Das Geheimnis, das ich stets verhehle,
Dieses unverdienten Kummers senken?
Daß er wie ein Leichnam sei im Grabe,
Drin sie ihn zurechte würde legen,
Und sie spräche über ihn den Segen,
Ach! auf daß ich fortan Ruhe habe.
Denn so lang ich mag die...
Eduard Mörike
Leitung
Es wird ein Engel dir gesandt,
um dich durchs Leben zu begleiten.
Er nimmt dich liebend an der Hand
und bleibt bei dir zu allen Zeiten.
Er kennt den Weg, den du zu gehen hast,
und trägt mit dir der Erde Leid und Last.
Es wird ein Engel dir gesandt,
dem sollst du dich gern anvertrauen.
Auf ihn soll stets und unverwandt
das Auge deiner Seele schauen.
Er trägt zu deinem Schutz das Schwert des Herrn
und ist dir nie mit seiner Hülfe fern.
Es wird ein Engel dir gesandt,
dem sollst du...
Karl May
Ich danke dir...
ich danke dir, mein Freund.
Du hast mich angegriffen
und dabei die Kraft zur
Verzeihung in mir geweckt.
Du wolltest mich erniedrigen
und hast dabei bewirkt,
daß ich mich aufraffte
zu meiner vollen Größe.
Du wolltest mir weh tun
und hast mich dabei gelehrt,
den Schmerz zu ertragen
mit Würde und Tapferkeit.
Ich danke dir, mein Freund.
Du wolltest mich zerstören
und hast mir dabei
das Unzerstörbare in mir gezeigt.
Elisabeth Lukas
Lob der Faulheit
Faulheit, endlich muß ich dir
Auch ein kleines Loblied bringen!
O! ... Wie ... sauer ... wird es mir
Dich nach Würde zu besingen!
Doch ich will mein Bestes tun:
Nach der Arbeit ist gut ruhn.
Höchstes Gut, wer dich nur hat,
Dessen ungestörtes Leben. . .
Ach! ... ich gähn! ... ich ... werde matt.
Nun, so magst du mir's vergeben,
Daß ich dich nicht singen kann:
Du verhinderst mich ja dran.
Gotthold Ephraim Lessing
Bemerkungen zu einem schlechten Buch
Nicht sollte man den Autor schelten,
der Zorn muß mehr dem Lektor gelten,
dem Setzer, Drucker, dem Vertrieb.
Ein armer Mensch ist, der es schrieb.
Auch dem Verlag man nicht erspare
den Vorwurf ob der schlechten Ware.
Kritik am Autor doch laßt bleiben,
er konnte wohl nicht besser schreiben.
Da steht das Buch nun in Regalen,
und keiner möchte dafür zahlen.
Als Buche</em> würde es hingegen
im Wald Bewunderung erregen.
Gerd W. Heyse
An meine Mutter B. Heine,
geborene van Geldern
Ich bin’s gewohnt, den Kopf recht hoch zu tragen,
mein Sinn ist auch ein bißchen starr und zähe;
wenn selbst der König mir ins Antlitz sähe,
ich würde nicht die Augen niederschlagen.
Doch liebe Mutter, offen will ich's sagen:
Wie mächtig auch mein stolzer Mut sich blähe,
in deiner selig süßen, trauten Nähe
ergreift mich oft ein demutsvolles Zagen.
Ist es dein Geist, der heimlich mich bezwinget,
dein hoher Geist, der alles kühn durchdringet
und...
Heinrich Heine
Susanna im Bade
Susannens Keuschheit wird von allen hochgepriesen:
Das junge Weib, das jeder artig fand,
tat beiden Greisen Widerstand
und hat sich keinem hold erwiesen.
Ich lobe, was wir von ihr lesen;
doch räumen alle Kenner ein,
das Wunder würde größer sein,
wenn beide Buhler jung gewesen.
Friedrich von Hagedorn