Wind Zitate (Seite 6)
Ahnung
Du liebst den Wind, du liebst den Wald
Wohl mehr als mich,
So lässest du um beide bald
Mich sicherlich.
Im Dämmern, wenn die Wildgans schreit,
Dann horchst du hin
Und wünschest dir, wer weiß wie weit
Mit fortzuziehn.
Es birgt des Himmels Dunkelheit
Den Vogelflug,
Mir aber naht ein Herzeleid,
Wie nie ich's trug.
Ilka Marie Unger
Mut für neue Wege
Auf ausgetretenen Wegen
lauf ich mit, und gegen
Wände.
Hände
halten mich und stützen,
schützen,
tragen mich so weit.
Die Zeit
hat vieles mir genommen,
manches verschwommen,
Freude und Leid,
Erinnerung und Eitelkeit.
Und ich renne,
brenne
innerlich so lichterloh.
Bin froh,
das Feuer noch zu spüren.
Laß mich verführen
von den Zielen,
die wirklich wichtig unter vielen,
die strebsam,
behutsam,
erreichbar sind.
Und in mir weht ein neuer Wind,
der das Feuer neu entfacht
und Mut...
Katja Uhlich
Verfall
Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.
Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.
Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,
Indes...
Georg Trakl
Allzeit zufrieden
Immer nur Sonnenschein, wäre zu hell,
immer nur weitergeh’n, ginge zu schnell.
Regen und Wolkenguß muß einmal sein,
willst du am Himmelsblau doppelt dich freu’n!
Danke dem Vater, hab’ fröhlichen Mut,
traue ihm immer, und alles wird gut.
Danke für alles, ob Sonne, ob Wind,
so bist du Gottes glückseliges Kind!
Eva von Tiele-Winckler
Erster Mai
Ja, das war ein erster Mai!
Dreckig waren alle Straßen,
Auch der Wind hat kalt geblasen,
So, als wenn es Winter sei.
Unsre junge Mädchenschar
Trug verstärkte Unterhosen,
Und es konnte wohl erbosen,
Wem es etwa lästig war.
Nichts von Spitzen oder Mull!
Und von den Naturgenüssen
Hat man sich enthalten müssen,
Denn es war fast unter Null.
Alle haben sich geschont,
Die sonst gerne unterliegen,
Um nicht den Katarrh zu kriegen.
Und das heißt man Wonnemond!
Ludwig Thoma
Es gibt zehn starke Dinge.
Eisen ist stark, doch schmilzt es im Feuer.
Feuer ist stark, doch das Wasser löscht es.
Wasser ist stark, doch Wolken verwandeln es in Dampf.
Wolken sind stark, doch der Wind vertreibt sie.
Der Mensch ist stark, doch die Angst wirft ihn nieder.
Die Angst ist stark, doch der Schlaf überwindet sie.
Der Schlaf ist stark, doch der Tod ist stärker.
Herzensgüte aber übersteht auch den Tod.
Talmud
Wohin?
Wohin, du rauschender Strom, wohin?
»Hinunter, hinab die Bahn.
Will rasten, weil ich müde bin,
Im stillen Ozean.«
Wohin, du wehender Wind, wohin?
»Weit, weit hinein ins Land.
Will ruhen, weil ich müde bin,
An einer Felsenwand.«
Wohin, du ziehende Wolke, wohin?
»Ich weiß ein dürres Feld!
Dort ward mir, weil ich müde bin,
Ein Ruheplatz bestellt.«
Wohin, du fliehender Vogel, wohin?
»Tief in des Waldes Reich!
Will suchen mir, weil ich müde bin,
Zur Rast einen sicheren Zweig.«
Und du, meine...
Julius Karl Reinhold Sturm
Ybbsuferweg
Wir können wieder diesen Weg begehen,
der uns durch schaurig wilde Felsen führt,
wo uns gar mancher hohe Baum berührt,
vom Fluß herauf die leichten Winde wehen;
und immer Neues werden wir da sehen:
da ist die Höhle, die ich mir erkürt
zur liebsten, hier die Wand, von der man spürt,
daß Häuser oben sitzen wie Museen.
Wie herrlich kann den Schatten man genießen,
und schaun, wie Silberpunkte abwärts fließen
der alten Stadt entgegen wunderbar.
In unsre Seelen zieht ein selt’ner...
Ingrid Streicher
Der Sommer geht
Ende August – und sie ist da,
die erste Herbstzeitlose,
die am Waldrand blüht;
die grünen Blätter werden langsam
rot und gelb und braun.
Kaum noch ein Schmetterling,
der sanft von einer
zu der andern Blume zieht,
kaum noch ein fröhlich Amsellied.
Die Welt wird wieder merkbar leiser,
wenn jetzt der Sommer geht,
ganz sachte geht.
Wenn Nebel kreisen
und wie ein Streicheln dieser Wind
über die Felder und das Haar uns weht.
Wenn nach und nach
der Sommer geht …
Ingrid Streicher
Ein Augenblick tiefen Ahnens
Ich sitze im Garten des Sommers.
hab Blumen um mich und Grün,
der Wind liebkost meine Wangen,
ich sehe die Wolken ziehn.
Kein Lärm durchdringt diesen Frieden
des ruhigen Plätzchens hier,
von drüben nur leise Töne –
das Nachbarkind übt Klavier.
Da rieseln die Blätter der Birke
auf einmal zu mir herab,
und goldene Flammenherzen
bedecken ihr moosiges Grab.
Ein Augenblick tiefen Ahnens
erfüllt meine schmerzende Brust:
der Herbst kommt schon früher als morgen.
Ich hab...
Ingrid Streicher