Wille Zitate (Seite 51)
Philosophische Poesie
In allen Dingen walten drei Potenzen,
Unendlich, endlich, ewig sind die Namen,
Woraus das All besteht auf Ja und Amen,
Als Indifferenz der Differenzen.
Vor G- macht die gehör'gen Reverenzen,
Denn Er, das große A, ist ja der Samen,
Daraus so schöne Redensarten kamen,
Contractions-Expansions-Tendenzen.
Doch nicht nur oben in der Sphären Läufen
Will die Identität sich offenbaren,
Dem Organismus auch kömmt was zu Gute.
Und daß wir Licht und Schwerkraft ganz...
Karl Friedrich Gottlob Wetzel
Das Mädchen spricht
Es spürt mich Einer in allem Rosenduft,
Ahne ich manchmal. Und er sucht mich auch
In Fliederblüten und den blauen Glocken.
Aber ich weiß mich selber nicht.
Ich will ihm gerne beide Hände reichen;
Nur meine Glieder sind so unbeschwert,
Daß ich mir immer wie ein Wind entgleite.
Ich glaube, daß ich noch nicht geboren bin.
Maria Luise Weissmann
Eroberung
Ach, sie strampelt mit den Füßen,
Ach, sie läßt es nicht geschehn,
Ach, noch kann ich ihren süßen
Körper nur zur Hälfte sehn;
Um die Hüfte weht der Schleier,
Um den Schleier irrt mein Blick,
Immer wilder loht mein Feuer,
Ach, sie drängt mich scheu zurück!
Mädchen, ich will nichts erzwingen;
Mädchen, gibt mir einen Kuß;
Sieh, dich tragen eigne Schwingen
Durch Begierde zum Genuß.
Ach, da schmiegt sie sich und lächelt:
Deine Küsse sind ein Graus;
Und mit beiden Händen fächelt,
Sie der...
Frank Wedekind
Eine schwarze Katze kauert vor meiner Tür,
Eine kleine, schwarze, kurzgeschorene Katze;
Ich komme nach Hause, und mit einem Satze,
Wie ich aufschließe, springt sie herein zu mir.
Was will die kleine, schwarze Katze bei mir?
Wär es ein Hündchen, ich wüßte es zu verstehen;
Ein Frauenhündchen, ich weiß damit umzugehen.
Die Katze ist mir ein völlig fremdes Tier
Sie ist die Seele von meinem Spiritus
Familiaris. Er hat sich umgebrungen.
Die schwarze Katze kommt zu mir hereingesprungen,
Weil sie...
Frank Wedekind
Ilse
Ich war ein Kind von fünfzehn Jahren,
Ein reines unschuldsvolles Kind,
Als ich zum erstenmal erfahren,
Wie süß der Liebe Freuden sind.
Er nahm mich um den Leib und lachte
Und flüsterte: O welch ein Glück!
Und dabei bog er sachte, sachte
Den Kopf mir auf das Pfühl zurück.
Seit jenem Tag lieb' ich sie alle,
Des Lebens schönster Lenz ist mein;
Und wenn ich keinem mehr gefalle,
Dann will ich gern begraben sein.
Frank Wedekind
Ich hab dich lieb, kannst du es denn ermessen,
Verstehn das Wort, so traut und süß?
Es schließet in sich eine Welt von Wonne,
Es birgt in sich ein ganzes Paradies.
Ich hab dich lieb, so tönt es mir entgegen,
Wenn morgens ich zu neuem Sein erwacht;
Und wenn am Abend tausend Sterne funkeln,
Ich hab dich lieb, so klingt die Nacht.
Du bist mir fern, ich will darob nicht klagen,
Dich hegen in des Herzens heil'gem Schrein.
Kling fort, mein Lied! Jauchz auf, beglückte Seele!
Ich hab dich lieb, und...
Frank Wedekind
In einer Herbstnacht einsam sitzend
Einsam sitzend, bekümmert ob der grauen Schläfen,
Im leeren Zimmer ersehn ich die zweite Nachtwache.
Wilde Beeren fallen im Rauschen des Regens,
Unter der Lampe zirpt eine Heuschrecke.
Des Schopfs Ergrauen ist schließlich unumkehrbar,
Das Lebenselixier hat niemand je zustandegebracht,
Wer wissen will, was Krankheit und Alter überwindet,
Der muß sich allein dem Ungeborenen widmen.
Wang Wei
Credo der Dummheit:
Tugendsam will ich das Denken verpönen,
mit Esoterik und Göttern mein Ego versöhnen,
Mängel und Not durch Bescheidenheit krönen,
dem Jenseits vertrauend alles Leiden verschönen,
den Unglauben eifernd und fromm verhöhnen,
Aufklärung mit Glocken zudröhnen.
Und sollte der liebste Mensch sich nicht fügen,
bringe ich ihn zu Fall mit dummen Lügen!
Meine wahre Welt sind Karriere,
Uniformen, Talare und Hüte,
endlos krumme Räume in denen –
der Himmel sei Zeuge – ich weiter wüte.
Raymond Walden
Die Spinnerin
Ich armes Mädchen!
Mein Spinnerädchen
Will gar nicht gehn,
Seitdem der Fremde
In weißem Hemde
Uns half beim Weizenmähn!
Denn bald so sinnig,
Bald schlotternd spinn ich
In wildem Trab,
Bald schnurrt das Rädchen,
Bald läuft das Fädchen
Vom vollen Rocken ab.
Noch denk ich immer
Der Sense Schimmer,
Den blanken Hut,
Und wie wir beide
An gelber Weide
So sanft im Klee geruht.
Johann Heinrich Voß
Fast ein Nebel
Es ist die langsame Erinnerung
Nicht die, die manchmal überfällt
Die schwebend ist, fast unsichtbar
wie Wolken sich verdichtet
an Tagen, die nur manchmal sind.
Die ist es, die Dir Fragen stellt.
Nach Kindheit so,
daß Du den Sand noch in den Haaren spürst
und jedes aufgeschlag’ne Knie
die Tränen und den Trost.
Nach Jugend so,
daß Du noch weißt
wie’s war beim ersten Mal
nach jener neuen, frischen Zeit
in der der Lauf der Welt
allein in Deinen Händen lag.
Einstweilen...
Götz vor dem Gentschenfelde
Wer aber lebt, muß es klar sich sagen:
Durch dies Leben sich durchzuschlagen,
Das will ein Stück Rohheit.
Wohl dir, wenn du das hast erfahren
Und kannst dir dennoch retten und wahren
Der Seele Hoheit.
In Seelen, die das Leben aushalten
Und Mitleid üben und menschlich walten,
Mit vereinten Waffen
Wirken und schaffen
Trotz Hohn und Spott,
Das ist Gott.
Friedrich Theodor von Vischer
Lerne hoffen, ohne zu hoffen!
Leider ein allzu schweres Stück;
Wer's könnte, der hätte das Ziel getroffen:
Glücklich zu sein auch ohne Glück.
Dennoch ist's wahr und guter Rat,
Wird er auch niemals ganz zur Tat.
Leben ist Schuld,
Da will's Geduld;
Im Genuß entsagen,
Leidend nicht klagen,
Verzichtend wagen,
Dem Schein nicht trauen,
Doch freudig schauen,
Schaffen und bauen!
Versuch es, und kann es nicht ganz gelingen:
Soviel du vermagst, es doch zu zwingen,
Soviel ragst du aus Zeit und...
Friedrich Theodor von Vischer