Tages Zitate (Seite 9)
O Mensch, schau hin und klage
Fortan im Unglück nicht!
Du siehst: was wären Tage
Voll lauter Sonnenlicht?
Damit zu reichem Segen
Der Frühlingskeim erwacht,
Gibt ihm der Himmel Regen,
Gibt ihm der Himmel Nacht.
Und daß zu voller Schöne
Erblüh' des Menschen Herz,
Schickt uns ein Gott die Träne,
Schickt uns ein Gott den Schmerz.
Ernst Scherenberg
Aus deinem Auge wisch die Trän
Sei stolz und laß die Klage;
Wie dir wird's manchem noch ergehn
Bis an das End' der Tage.
Noch manch ein Rätsel ungelöst
Ragt in die Welt von heute,
Doch ist dein sterblich Teil verwest,
So kommen andre Leute.
Die Falten um die Stirne dein
Laß sie nur heiter ranken;
Das sind die Narben, die darein
Geschlagen die Gedanken.
Und wird dir auch kein Lorbeerreis
Als Schmuck darum geflochten:
Auch der sei stolz, der sonder Preis
Des Denkens Kampf gefochten.
Joseph Victor von Scheffel
Einsam wandle deine Bahnen,
Stilles Herz, und unverzagt!
Viel erkennen, vieles ahnen
Wirst du, was dir keiner sagt.
Wo in stürmischem Gedränge
Kleines Volk um Kleines schreit,
Da erlauschest du Gesänge,
Siehst die Welt du groß und weit.
Andern laß den Staub der Straße,
Deinen Geist halt frisch und blank,
Spiegel sei er wie die Meerflut,
Drin die Sonne niedersank.
Einsam aus des Tages Lärmen
Adler in die Höhen schweift,
Storch und Kranich fliegt in Schwärmen,
Doch ihr Flug die Erde...
Joseph Victor von Scheffel
Nacht, wie bist du lang und bange,
Wenn sich auf den müden Mann nicht
Mit dem Schatten auch der Schlummer
Und der Traum herniedersenkt.
Rastlos graben die Gedanken
In dem Schutte des vergangnen,
Alten Lebens Trümmer wühlen
Sie hervor, doch nirgends fröhlich
Haftet drauf der Blick, er schaut nur
Dunkle, trübgespenst'ge Bilder,
Ihnen fehlt des Tages Sonnlicht.
Unerquickt dann in die Ferne
Schweift der Geist dess', dem der Schlaf fehlt,
Schmiedet Pläne, faßt Entschlüsse,
Baut sich...
Joseph Victor von Scheffel
Auf gutem Weg
Diese Unrast, die ich hatte,
während suchend ich zugange war,
will nun endlich weichen.
War vorher alles wie in Watte,
ist nun alles hell und klar,
sehe ich die Zeichen.
Doch noch sind wir nicht am Ziel.
Noch ist noch ein gutes Stück
an diesem Werk zu schmieden.
Und braucht es auch noch Tage viel,
erfreu ich mich an unsrem Glück
und findet meine Seele Frieden.
Paul Schalamon
Im Zeichen des Kampfes geboren,
such' ich den Frieden nicht;
ich fühl' mich matt, verloren,
wo man vom Glück nur spricht.
Ich liebe die strengen Stirnen
wo schwer der Gedanke wohnt,
gleich den ragenden Silberfirnen,
nah' denen die Sonne thront.
Ich liebe gewappnete Hände,
ein streitbares, herbes Wort,
das suchend geht, ob's nicht fände
der Echtheit und Wahrheit Hort.
Ich kann nicht anders und sage:
So bin ich, Gott helfe mir,
so bleib' ich bis meine Tage
erschöpft sind auf Erden hier.
Edith Gräfin Salburg
Die Zeit
Noch kommt mit der Unsterblichkeit gepaart
die Zukunft ewig strömend zu dir her
und schafft auf ihrem unbewegten Meer
in dir den Wellenschaum der Gegenwart;
sie prallt in unergründlich schneller Fahrt
aufgischtend an deiner Seele Wehr
und bricht durch dich in einem Sturze, der
schon als Vergangenheit sich offenbart.
Bis eines Tages sich der Schaum zerstreut
und deiner Seele Balkenwerk zerfällt –
und Strom ist nicht mehr Strom, still steht die Zeit :
fort strömt die Zeit und trägt die...
Gustav Sack
Klarheit
Oft ist es mir, als säh' ich niedergleiten
Die Schleier still und leise von den Dingen,
Mein Auge kann das weite All durchdringen
Und blickt zurück zum Urquell aller Zeiten.
Ich sehe, wie die Fäden sich bereiten,
Wie sie sich knüpfen, kreuzen und verschlingen –
Und so die Tage immer näher bringen,
Die zu den unsren ernst herüberleiten.
Dann fühl' ich mit dem Fernsten mich verwoben
Und in mir leben jedes Einzelleben,
Das hier geatmet und geblickt nach oben.
Mein eignes Ich, mit...
Ferdinand von Saar
trash
jungfräuliches weiß
zugeschmiert
zwergenhafte särge
verschmiertes maskara
billige gebrauchsspuren
blowjobs
welkes fleisch
zellulierende klaustrophobien
ekphorische spitzen
tage, die keine sind
der gedankenstrich
auf dem sich fast alle
prostituieren
die freier zahlen kaum noch was
nehmen die gedanken
in kommission
gedanken auf ziel
konsignation
die detachements
werden härter
Peter Rudl
Brautnacht
Mit süßem Druck löst sich der Kuß zuletzt.
Wie nach dem Sturm die letzten Tropfen fallen
Vom Sims – bald dicht – bald einzeln nur verhallen –
Klopft noch im Wechselschlag ihr Herz. Und jetzt
Löst Brust sich leicht von Brust – ein Stengel trägt
Oft so zwei Blüten bräutlich nah beisammen –
Und ihre Lippen, die vom Kuß noch flammen,
Sind von der Liebe Lächeln sanft bewegt.
Noch tiefer als in Traumesflut versinken
Läßt sie der Schlaf; die Träume fliehen leise,
Dann steigen langsam wie...
Dante Gabriel Rossetti
Leeres Reden, Kommen, Gehen,
Schales Lächeln, Lachen auch,
Alles mußtest du verstehen,
Heuchelnd nach des Tages Brauch!
Unergründet muß es bleiben,
Glatt und trügrisch wie die Welt,
Wenn dein Wesen ihrem Treiben
Widerwillig ward gesellt.
Dein erst, wenn der Tag zerstoben,
Ist, was dir die Seel' umfaßt,
Dein des Glücks, der Schmerzen Toben,
Dein geliebter Sorgen Last.
Otto Roquette
Noch ist die blühende, goldene Zeit,
du schöne Welt, wie bist du so weit!
Und so weit ist mein Herz und so blau, wie der Tag,
Wie die Lüfte durchjubelt von Lerchenschlag.
Ihr Fröhlichen singt, weil das Leben noch mai't:
Noch ist die blühende, goldene Zeit,
Noch sind die Tage der Rosen!
Otto Roquette
Stille Tage, die ihr leise
Von des Schaffens Ernst beschwingt,
Mir in störungslosem Gleise
Kaum bemerkt vorüber gingt:
Thätig war't ihr überlegen
Unruhvoller Gegenwart,
Und so fühl' ich euren Segen
Mir im Tiefsten offenbart.
Ja, den Segen zu vollenden,
Wißt ihr für des Liedes Ton
Noch die Stimmung mir zu spenden,
Als der Arbeit schönsten Lohn.
Otto Roquette