Tage Zitate (Seite 17)
Frühling
Tage der Wonne,
Kommt ihr so bald?
Schenkt mir die Sonne
Hügel und Wald?
Reichlicher fließen
Bächlein zumal.
Sind es die Wiesen?
Ist es das Tal?
Blauliche Frische!
Himmel und Höh!
Goldene Fische
Wimmeln im See.
Buntes Gefieder
Rauschet im Hain;
Himmlische Lieder
Schallen darein.
Unter des Grünen
Blühender Kraft
Naschen die Bienen
Summend am Saft.
Leise Bewegung
Bebt in der Luft,
Reizende Regung,
Schläfernder Duft.
Mächtiger rühret
Bald sich ein Hauch,
Doch er verlieret
Gleich sich im...
Johann Wolfgang von Goethe
"Die Feinde, die bedrohen dich,
Das mehrt von Tag zu Tage sich,
Wie dir doch gar nicht graut!"
"Das seh' ich alles unbewegt,
Sie zerren an der Schlangenhaut,
Die jüngst ich abgelegt.
Und ist die nächste reif genung,
Abstreif' ich sie sogleich,
Und wandle neu belebt und jung
Im frischen Götterreich."
Johann Wolfgang von Goethe
Jahr aus, Jahr ein
Ohne Schrittschuh und Schellengeläut'
Ist der Januar ein böses Heut.
Ohne Fastnachtstanz und Mummenspiel
Ist am Februar auch nicht viel.
Willst du den März nicht ganz verlieren,
So laß nicht in April dich führen.
Den ersten April mußt überstehn,
Dann kann dir manches Guts geschehn.
Und weiterhin im Mai, wenn's glückt,
Hat dich wieder ein Mädchen berückt.
Und das beschäftigt dich so sehr,
Zählst Tage, Wochen und Monde nicht mehr.
Johann Wolfgang von Goethe
Den Freunden
Des Menschen Tage sind verflochten,
die schönsten Güter angefochten,
es trübt sich auch der frei'ste Blick;
du wandelst einsam und verdrossen,
der Tag verschwindet ungenossen
in abgesonderten Geschick.
Wenn Freundesantlitz dir begegnet,
so bist du gleich befreit, gesegnet,
gemeinsam freust du dich der Tat.
Ein Zweiter kommt, sich anzuschließen,
mitwirken will er, mitgenießen;
verdreifacht so sich Kraft und Rat.
Von äußerm Drang unangefochten,
bleibt, Freunde, so in...
Johann Wolfgang von Goethe
Laßt fahren hin das allzu Flüchtige!
Laßt fahren hin das allzu Flüchtige!
Ihr sucht bei ihm vergebens Rat;
In dem Vergangnen lebt das Tüchtige,
Verewigt sich in schöner Tat.
Und so gewinnt sich das Lebendige
Durch Folg' aus Folge neue Kraft;
Denn die Gesinnung, die beständige,
Sie macht allein den Menschen dauerhaft.
So löst sich jene große Frage
Nach unserm zweiten Vaterland;
Denn das Beständige der ird'schen Tage
Verbürgt uns ewigen Bestand.
Johann Wolfgang von Goethe
Daß oft die allerbesten Gaben
Die wenigsten Bewund'rer haben,
Und daß der größte Teil der Welt
Das Schlechte für das Gute hält;
Dies Übel sieht man alle Tage.
Jedoch, wie wehrt man dieser Pest?
Ich zweifle, daß sich diese Plage
Aus unsrer Welt verdrängen läßt.
Ein einzig Mittel ist auf Erden,
Allein es ist unendlich schwer:
Die Narren müssen weise werden;
Und seht! sie werden's nimmermehr.
Nie kennen sie den Wert der Dinge.
Ihr Auge schließt, nicht ihr Verstand:
Sie loben ewig das...
Christian Fürchtegott Gellert
Sei du mit mir!
Herr, den ich tief im Herzen trage,
Sei du mit mir!
Du Gnadenhort in Glück und Klage,
Sei du mit mir!
Behüte mich am Born der Freude
Vor Übermut!
Und wenn ich an mir selbst verzage,
Sei du mit mir!
Dein Segen ist wie Tau den Reben,
Schwach bin ich sonst;
Doch daß ich kühn das Höchste wage,
Sei du mit mir!
O du mein Trost, du meine Stärke,
Mein Sonnenlicht!
Bis an das Ende meiner Tage
Verlaß mich nicht!
Emanuel Geibel
Herbstlich sonnige Tage,
Mir beschieden zur Lust,
Euch mit leiserem Schlage
Grüßt die atmende Brust.
O wie waltet die Stunde
Nun in seliger Ruh!
Jede schmerzende Wunde
Schließet leise sich zu.
Nur zu rasten, zu lieben,
Still an sich selber zu baun,
Fühlt sich die Seele getrieben
Und mit Liebe zu schaun.
Jedem leisen Verfärben
Lausch ich mit stillem Bemühn,
Jedem Wachsen und Sterben,
Jedem Welken und Blühn.
Was da webet im Ringe,
Was da blüht auf der Flur,
Sinnbild ewiger Dinge
Ists dem...
Emanuel Geibel
Reue
Die Nacht war schwarz, die Luft war schwül,
Ich fand nicht Schlaf auf meinem Pfühl,
Mein Sinn ward trüb und trüber;
Da schritten die Tage der alten Zeit
Zu langem, langem Zug gereiht
Wehklagend mir vorüber:
»Du hattest den Lenz und du hast ihn entlaubt,
Du hattest das Heil und du hast nicht geglaubt,
Du hattest ein Herz zum Lieben,
Du hast es vertändelt mit eitlem Schein;
Nun bist du zuletzt allein, allein
Mit deinem Jammer geblieben.
Und wie du ringst in bangem Gebet,
Es ist...
Emanuel Geibel
Im Herbste
Auf des Gartens Mauerzinne
bebt noch eine einz'ge Ranke:
Also bebt in meinem Sinne
schmerzlich nur noch ein Gedanke.
Kaum vermag ich ihn zu fassen,
aber dennoch von mir lassen
will er, ach, zu keiner Frist;
und so denk ich ihn und trage
alle Nächte, alle Tage
mit mir fort die dumpfe Klage,
daß du mir verloren bist.
Emanuel Geibel
Eros, der Schenk
Ich wähle mir den Liebesgott zum Schenken,
Er füllt den Becher mir aus Zauberkrügen
Und weiß das Herz in seliges Genügen,
Den Sinn in süßen Taumel zu versenken.
Auch lehrt er mich, zu holdem Angedenken
Den Wein zu schlürfen in bedächt'gen Zügen,
Zu zartem Gruße Reim in Reim zu fügen
Und sanft der Musen weißes Ross zu lenken.
Und wenn des Abends Schatten sich verbreiten
Und müd' ich ruhe von des Tages Genusse,
Erregt er sacht der Zither goldne Saiten.
Da muß im Schlaf gleich...
Emanuel Geibel
Krokodilromanze
Ich bin ein altes Krokodil
Und sah schon die Osirisfeier;
Bei Tage sonn ich mich im Nil,
Bei Nacht am Strande leg ich Eier.
Ich weiß mit listgem Wehgekreisch
Mir stets die Mahlzeit zu erwürken;
Gewöhnlich freß ich Mohrenfleisch
Und sonntags manchmal einen Türken.
Und wenn im gelben Mondlicht rings
Der Strand liegt und die Felsenbrüche,
Tanz ich vor einer alten Sphinx,
Und lausch auf ihrer Weisheit Sprüche.
Die Klauen in den Sand gepflanzt,
Tiefsinnig spricht sie:...
Emanuel Geibel