Stark Zitate (Seite 6)
Reinigung
Lösche alle deine Tag' und Nächte aus!
Räume alle fremden Bilder fort aus deinem Haus!
Laß Regendunkel über deine Schollen niedergehn!
Lausche: dein Blut will klingend in dir auferstehn! –
Fühlst du:
schon schwemmt die starke Flut dich neu und rein,
Schon bist du selig in dir selbst allein
Und wie mit Auferstehungslicht umhangen –
Hörst du: schon ist die Erde um dich leer und weit
Und deine Seele atemlose Trunkenheit,
Die Morgenstimme deines Gottes zu umfangen.
Ernst Maria Richard Stadler
Immer wenn Du fühlst,
daß Dein Leben abwärts geht,
dann laß es geschehen,
abwärts gehen ist bequem.
Sammle frische Kräfte
für den nächsten Anstieg!
Immer wenn Du fühlst,
daß Du auf Irrwegen gehst,
dann laß es geschehen,
denn Irrwege haben ihren Reiz.
Sammle frische Kräfte
für den richtigen Weg!
Immer wenn Du fühlst,
daß Dein Leben haltlos ist,
dann laß es geschehen,
denn loslassen will gelernt sein.
Sammle frische Kräfte,
um neue Ufer zu erstreben.
Immer wenn Du fühlst,
daß Du einsam...
Peter E. Schumacher
Welch hohes Wunder muß die Liebe sein!
Das Menschenherz ist doch so eng, so klein –
Und wenn es liebt, dann ist es groß und weit,
Dann hat es Raum für eine Ewigkeit. –
Dann ist es stark, nicht länger arm und schwach,
Denn in ihm tönt ein Gottgedanke nach,
Es loht darin ein Funken Himmelglut,
Ein Strahl von jenem Licht, das Wunder thut,
Ein Hauch der Schöpferkraft, die aus dem Nichts
Das Weltall rief zum Träger ihres Lichts –
– O, welch ein Wunder muß die Liebe sein! –
Für einen Himmel ist es...
Max von Schlägel
Laß die breitgetretnen Plätze,
Steig nach unten, klimm nach oben;
Reiche Nibelungen-Schätze
Liegen rings noch ungehoben.
Und du schaust vom Grat der Berge
Fernes Meer und Ufer dämmern,
Hörst tief unten der Gezwerge
Erzgewaltig dumpfes Hämmern.
Mannagleich wird dich erquicken
Süße, starke Geistesnahrung,
Hell vor den gestählten Blicken
Glänzt die alte Offenbarung:
Wie der gröbste und der feinste
Faden sich zu einem Netz schlingt,
Wie durchs Größte und das Kleinste
Stets das...
Joseph Victor von Scheffel
Ultima ratio
Tier mußt du werden, Tier mußt du werden,
Das über dem Heute das Morgen vergißt,
Dann kann dir der Hunger, die Sorgen auf Erden
Nicht an und du bleibst der Starke, der du bist.
Tier mußt du werden, Tier mußt du werden,
Das über dem Heute das Morgen vergißt,
Gar manche, die jahrlang hindarbend entbehrten,
Vergaßen im Alkohol, was ihrer nicht ist.
Tier mußt du werden, Tier mußt du bleiben,
Des Tieres Gehirn, gott, wie leicht es vergißt!
Was, willst du mit Schnaps und Absinth dich...
Ludwig Scharf
Gedächtnisschwund
Politiker sind sonderbar,
denn kaum im Amt, da wird es klar,
hat man, nach eigenem Ermessen,
zuvor Gesagtes schnell vergessen
und leidet stark, aus welchem Grund
auch immer, an Gedächtnisschwund.
Dies Phänomen ist weltbekannt,
doch kaum sind sie im Ruhestand,
da stellt man fest, dass ungeniert,
Gedächtnisschwund sich selbst kuriert,
sie schreiben dann, ganz ungezwungen,
politische Erinnerungen.
Edmund Ruhenstroth
Und damals tat's nicht halb so weh.
Was gingst du nicht in jener Nacht,
Da ich dir trotzig sagte; "Geh!"
Auch heute gilt dasselbe Wort
Und damals tat's nicht halb so weh.
Ach, damals wagt' ich noch den Kampf,
Da war ich mutig, jung und stark,
Doch wenn du heute von mir gehst,
Dann trifft der Streich mich bis ins Mark.
Anna Ritter
Abschiedsworte an Pellka
Jetzt schlägt deine schlimmste Stunde,
Du Ungleichrunde,
Du Ausgekochte, du Zeitgeschälte,
Du Vielgequälte,
Du Gipfel meines Entzückens.
Jetzt kommt der Moment des Zerdrückens
Mit der Gabel! – Sei stark!
Ich will auch Butter und Salz und Quark
Oder Kümmel, auch Leberwurst in dich stampfen.
Mußt nicht so ängstlich dampfen.
Ich möchte dich doch noch einmal erfreu'n.
Soll ich Schnittlauch über dich streun?
Oder ist dir nach Hering zumut?
Du bist so ein...
Joachim Ringelnatz
Wie wir auch alles in der Nacht benannten, –
nicht unser Name macht die Dinge groß:
es kommen Pfeile, stark und atemlos,
aus Bogen, welche sich zu Spielen spannten.
Und so Pilger, welche unvermutet,
da eines letzten Vorhangs Falten fielen,
den Altar schaun, darauf der Becher blutet,
und nicht mehr rückwärts können aus dem Heile:
so in die Kreise stürzen sich die Pfeile
und stehen zitternd mitten in den Zielen.
Rainer Maria Rilke
Ein Schmetterling
Ein prächtig großer Schmetterling
mit bunt gefärbten Schwingen
und Fühlern grau, so grau wie Zink,
die auf und abwärts gingen.
Der Körper stark, graubraun bemalt,
als ob er zeigen müsste,
ich bin noch fit, jedoch schon alt,
hab trotzdem noch Gelüste.
Mit diesem Kurzszenario
erklärte mir der Falter
gekonnt, graziös und farbenfroh:
Du bist wie ich, ein – "Alter".
Horst Rehmann
Schleichender Herbst
Langsam schleicht der Herbst ins Land,
schickt Stürme und viel Regen,
Sommerzeit hat er verbannt,
um sein Farbkleid auszulegen.
Gerne mag er Braun und Gelb,
ebenso das fahle Grau,
mit dem Zauberwörtchen "welk"
beendet er die Gartenschau.
Bäume macht er nackt und kahl,
schickt Vögel auf die Reise,
Nebelbänke bis ins Tal
verteilt er still und leise.
Jedes Jahr treibt er dies Spiel,
lässt sich durch nichts vertreiben,
hat vor Augen nur ein Ziel,
bis zum Winter stark zu bleiben.
Horst Rehmann