Sich Selbst Zitate (Seite 55)
Doch du bist fern
Doch du bist fern, und meine Jugend muß
Von dir vereinzelt in sich selbst verlodern;
Ich kann dir nicht, wie meine Brust begehrt,
Das Höchste geben und das Höchste fordern.
Kaum darf ich hoffen, daß die späte Zeit
Noch unsre welken Hände mög vereinen,
Damit wir das verlorne Jugendglück
Vereinigt, doch vergebens dann beweinen.
Theodor Storm
Im bunten Zug zum Walde ging's hinaus.
Du bei den Kindern bliebst allein zu Haus.
Und draußen haben wir getanzt, gelacht,
und kaum, so war mir, hatt' ich dein geacht.
Nun kommt der Abend, und die Zeit beginnt,
wo sich selbst die Seele besinnt;
nun weiß ich auch, was mich so froh ließ sein,
du warst es doch und du nur ganz allein.
Theodor Storm
Wohin, o Herr,
ich je meine Blicke lenke,
stets fand ich ein "wenn nicht"
und ein "wäre das nicht";
war da eine schöne Gestalt,
so fehlte die Gnade,
war sie fein und lieblich,
so mangelte der vornehme Umgang,
und hatte sie auch das,
so entdeckte ich stets etwas,
sei es außen oder innen,
dem der Zug meines Herzens widerstrebte.
Insgeheim oder beim Bekanntwerden fand ich,
daß solch ein Wesen
mit sich selbst nicht zufrieden war.
Heinrich Seuse
Es führt dich meilenweit von dannen
Und bleibt doch stets an seinem Ort,
Es hat nicht Flügel auszuspannen
Und trägt dich durch die Lüfte fort.
Es ist die allerschnellste Fähre,
Die jemals einen Wandrer trug,
Und durch das größte aller Meere
Trägt es dich mit Gedankenflug,
Ihm ist ein Augenblick genug!
Dies leichte Schiff, das mit Gedankenschnelle
Mich durch die Lüfte ruhig trägt,
Sich selbst nicht von dem Ort bewegt,
Das Sehrohr ists, das in die Ferne
Den Blick beflügelt bis ins Land der Sterne.
Johann Christoph Friedrich von Schiller
Gedächtnisschwund
Politiker sind sonderbar,
denn kaum im Amt, da wird es klar,
hat man, nach eigenem Ermessen,
zuvor Gesagtes schnell vergessen
und leidet stark, aus welchem Grund
auch immer, an Gedächtnisschwund.
Dies Phänomen ist weltbekannt,
doch kaum sind sie im Ruhestand,
da stellt man fest, dass ungeniert,
Gedächtnisschwund sich selbst kuriert,
sie schreiben dann, ganz ungezwungen,
politische Erinnerungen.
Edmund Ruhenstroth
Kämpfe
Arme Seele, die sich selbst verzehrt!
Sehnsucht, die ins Leben möchte greifen
Und dem blühenden doch angstvoll wehrt –
Arme Hand, die an dem goldnen Reifen
Heimlich dreht, weil sie das Glück begehrt,
Und doch nicht vermag, ihn abzustreifen –
Augen, die dem Lichte abgekehrt,
Ruhelos durch Nacht und Dunkel schweifen –
Jene Weisheit, die »Entsagung« lehrt,
Werdet ihr die bittre je begreifen?
Anna Ritter
Die Schnupftabaksdose
Es war eine Schnupftabaksdose,
Die hatte Friedrich der Große
Sich selbst geschnitzelt aus Nußbaumholz.
Und darauf war er natürlich stolz.
Da kam ein Holzwurm gekrochen.
Der hatte Nußbaum gerochen.
Die Dose erzählt ihm lang und breit
Von Friedrich dem Großen und seiner Zeit.
Sie nannte den alten Fritz generös.
Da aber wurde der Holzwurm nervös
Und sagte, indem er zu bohren begann:
»Was geht mit Friedrich der Große an!«
Joachim Ringelnatz
Falle nicht, Gott, aus deinem Gleichgewicht.
Auch der liebt und der dein Angesicht
erkennt im Dunkel, wenn er wie ein Licht
in deinem Atem schwankt, – besitzt dich nicht.
Und wenn dich einer in der Nacht erfaßt,
so daß du kommen mußt in sein Gebet:
Du bist der Gast,
der wieder weiter geht.
Wer kann dich halten, Gott? Denn du bist dein,
von keines Eigentümers Hand gestört,
so wie der noch nicht ausgereifte Wein,
der immer süßer wird, sich selbst gehört.
Rainer Maria Rilke