Schreiben Zitate (Seite 7)
Herbsttag
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
Und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter...
Rainer Maria Rilke
Ein Stück Ewigkeit
Komm
laß uns Träume spinnen
aus grenzenloser Heiterkeit
mit weiten Herzen
offnen Sinnen
durcheilen Raum und Zeit
Laß
uns erden Fesseln lösen
fliegen mit dem Sternenwind
Verwunschene im Traum erlösen
spüren wie die Seele schwingt
Spazierengehen
auf dem Regenbogen
unsre Namen schreiben
in das Himmelsbuch
und winken aus den Götterlogen
den Liebenden der Welt zum Gruß
Komm
laß uns Träume spinnen
schnell
vor des Morgenglanzes Licht
bevor in unsren Sinnen
ein Stück Ewigkeit erlischt
Manfred Poisel
Die Gedanken sind frei –
auch für die Dichterei.
Gefühle sind berechtigt, sie darzulegen –
müssen ja nicht die eigenen sein,
man kann nicht schauen in ein Herz hinein.
Manche Menschen tröstet ein trauriger Vers –
in dem Erkennen - man empfindet den gleichen Schmerz.
Manche Menschen erfreuen sich an lustigen Zeilen –
und können eine zeitlang im Lachen verweilen.
Man schreibt alles nieder was einem einfällt.
Laßt jeden so in dieser Welt
schreiben, wie es ihm gefällt.
Karin Obendorfer
Laß mich nicht allein, denn es will Abend werden
Und der Tag hat sich geneigt ...
Sieh, wie über aller Erden
Dunkels Ahnung schon voll Schwermut schweigt.
Alle trachten nun nach ihren Herden,
Deren Glut wie Atem sinkt und steigt – –
O du Brust, die sich zu mir geneigt,
Bleibe mein; denn ich will Abend werden!
Bleib, und laß an dir mich inne bleiben
Lebensfeuers, wie es sinkt und steigt,
Unbeirrt, so tief auch Weltnacht schweigt.
Sei mein Herd, der mir noch Heimat zeigt,
Wann mein Menschen-Tag...
Christian Morgenstern
Liebe Weihnachtsgrüße.
Jedes Jahr die gleiche Leier:
Der liebe Gruß zur Weihnachtsfeier.
Man wünscht den Freunden nur das Beste:
"Gesundheit, Glück zum Hohen Feste."
Das ganze Jahr wär' Zeit gewesen.
Man hätt' so gern 'nen Gruß gelesen.
Doch wie's so ist im Zeitenlauf:
Man schiebt das Schreiben immer auf!
Zum Festtag rührt sich das Gewissen:
Dein Freund wird Deinen Gruß vermissen.
Drum schick' zum Fest man eine Karte,
damit er nicht vergebens warte!
Eins-fuffzig-Marke mit 'nem Druck
als Porto...
Willy Meurer
Ich kann als Wandrer durch die Welt nur treiben,
Ich fand ja keinen Freund, es ward schon Abend.
Nach meinem Sinn nur lesen oder schreiben –
Ich fand ja keinen Freund, es ward schon Abend.
Die Hände hab’ ich vors Gesicht geschlagen,
Die Tränen fließen stets bei meinen Klagen,
Die Fehler sehe ich, die in mir lagen,
Ich fand ja keinen Freund, es ward schon Abend.
Das Fundament der Welt ist wüst, o Not!
Das Korn ist aufgebraucht, es gibt kein Brot,
Weh diesem Leben, das hingeht zum Tod!
Ich fand...
Kul Himmet
Bemerkungen zu einem schlechten Buch
Nicht sollte man den Autor schelten,
der Zorn muß mehr dem Lektor gelten,
dem Setzer, Drucker, dem Vertrieb.
Ein armer Mensch ist, der es schrieb.
Auch dem Verlag man nicht erspare
den Vorwurf ob der schlechten Ware.
Kritik am Autor doch laßt bleiben,
er konnte wohl nicht besser schreiben.
Da steht das Buch nun in Regalen,
und keiner möchte dafür zahlen.
Als Buche</em> würde es hingegen
im Wald Bewunderung erregen.
Gerd W. Heyse
An Fritz St.
Ins Stammbuch
Die Schlechten siegen, untergehn die Wackern,
Statt Myrten lobt man nur die dürren Pappeln,
Worein die Abendwinde tüchtig rappeln,
Statt stiller Glut lobt man nur helles Flackern.
Vergebens wirst du den Parnaß beackern
Und Bild auf Bild und Blum auf Blume stapeln,
Vergebens wirst du dich zu Tode zappeln, –
Verstehst du's nicht, noch vor dem Ei zu gackern.
Auch mußt du wie ein Kampfstier dich behörnen,
Und Schutz- und Trutz-Kritiken schreiben lernen,
Und kräftig oft...
Heinrich Heine
Lesen, Hören, Reden
So einer lesen lernt
Hat er sehr viel getan –
Daß er dann schreiben kann,
Führt schon zum Größenwahn.
Auch Pauken und Musik,
Und was ein Künstler schweigt,
Ist in ein zartes Ohr
Mit stiller Kraft gegeigt.
Im Reime sei der Sinn,
Im Rhythmus die Gebärde –
Die Sprache redet selbst,
Auf daß ein Sinnspruch werde.
Otto Erich Hartleben
Die uns lieben
Die, die uns lieben,
stehen uns nicht im Weg.
sie stehen uns bei,
gehen mit uns
ein Stück des Weges
und liegen uns am Herzen.
Die, die uns lieben,
nehmen uns
wie wir sind.
Sie geben uns
zu denken und das Gefühl,
liebenswert
und liebenswürdig zu sein.
Die, die uns lieben,
schreiben uns nichts vor.
Sie lesen in unseren Augen,
hören uns zu
und sagen uns ihre Meinung.
Die, die uns lieben,
schenken uns nichts,
aber sie geben uns
sehr sehr viel.
Ernst Ferstl
Verfrüht
Papa, nicht wahr,
Im nächsten Jahr,
Wenn ich erst groß
Und lesen kann und schreiben kann,
Dann krieg ich einen hübschen Mann
Mit einer Ticktackuhr
An einer goldnen Schnur.
Der nimmt mich auf den Schoß
Und sagt zu mir: Mein Engel,
Und gibt mir Zuckerkrengel
Und Kuchen und Pasteten.
Nicht wahr, Papa?
Der Vater brummt: Na, na,
Was ist das für Gefabel.
Die Vögel, die dann flöten,
Die haben noch keinen Schnabel.
Wilhelm Busch
Woher, wohin?
Wo sich Ewigkeiten dehnen,
hören die Gedanken auf,
nur der Herzen frommes Sehnen
ahnt, was ohne Zeitenlauf.
Wo wir waren, wo wir bleiben,
sagt kein kluges Menschenwort;
doch die Grübelgeister schreiben;
Bist du weg, so bleibe fort.
Laß dich nicht aufs neu gelüsten.
was geschah, es wird geschehn.
Ewig an des Lebens Küsten
wirst du scheiternd untergehn.
Wilhelm Busch