Ohne Dich Zitate (Seite 9)
Durch Unzufriedenheit mit dir selbst adelst du dich; sei darum zuweilen unzufrieden, und gib dich der Verzweiflung hin, dann brechen die Felsschichten auf, die Erzgänge überdecken. Durchwandere sieben brennende Höllen, und komme auf der anderen Seite, ohne versengt zu sein, daraus hervor!
August "Johan" Strindberg
Das Versprechen, jemanden immer zu lieben, heißt also: Solange ich dich Liebe, werde ich dir die Handlungen der Liebe erweisen; liebe ich dich nicht mehr, so wirst du doch dieselben Handlungen, wenn auch aus anderen Motiven, immerfort von mir empfangen, so daß der Schein in den Köpfen der Mitmenschen bestehen bleibt, daß die Liebe unverändert und immer noch dieselbe sei. Man verspricht also die Andauer des Anscheins der Liebe, wenn man ohne Selbstverblendung jemandem immerwährende Liebe gelobt.
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Vierzeilen
1
Du weißt doch, was ein Kuß bekennt?
Sonst hör du auf zu küssen!
Ich dächt, er sei ein Sakrament,
Das alle Völker wissen.
2
Und weißt du, warum so trübe,
So schwer mir das Herz muß sein?
Du hast mich geküßt ohne Liebe,
Das wolle dir Gott verzeihn!
3
Die Lieb ist wie ein Wiegenlied;
Es lullt dich lieblich ein;
Doch schläfst du kaum, so schweigt das Lied,
Und du erwachst allein.
Theodor Storm
Entschlossenheit
Nie lügt das Herz, nie sehnt's vergebens,
Nicht ward es aus der Götter Schoß
Geschleudert in die Flut des Lebens,
Zu dulden eines Tantals Los.
Fürwahr, dem inneren Bestreben,
Zu dem kein Friede sich gesellt,
Ihm haben wir nicht Mut gegeben,
Sich zu befruchten mit der Welt.
Drum folge ohne viel Beraten
Dem edlen Wunsche, der dich zieht,
Die Götter wandeln mit den Taten
Und nur die Tat ist ihr Gebiet!
Johann Fercher von Steinwand
Gegenseitige Bewirthung
Erst brachte seinem Schiller Goethe
Das derb materiell Concrete:
Das sollt' ihm stärken Leib und Seele;
Doch würgt' es hart ihn in der Kehle,
Was Niemand leichtlich wohl vermeidet,
Wenn er die Krebs' in Viertel schneidet.
Dann brachte Schiller das Abstracte,
Auch das Verzwickte, das Vertrakte.
Da schnitt nun Goethe viel Grimassen:
Doch wußt' er sich ein Herz zu fassen.
Konnt' es dem Gaumen nicht behagen,
Verdaut' er's doch mit tapferm Magen.
So lebten sie, in solchem...
August Wilhelm von Schlegel
Privat-Telegramm
Unsere Kasse darf leer sein.
Doch dein Herz darf nicht schwer sein.
Jedes entschlüpfte harte Wort
Von mir, – streichle du sofort!
Und rate mir in gleichem Sinn!
Jedes Schmollschweigen tobt ohne Sinn
Hetzerisch durch die Brust.
Ärger ist stets Verlust,
Und Verzeihung ist immer Gewinn.
Unserer beider Herzen mögen schwer sein
Durch gemeinsames Mißgeschick.
Aber keine Stunde zwischen uns darf liebeleer sein.
Denn ich liebe dich durch Dünn und Dick.
Joachim Ringelnatz
Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei,
Was in dir wohnt
An Meinung, Geschmack und Humor.
So daß die eigene Freude zuvor
Dich reichlich belohnt.
Schenke groß oder klein
Aber immer gediegen.
Wenn die Bedachten die Gaben wiegen,
Sei dein Gewissen rein.
Schenke mit Geist, ohne List.
Sei eingedenk
Daß dein Geschenk
Du selber bist.
Joachim Ringelnatz
Psst
Träume deine Träume in Ruh
Wenn du niemandem mehr traust
Schließe die Türen zu,
Auch deine Fenster,
Damit du nichts mehr schaust.
Sei still in deiner Stille,
Wie wenn dich niemand sieht.
Auch was dann geschieht,
Ist nicht dein Wille.
Und im dunkelsten Schatten
Lies das Buch ohne Wort.
Was wir haben, was wir hatten,
Was wir…
Eines Morgens ist alles fort.
Joachim Ringelnatz
Geduld
Und ich möchte dich
so gut ich kann bitten,
Geduld zu haben gegen alles Ungelöste
in deinem Herzen,
und zu verstehen.
Die Fragen selbst lieb zu haben
wie verschlossene Stuben.
Und wie Bücher, die in einer fremden Sprache
geschrieben sind.
Forsche jetzt nicht nach Antworten,
die dir nicht gegeben werden können,
weil du sie nicht leben könntest.
Und es handelt sich darum
alles zu leben.
Vielleicht lebst du dann
allmählich – ohne es zu merken –
in deine Antworten hinein.
Rainer Maria Rilke
Welle
Welle, laß dich umarmen,
obwohl du mich zu Boden schlägst,
mir den Halt
meiner Füße versagst.
Aufwühlend und schäumend
kommst du daher,
wild und ungezähmt.
Folgend dem Sturm!
Wildes Aufbäumen tanzt
mit Schaum auf deinen Kämmen.
Ohne Wind bist du zahm und matt,
denn nach dem Sturm
schmeichelnd du meinen Fuß umspülst.
Glitzernd plätschern deine Wellen
im Abendwind,
die Nacht
erwartend.
Otto Reinhards