Nur Zitate (Seite 306)
.... und wenn du plötzlich
unnötigerweise gerade in dieser Minute
mit absoluter Klarheit erkennst
daß du die Last nicht tragen kannst?
Nein – nicht weil die Kraft nicht ausreicht
Du wirst nicht die Zeit haben
Du wirst ganz einfach nicht die Zeit haben
es zu Ende zu bringen.
Deine Sternstunden sind kein Perpetuum mobile
Sie werden zu Ende gehen
der Teufel wird sie holen
die Stunden deines Lebens –
aber nur vorübergehend
Es wird auch wieder andere geben ...
Norbert Esser
Wie viel Menschen waren schon hienieden,
Die nun alle sind dahingeschieden:
Baum und Gras, und Lehm und Wand und Stein,
Alles mochte einst in Menschen sein,
Anders angeordnet nur die Teile.
Wenn die Rose haucht zu dir: "Verweile",
Und der Felsen rollend ruft: "Entflieh!" –
In verlebten Zeiten waren sie
Liebste oder Feind – und was sind Zeiten?
Drehn wir uns ja doch in Ewigkeiten.
Paul Ernst
Natur und Liebe
Fordre nicht, daß ich mit Worten sage
Was mich quält und peinigt jeden Tag!
Müde bin ich, daß ich keine Worte
Auch von deinen Lippen hören mag.
Menschen haben mir so viel mit Weisheit
Und mit leerem Troste zugesetzt,
Daß vor ihrer wortbehenden Liebe
Wahrlich sich mein scheues Ohr entsetzt.
Laß du mich in deine weichen Hände
Stumm vergraben Stirn und Wangen nur;
Dann empfind' ich schauernd deine Liebe
Wie den leisen Odem der Natur.
Und zu dir zieht mich dieselbe Lockung
Ewigen...
Otto Ernst
"Denken heißt Identifizieren",
so lautet die These der einen Denker.
"Denken heißt Unterscheiden",
so lautet die These der anderen Denker.
"Denken heißt Analogisieren",
so lautet die These der dritten Denker.
"Denken heißt Projizieren",
so lautet die These der vierten Denker.
"Die Denker denken nur, daß sie denken",
so lautet die These der Stänker.
Ulrich Erckenbrecht
Zuversicht
Es ist das Wörtchen Zuversicht,
das uns am Leben hält,
denn ohne Hoffnung geht es nicht,
zu grau ist oft die Welt.
Die Zuversicht ist unser Pfand,
des Schicksals Rad zu dreh’n,
denn nirgends gibt’s ein Wunderland,
egal wohin wir geh’n.
Nur eigne Kraft und Zuversicht
läßt lebenswert gestalten,
sonst schafft man diese Bürde nicht
und alles bleibt beim Alten.
Die Zuversicht bringt stets Gewinn
in allen Lebenslagen,
sonst läuft umsonst die...
Klaus Ender
Das Gedicht
Das Dichten ist oft wundervoll,
wenn Herz und Geist ganz frei,
dann schafft man leicht sein ganzes Soll
und erntet Lob dabei.
Ist der Verdruß jedoch zu Gast,
dann streikt nicht nur der Geist,
es wird der schönste Sinn zur Last,
so, daß er Blödsinn heißt.
Drum wart ich ab, bis mir so ist,
daß Geist und Witz mich treiben,
hinzu kommt dann noch Lust und List,
– ich kann mich wieder leiden. –
Ruft dann mein Weib, ich liebe dich,
du bist mein kleiner Goethe,
dann schmilzt mein ganzes...
Klaus Ender
Trennung
Ich steh bei meinen vielen Büchern;
Ich geh spazieren durch den Wald –
Und weiß dabei von keinem klügern,
Von keinem schönern Aufenthalt.
Ich sitz in meiner trauten Schenke,
Bei lieben Freunden und beim Wein,
Und weil ich just nicht an dich denke,
So glaub ich überfroh zu sein.
Da übermannt mich oft ein Sehnen,
Der Zufall hat mirs angetan,
Und mir entstürzen schier die Tränen,
Und bittre Wehmut faßt mich an.
Dann kann mich, ach, nur das erfreuen,
Daß gleicher Schmerz zu dir auch...
Ludwig Eichrodt
Treue
Wenn schon alle Vögel schweigen
In des Sommers schwülem Drang,
Sieht man, Lerche, dich noch steigen
Himmelwärts mit frischem Klang.
Wenn die Bäume all' verzagen
Und die Farben rings verblühn,
Tannbaum, deine Kronen ragen
Aus der Öde ewig grün.
Darum halt nur fest die Treue,
Wird die Welt auch alt und bang,
Brich den Frühling an aufs neue,
Wunder tut ein rechter Klang!
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Das Alter
Hoch mit den Wolken geht der Vögel Reise,
Die Erde schläfert, kaum noch Astern prangen,
Verstummt die Lieder, die so fröhlich klangen,
Und trüber Winter deckt die weiten Kreise.
Die Wanduhr tickt, im Zimmer singet leise
Waldvöglein noch, so du im Herbst gefangen.
Ein Bilderbuch scheint alles, was vergangen,
Du blätterst drin, geschützt vor Sturm und Eise.
So mild ist oft das Alter mir erschienen:
Wart nur, bald taut es von den Dächern wieder
Und über Nacht hat sich die Luft...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Abschied
Abendlich schon rauscht der Walt
Aus den tiefen Gründen,
Droben wird der Herr nun bald
An die Sterne zünden,
Wie so stille in den Schlünden,
Abendlich nur rauscht der Wald.
Alles geht zu seiner Ruh,
Wald und Welt versausen,
Schauernd hört der Wandrer zu,
Sehnt sich recht nach Hause,
Hier in Waldes grüner Klause
Herz, geh endlich auch zur Ruh!
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Frühe
Im Osten graut's, der Nebel fällt,
Wer weiß, wie bald sich's rühret!
Doch schwer im Schlaf ruht noch die Welt,
Von allem nichts verspüret.
Nur eine frühe Lerche steigt,
Es hat ihr was geträumet
Vom Lichte, wenn noch alles schweigt,
Das kaum die Höhen säumet.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff