Nichte Zitate (Seite 272)
Es ist in leere Nüchternheit
Die ganze Welt versunken,
Und keine Zunge redet mehr
Vom heil'gen Geiste trunken.
Die groß geschaut und groß gebaut,
Die schlummern in den Särgen,
Auf ihren Gräbern kriechen wir
Als ein Geschlecht von Zwergen.
Ich aber sage euch: führwahr,
Es wird nicht anders werden,
Bis ihr den Blick nicht himmelwärts
Erhebt vom Staub der Erden,
Bis ihr dem Geist der Liebe nicht,
Dem großen Überwinder,
Demütig euer Herz erschließt
Und werdet wie die Kinder.
Emanuel Geibel
Mein Herz, glaubt's, ist nicht erkaltet,
Es glüht in ihm so heiß wie je,
Und was ihr drin für Winter haltet,
Ist Schein nur, ist gemalter Schnee.
Doch was in alter Lieb' ich fühle,
Verschließ' ich jetzt in tiefstem Sinn,
Und trag's nicht fürder ins Gewühle
Der ewig kalten Menschen hin.
Ich bin wie Wein, der ausgegoren:
Er schäumt nicht länger hin und her,
Doch was nach außen ging verloren,
Hat er an innrem Feuer mehr.
Theodor Fontane
O trübe diese Tage nicht
O trübe diese Tage nicht,
Sie sind der letzte Sonnenschein,
Wie lange, und es lischt das Licht
Und unser Winter bricht herein.
Dies ist die Zeit, wo jeder Tag
Viel Tage gilt in seinem Wert,
Weil man's nicht mehr erhoffen mag,
Dass so die Stunde wiederkehrt.
Die Flut des Lebens ist dahin,
Es ebbt in seinem Stolz und Reiz,
Und sieh, es schleicht in unsern Sinn
Ein banger, nie gekannter Geiz;
Ein süßer Geiz, der Stunden zählt
Und jede prüft auf ihren Glanz,
O sorge, daß...
Theodor Fontane
Ich habe Nächte dafür geopfert
Ich habe Nächte dafür geopfert,
ich habe Herzblut daran gegeben,
und feige Buben nun kommen und heben
die Hand auf gegen das fertige Werk.
– . –
Zerschlagt, zerschlagt es! wenn ihr könnt!
Ich glaub es nicht! jedoch … zerschlagt's!
Mir tut ihr nichts damit! Mich trefft ihr nicht:
Ich steh und seh euch zu und lach!
Und wenn ihr Riesen oder sonst was wärt…
was es mir gab und war, indem es wurde,
das zu zerstören, seid ihr doch zu schwach!
Cäsar Otto Hugo Flaischlen
Laß sterben, was sterben will, und schleppe
dich mit ihm nicht müde! Du zwingst es doch
nicht mehr zum Leben und zu der frohen Freude
eines Sommers! Es hat die Kraft nicht mehr,
dein Mitleid, deine Liebe dir zu danken, und zerrt
dich selber nur in seinen Herbst!
Laß sterben drum, was sterben will ...
und ohne Klage!
Cäsar Otto Hugo Flaischlen
Frühling
Das kannst du nicht…
Das kannst du nicht zwingen:
daß die Knospen springen,
eh' die Sonne ihnen ihren Mai gebracht!
Aber da, was hinter dir liegt,
dich nicht schreckt mehr und unterkriegt:
was Winter in dir abzustreifen
in aller Stille … und Knospen zu reifen
und dich zum Frühling durchzuringen…
Das kannst du zwingen!
Cäsar Otto Hugo Flaischlen
Vorgaben
Ich gebe mich
nicht mehr
damit zufrieden,
etwas zu sein.
Ich nehme mir vor,
jemand zu sein,
Mensch zu werden.
Ich gebe mich nicht mehr
damit zufrieden,
etwas zu erleben.
Ich nehme mir vor,
mein Leben
zum Leben zu erwecken.
Ich gebe mich nicht mehr
damit zufrieden,
lieb zu sein.
Ich nehme mir vor,
das Leben zu lieben
und die Liebe zu leben.
Ernst Ferstl
Brückenbau
Deine Gedanken
und Worte
sind nicht die meinen.
Meine Gefühle
sind nicht die deinen.
Deine Welten
und deine Träume
sind nicht die meinen.
Und doch verbinden uns
unsere Gedanken, Worte
und Gefühle,
unsere Welten und Träume
so stark miteinander,
daß sie es schaffen,
die tiefen Abgründe zwischen uns
zu überbrücken.
Ernst Ferstl
Die uns lieben
Die, die uns lieben,
stehen uns nicht im Weg.
sie stehen uns bei,
gehen mit uns
ein Stück des Weges
und liegen uns am Herzen.
Die, die uns lieben,
nehmen uns
wie wir sind.
Sie geben uns
zu denken und das Gefühl,
liebenswert
und liebenswürdig zu sein.
Die, die uns lieben,
schreiben uns nichts vor.
Sie lesen in unseren Augen,
hören uns zu
und sagen uns ihre Meinung.
Die, die uns lieben,
schenken uns nichts,
aber sie geben uns
sehr sehr viel.
Ernst Ferstl
Vom Honigkuchenmann
Keine Puppe will ich haben -
Puppen gehn mich gar nichts an.
Was erfreu’n mich kann und laben
Ist ein Honigkuchenmann.
So ein Mann mit Leib und Kleid
durch und durch an Süßigkeit.
Stattlicher als eine Puppe
Sieht ein Honigkerl sich an,
Eine ganze Puppengruppe
Mich nicht so erfreuen kann.
Aber seh ich recht dich an,
Dauerst du mich, lieber Mann.
Denn du bist zum Tod erkoren -
Bin ich dir auch noch so gut,
Ob du hast ein Bein verloren.
Ob das...
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Die Sorglichen
Im Frühling, als der Märzwind ging,
als jeder Zweig voll Knospen hing,
da fragten sie mit Zagen:
Was wird der Sommer sagen?
Und als das Korn in Fülle stand,
in lauter Sonne briet das Land,
da seufzten sie und schwiegen:
Bald wird der Herbstwind fliegen.
Der Herbstwind blies die Bäume an
und ließ auch nicht ein Blatt daran.
Sie sahn sich an: Dahinter
kommt nun der böse Winter.
Das war nicht eben falsch gedacht,
der Winter kam auch über Nacht.
Die armen, armen Leute,
was sorgen...
Gustav Falke
Brahma
Der rote Schläger denkt, daß er schlüge,
und der Erschlagene denkt, er sei erschlagen:
Sie wissen nicht, wie heimlich ich es füge,
daß alle Dinge mich im Innern tragen.
Für mich ist nah, was ferne und versunken;
Sonne und Schatten geben sich nichts nach;
Götter erscheinen mir, die längst entschwunden;
ein und dasselbe sind mir Ruhm und Schmach.
Wer mich verleugnet, kennt nicht seine Lage:
Wenn er mich flieht, bin ich, was ihn beschwingt;
ich bin der Fragesteller und die Frage;
ich bin...
Ralph Waldo Emerson