Nichte Zitate (Seite 260)
Lachst nicht mehr? Nanu?
Weiß nicht, aber ich glaube doch,
Daß die Welt ein faules Loch,
Drin die vielen großen Sterne
Nichts als Phosphorschimmer sind.
Lieblich tönt, ja das weiß ich schon,
Nur ein toller Weltenhohn.
Freundlich wären wir so gerne…
Aber lacht denn noch ein Kind?
Wundersam, ja nun glaub' ich fast:
Uns zerklemmt die Weltlochlast.
Ach, die vielen großen Sterne
Sind verweht wie müder Wind.
Paul Scheerbart
An die Gebildeten
Ich schleudre Euch meinen Hohn ins Gesicht,
ihr Alle!
Was liegt mir an euch, ich brauch euch nicht,
ihr Alle!
Denn eure ganze Bildung ist
nur Wissen –
Was liegt mir an euch, mich schmerzt es nicht,
euch missen.
Ihr habt kein Zwerchfell, habt kein Herz,
nur Säcke,
Mit Blut gefüllt und hinterwärts
mit Drecke.
Ich schleudre Euch meinen Hohn ins Gesicht,
meinen leichten –
Denn »gebildete« Menschen lieb ich nicht,
die seichten.
Ludwig Scharf
Du willst, daß ich in Worte füge,
was flüchtig ist wie Windeswehn,
und meiner Seele Atemzüge,
die leisen, kannst du nicht verstehn?
Die stille Wonne wie die Klage,
die nur in Geistertönen lallt,
bleibt eine unverstandne Sage,
wenn nicht das Herz ihr widerhallt.
Ihr Sinn ist hin, ihr Laut verklungen,
sobald die Lippe sie erst nennt;
nicht eignet sich für Menschenzungen,
was nur der Himmel weiß und kennt.
Adolf Friedrich Graf von Schack
Viel genossen, viel gelitten,
Und das Glück lag in der Mitten;
Viel empfangen, nichts erworben,
Froh gelebt und leicht gestorben,
Fraget nicht nach der Zahl der Jahre
Kein Kalender ist die Bahre,
Und der Mensch im Leichentuch
Ist ein zugeklapptes Buch.
Darum, Wand'rer, zieh dich weiter,
Denn Verwesung stimmt nicht heiter.
Ferdinand Sauter
Ein Buch ist jedes Mädchenherz…
Ein Buch ist jedes Mädchenherz
Mit gar geweihten Lettern
Die meisten Männer lesen's nicht,
Sie wollen bloß drin blättern.
Sie schlagen wie der Wirbelwind
Die Blätter um in Reihe,
Verstehen nicht ein Sprüchlein drin,
Nicht einen Vers voll Weihe.
Ich aber hab ihr Herzensbuch
Mit Andacht ganz durchlesen
Und bin nach jedem neuen Blatt
Noch zärtlicher gewesen.
Gottlieb Moritz Saphir
Das Grab
Das Grab ist tief und stille
Und schauderhaft sein Rand;
Es deckt mit schwarzer Hülle
Ein unbekanntes Land.
Das Lied der Nachtigallen
Tönt nicht in seinem Schoß;
Der Freundschaft Rosen fallen
Nur auf des Hügels Moos.
Verlassne Bräute ringen
Umsonst die Hände wund;
Der Weise Klagen dringen
Nicht in der Tiefen Grund.
Doch sonst an keinem Orte
Wohnt die ersehnte Ruh;
Nur durch die dunkle Pforte
Geht man der Heimat zu.
Das arme Herz hinieden
Von manchem Sturm bewegt,
Erlangt den wahren...
Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis
Im Zeichen des Kampfes geboren,
such' ich den Frieden nicht;
ich fühl' mich matt, verloren,
wo man vom Glück nur spricht.
Ich liebe die strengen Stirnen
wo schwer der Gedanke wohnt,
gleich den ragenden Silberfirnen,
nah' denen die Sonne thront.
Ich liebe gewappnete Hände,
ein streitbares, herbes Wort,
das suchend geht, ob's nicht fände
der Echtheit und Wahrheit Hort.
Ich kann nicht anders und sage:
So bin ich, Gott helfe mir,
so bleib' ich bis meine Tage
erschöpft sind auf Erden hier.
Edith Gräfin Salburg
Ultima ratio
Wer mehr, als er verschuldet,
Erlitten und erduldet,
Der ist zuletzt gefeit;
Wie immer er auch wandle,
Wie immer er auch handle:
Geschlichtet ist der Streit.
Denn endlich naht die Stunde,
Wo tief im Herzensgrunde
Die Frage lauter spricht:
Wem ward ein Recht gegeben –
Wer wagt es hier im Leben,
Zu halten ein Gericht?
Ja, was da auch geschehe,
Zum Wohl oder zum Wehe,
Geschieht's nicht, weil es muß?
»Drum will ich siegreich fallen
Mit meinen Wunden allen!«
Ruft dann der Mensch zum...
Ferdinand von Saar
So ist's
Das aber nehmt euch einmal zu Verstande:
Daß einer nie sein Höchstes kann vollbringen,
Wenn nicht ein Gott ihm gnädig löst die Schwingen,
Und nicht ein günst'ger Wind ihn treibt vom Strande.
Denn nie gedeiht der Baum in dumpfem Sande,
Zu Tod sich flattern muß der Aar in Schlingen –
Und ernstes Tun kann stets nur halb gelingen,
Wenn sich die Mitwelt freut an hohlem Tande.
Ja, ob auch eigne Kraft und tiefstes Wollen
Die Größe hebt aus den gemeinen Gleisen:
Des Lebens Mächten muß ein...
Ferdinand von Saar
O glaube nicht, daß du nicht seiest mitgezählt;
Die Weltzahl ist nicht voll, wenn deine Ziffer fehlt.
Die große Rechnung zwar ist ohne dich gemacht,
Allein du selber bist in Rechnung mitgebracht.
Ja mitgerechnet ist auf dich in alle Weise;
Dein kleiner Ring greift ein in jene größeren Kreise.
Zum Guten, Schönen will vom mangelhaften Bösen
Die Welt erlöst sein, und sollst sie mit erlösen.
Vom Bösen mache dich, vom Mangelhaften frei;
Zur Güt' und Schöne so der Welten trägst du bei.
Friedrich Rückert
Salomon und der Sämann
Im Feld der König Salomon
Schlägt unterm Himmel auf den Thron;
Da sieht er einen Sämann schreiten,
Der Körner wirft nach allen Seiten.
"Was machst du da?" der König spricht;
"Der Boden hier trägt Ernte nicht.
Laß ab vom thörichten Beginnen;
Du wirst die Aussaat nicht gewinnen."
Der Sämann, seinen Arm gesenkt,
Unschlüssig steht er still und denkt;
Dann fährt er fort, ihn rüstig hebend,
Dem weisen König Antwort gebend:
"Ich habe nichts als dieses Feld,
Geackert hab ich's...
Friedrich Rückert
Ists besser, nicht besessen haben
Ists besser, nicht besessen haben,
Als zu verlieren das Besessne?
Im Grunde gleich sind alle Gaben,
Vom Himmel Menschen zugemessne.
Es fehlt uns doch, was wir nicht wissen;
Wir haben noch, was wir vermissen.
Und endlich ruht in Finsternissen,
Ob nie gehabt und ob entrissen,
Gleich Ungekanntem das Vergessne.
Friedrich Rückert