Nichte Zitate (Seite 241)
Es bedeutet immer einen großen Schritt vorwärts auf dem Wege der Menschwerdung, wenn jemand sagen kann: das verstehe ich nicht und das weiß ich nicht und deshalb erlaube ich mir kein Urteil darüber. Die Verlegenheit, die sich gewöhnlich nach einer solchen erstaunlichen Offenheit in der Gesellschaft verbreitet, ist nicht etwa Mitgefühl für den, der das Geständnis gemacht hat, sondern das stille Eingeständnis vor sich selbst, daß man zu solch ehrlicher Gradheit nicht imstande ist. Man schämt...
Johannes von Müller
Wir brauchen wenigstens einen Menschen, vor dem wir unsere Gefühle herausleben dürfen. Vor dem wir nicht das Visier abnehmen, nicht auf der Hut, nicht unsere Worte wählen müssen: das heißt, den psychischen Lebens-Bogen nicht immer in Spannung erhalten müssen – dies würde die Lebenskraft ausleiern.
Prentice Mulford
Gewöhnen wir uns den Superlativismus ab. Schreiben wir nicht mehr geehrtes, ergebenst, achtungsvollst, herzlichst und schönst. Schließen wir nicht mit tausend Grüßen, sondern mit gar keinem; denn ein Brief, der den Namen verdient, ist doch an sich schon ein Gruß. Umarmen wir uns auch nicht mehr brieflich – ich rede natürlich hier stets nur vom Briefwechsel unter Männern –; wenn ich schreibe: ich umarme Dich, so male ich damit ein Bild, so wird durch die Niederschrift aus einer im Leben...
Christian Morgenstern
Wenn jemand gegen etwas vorgeht, so geht er nicht gegen das ganze Etwas vor: Denn das sieht er dann gar nicht mehr. Sondern er sieht dann nur noch das »rote Tuch« in dem Etwas. Nie wird gegen »etwas« vorgegangen, immer nur gegen rotes Tuch. Und wenn zwei Völker gegeneinander ziehen, so stürzt ein jedes bloß gegen rotes Tuch: Denn wie könnte ein Volk wieder ein anderes Volk sein, wenn nicht die Helden vom roten Tuch wären, wenn nicht unaufhörlich von hüben und drüben auf rotes Tuch aufmerksam...
Christian Morgenstern
Freundschaft kritisiert nicht in der Stunde des Leidens, sagt nicht nüchtern verständig, "wenn du es so und so gemacht hättest", sondern öffnet einfach die Arme und spricht: "Ich frage nicht, ich urteile nicht, hier ist mein Herz, daran ruh aus." Wenn man immer im voraus wüßte, wie man handeln müßte, dann gäbe es ja keinen Irrtum. Die Freundschaft rät und warnt vorher, nachher liebt sie. Das nur ist die echte, die falsche macht es umgekehrt.
Malvida (Malwida) Freiin von Meysenbug
In meinem ganzen Leben habe ich nur zehn oder zwölf Menschen gekannt, mit denen zu sprechen eine Freude war. Sie hielten sich an das Thema, wiederholten sich nicht, sprachen nicht von sich selbst, hörten nicht auf die eigenen Worte, waren zu gebildet um sich in Gemeinplätze zu verlieren und hatten genügend Takt und guten Geschmack, nicht die eigene Person über das Thema zu stellen.
Klemens Wenzel Reichsgraf Fürst von Metternich-Winneburg