Neue Zitate (Seite 21)
Das tote Kind
Es hat den Garten sich zum Freund gemacht,
Dann welkten es und er im Herbste sacht,
Die Sonne ging und es und er entschlief,
Gehüllt in eine Decke weiß und tief.
Jetzt ist der Garten unversehns erwacht,
Die Kleine schlummert fest in ihrer Nacht.
"Wo steckst du?" summt es dort und summt es hier.
Der ganze Garten frägt nach ihr, nach ihr.
Die blaue Winde klettert schlank empor
Und blickt ins Haus: "Komm hinterm Schrank hervor!
Wo birgst du dich? Du tust dir's selbst zu leid!
Was...
Conrad Ferdinand Meyer
Ehelichkeit
Ehe lebt durch Liebe,
bebt voller Zärtlichkeit,
findet neue Ziele,
auch den kleinen Streit.
Ehe braucht Nähe,
zwischen dir und mir,
auf Augenhöhe,
Ehe braucht das Wir.
Gemeinsame Arbeit,
Freude und Leid,
Freizeit und Freiheit,
niemals Kleinlichkeit.
Ehe braucht Ehrlichkeit,
Urvertrauen, Geduld,
Empathie und Wahrheit,
verzeihen von Schuld.
Braucht Einsamkeiten
und Zweisamkeiten,
Gern mit dir allein,
werd ich nie einsam sein
Horst Reiner Menzel
An das klopfende
Herz ihres Volkes
Legen die Dichter
Ihr lauschendes Ohr
Und hören sie rauschen
Von Ferne
Die Taufbronnen des neuen Heils,
Die Jordansströme
Der neuen Zeit.
Nicht an die Weisen
Und Schriftgelehrten,
An die Männer
Von Weihwasser und Weihrauch,
Wendet um Rath sich
Die neue Menschheit;
Es lehrt als Priester
Der neuen Zeit
Der Sohn des Volkes
Im schlichten Gewande.
Alfred Meißner
Sehnsucht
Überall
in dem All,
mag ich liegen oder stehen,
mag ich ruhen oder gehen,
immer die Geliebte seh'.
Wonnig mild
steigt ihr Bild,
mag ich träumen oder wachen,
mag ich weinen oder lachen,
vor den Augen in die Höh'.
Ist sie fern,
immer gern
eilt mein Herz sie zu belauschen,
Liebeswonnen einzutauschen
in der heißgeliebten Näh'.
Ist sie nah,
ist sie da,
sink ich flehend vor ihr nieder,
singe neue Liebeslieder,
sing von meines Herzens Weh'!
Zög sie dann
mich heran,
würd' ich feurig sie...
Daniel Eduard Meier
Freude und Sorgen
Gehen stets Hand in Hand;
Heute wie morgen
Wechseln sie schnell ihr Band.
Nur in der Kürze,
Die Freude uns beschert, –
Liegt ja die Würze,
Die den Genuß vermehrt,
Denn hinter Sorgen,
Die uns wie Wolken droh'n, –
Lachet verborgen
Auch neue Freude schon.
Willst du drum zagen,
Wenn Dich der Kummer drückt?
Nein! – frisch getragen!
Hoffnung bleibt stets geschmückt!
Heinrich Martin
Friedlos
Wie es mich reizt mit seinen Wonnen,
Wie es mich quält mit seinem Schmerz!
Wie müde, kaum dem Kampf entronnen,
Auf's neue wünscht mein friedlos Herz!
Und könnt' ich bis zum Himmel schweben,
Mich bergen in der Erde Schoß,
Den Frieden kann mir keines geben,
Die Sehnsucht werd' ich nimmer los…
Thekla Lingen
Liederfrühling
Der Lenz ist da,
Und fern und nah
Gibt's neue Weisen und Lieder;
Wie einst Merlin
So lausch ich hin,
Und alles schreib' ich nieder.
Hoch in der Luft
Was die Lerche ruft,
Was die Drossel klagt im Hollunder,
Was den Rosen all'
Die Nachtigall
Flötet, Sagen und Wunder;
Was die Schlange klug
Ihre Kinder frug,
Die im Sonnenlicht schillern,
Was Hänfling und Fink
Im Fluge flink
Einander zwitschern und trillern;
Was die Vögel gewußt,
Die voll Wanderlust
Aus dem Süden erst gekommen,
Was...
Heinrich Leuthold
Ich leb' mein Leben schneller, Mensch, als du.
Mich kann der Dinge Schein nicht länger halten.
Mein Blick hat jedes Ding entzweigespalten.
Ich schmeck' den Kern und eile Neuem zu.
Im Weitersausen bin ich tiefste Ruh'.
Denn ich bin eine von den Kraftgewalten,
Die Welt in sich und sich zu Welt gestalten.
So ist mir alles Ich, und ich bin allem Du.
Mich hält nicht Schönheit, Glanz, nicht Glück noch Macht.
Was gestern ich war, hab' ich heute vergessen –
Wo euch noch Chaos stürzt, blüht mir schon...
Heinrich Lersch
Mein Ficus-Benjamin
Mein Benji-Baum hat neue Triebe,
ich seh' ihn voller Freude an.
Ach, wie ich dieses Bäumchen liebe,
doch nicht so sehr, wie meinen Mann.
Der Trieb, des Mannes Markenzeichen,
wenn seine Leidenschaft erweckt,
läßt mit dem Baum sich gern vergleichen,
der sich so stolz zum Himmel reckt.
Wenn ihm der Lustabbau geglückt,
sein Atem schnarchend weht,
seh' ich mit wehmutsvollem Blick
zum Baum, der vor mir steht.
Poldi Lembcke
Winterzeit
Ist das Jahr denn schon vorüber?
Gestern war noch Sommerzeit.
Heute tönen Weihnachtslieder
und der Wald ist tief verschneit.
Den See bedeckt ein Tuch aus Eis
und klirrend kalt ist manche Nacht.
Wie Zucker hat der weiße Reif
sich auf den Bäumen festgemacht.
Natur wird still, legt sich zur Ruh,
will frische Kraft gewinnen.
Das Jahr neigt sich dem Ende zu,
ein Neues wird beginnen.
Poldi Lembcke