Nähe Zitate (Seite 3)
Wenn diesen Langeweile treibt, / kommt jener satt vom übertischten Mahle, / und, was das Allerschlimmste bleibt, / gar mancher kommt vom Lesen der Journale. / Man eilt zerstreut zu uns wie zu den Maskenfesten, / und Neugier nur beflügelt jeden Schritt; / die Damen geben sich und ihren Putz zum besten / und spielen ohne Gage mit. / Was träumet Ihr auf Eurer Dichterhöhe? / Was macht ein volles Haus Euch froh? / Beseht die Gönner in der Nähe! / Halb sind sie kalt, halb sind sie roh.
Johann Wolfgang von Goethe
Wo hast du zuerst empfunden, daß wir Menschen uns nicht selbst leben? Im Leid! Wo überkam dich die Seligkeit des Mitleids? Im Leid. Wo näherte sich dein Herz denen, denen du so fern und kalt gegenüberstandest? Im Leid. Wo ging dir eine Ahnung auf von der höheren Bestimmung unseres Lebens? Im Leid. Wo fühltest du Gottes Nähe? Im Leid. Wo lerntest du die Seligkeit kennen, einen Vater im Himmel zu haben? Im Leid.
Albert Schweitzer
Über Ströme hast du gesetzt und Meere durchschwommen, / über der Alpen Gebirg trug dich der schwindlichte Steg, / mich in der Nähe zu schaun und meine Schöne zu preisen, / die der begeisterte Ruf rühmt durch die staunende Welt. / Und nun stehst du vor mir, du darfst mich Heil'ge berühren, / aber bist du mir jetzt näher und bin ich es dir?
Johann Christoph Friedrich von Schiller
Ach um deine feuchten Schwingen
West wie sehr ich dich beneide,
Denn du kannst ihm Kunde bringen,
Was ich durch die Trennung leide.
Die Bewegung deiner Flügel
Weckt im Busen stilles Sehnen,
Blumen, Augen, Wald und Hügel
Stehn bei deinem Hauch in Tränen.
Doch dein mildes sanftes Wehen
Kühlt die wunden Augenlider;
Ach, für Leid müßt ich vergehen,
Hofft ich nicht, wir sehn uns wieder.
Geh denn hin zu meinem Lieben,
Spreche sanft zu seinem Herzen,
Doch vermeid ihn zu betrüben
Und...
Marianne von Willemer
Aber mit einem Male erstrahlen
Tage der Nähe wie selige Segel,
Die auf dem Blau des Wassers sich malen.
Aber der Glückliche kennt nur Beharren.
Ach, er vergaß ganz die Sehnsucht der Tage
Gestern und vorher, die Jahre gehegte.
Ach, ihm erstarb ganz die brennende Frage
Wann? Und er sieht die Errettung verweilen,
Aber vom Glück?! – Und träumend entgleiten
Sieht er die Tage, die Segel enteilen
Silbern hinaus in verfließende Weiten.
Maria Luise Weissmann
Gesegnet sei dein ureigener Weg,
der dich an deine Einmaligkeit erinnert,
die aufgehoben ist
im Wunder von Schöpfung und Kosmos
Gesegnet seien unsere Schritte,
die uns dank dem Geheimnis
der Menschwerdung Gottes
auf den Weg des Glücks führen
Gesegnet seien deine Beziehungen,
die sich auch in diesem Jahr vertieft haben
in kreativer Lebensfreude
sowie im gemeinsamen Ringen
Gesegnet sei unser Übergang
in ein neues Jahr
verwurzelt im Vertrauen
in die heilende Nähe Gottes
Gesegnet sei dein...
Pierre Stutz
O stille Nacht
Weihrauchduft
zieht durch die Zimmer –
die Rauhnacht weht vorbei ...
die Kerzen sind erloschen.
Bis auf die zwei,
die vor dem Fenster
unsren Toten hell den Weg
in unsre Nähe weisen,
und die sie wissen lassen,
daß sie noch ganz bei uns.
Gedanken reisen
in die Anderswelt;
der Mond ist groß und voll
und grüßt versonnen
den, der da Andacht hält.
O stille Nacht.
In deinen Armen
verliert sich unser ganzes Sein,
versinkt das Streben,
wird alles Erdenleben
bedeutungslos,
gering und klein.
Ingrid Streicher