Nacht Zitate (Seite 7)
Muß auch der Mann sein Haus und Vaterland verlassen,
Was kümmerts ihn? Ist doch jeder Ort sein Zelt.
Der Reiche findet nachts in seinem Hause Ruhe,
Des Armen Haus ist da, wo Nacht ihn überfällt.
Ists nötig denn, daß er am eignen Herde sitze?
Sein ist, wo er auch geht, des Schöpfers weite Welt.
Saadî
Gestörter Friede
Was mich still und traurig macht,
Darf ich Keinem sagen,
Einsam denk' ich's Tag und Nacht,
Einsam muß ich's tragen.
Was mir sonst am Herzen lag
Ist dahin genommen,
Seit von drüben Tag für Tag
Schreck und Groll mir kommen.
Ach, wie schlimm die Welt gewußt
Seinen Sinn zu thören!
Ihn zu treiben, mir mit Lust
Glück und Ruh zu stören!
Soll sich Alles, was einst gut,
Uns so schnell verleiden?
Freie Red' und Uebermuth
Will nicht jeden kleiden.
Was mir ganz und gar mißfällt,
Dient...
Otto Roquette
Städtische Sommernacht
Unten macht sich aller Abend grauer,
und das ist schon Nacht, was da als lauer
Lappen sich um die Laternen hängt.
Aber höher, plötzlich ungenauer,
wird die leere leichte Feuermauer
eines Hinterhauses in die Schauer
einer Nacht hinaufgedrängt,
welche Vollmond hat und nichts als Mond.
Und dann gleitet oben eine Weite
weiter, welche heil ist und geschont,
und die Fenster an der ganzen Seite
werden weiß und unbewohnt.
Rainer Maria Rilke
Die Nacht wächst wie eine schwarze Stadt
Die Nacht wächst wie eine schwarze Stadt,
wo nach stummen Gesetzen
sich die Gassen mit Gassen vernetzen
und sich Plätze fügen zu Plätzen,
und die bald an die tausend Türme hat.
Aber die Häuser der schwarzen Stadt, –
du weißt nicht, wer darin siedelt.
In ihrer Gärten schweigendem Glanz
reihen sich reigende Träume zum Tanz, –
und du weißt nicht, wer ihnen fiedelt...
Rainer Maria Rilke
Ernste Stunde
Wer jetzt weint irgendwo in der Welt,
ohne Grund weint in der Welt,
weint über mich.
Wer jetzt lacht irgendwo in der Nacht,
ohne Grund lacht in der Nacht,
lacht mich aus.
Wer jetzt geht irgendwo in der Welt,
ohne Grund geht in der Welt,
geht zu mir.
Wer jetzt stirbt irgendwo in der Welt,
ohne Grund stirbt in der Welt:
sieht mich an.
Rainer Maria Rilke
Lieben
I.
Und wie mag die Liebe dir kommen sein?
Kam sie wie ein Sonnen-, ein Blütenschein,
kam sie wie ein Beten? – Erzähle:
Ein Glück löste leuchtend aus Himmeln sich los
und hing mit gefalteten Schwingen groß
an meiner blühenden Seele....
II.
Das war der Tag der weißen Chrysanthemen, –
mir bangte fast vor seiner schweren Pracht...
Und dann, dann kamst du mir die Seele nehmen
tief in der Nacht.
Mir war so bang, und du kamst lieb und leise, –
ich hatte grad im Traum an dich gedacht.
Du...
Rainer Maria Rilke
Wüßt ich das Lied, das ihn bannt, das ihn zwingt
Wüßt ich das Lied, das ihn bannt, das ihn zwingt,
an mein armes, einsam verloderndes Herz,
das durch alle Fernen hinüberklingt,
durch alle Türen – durch Panzer und Erz.
Das dem einen Mann in die Seele dringt,
dem einzigen, der für mich nur erdacht –,
der einsam wie ich – mit der Sehnsucht ringt,
nach mir die Arme reckt – Nacht für Nacht.
Wo ist das Lied – das ihn zu mir zwingt,
aus der Einsamkeiten ewigem Schnee,
das ihm die Ebenbürtige...
Hermione von Preuschen
Gute Nacht
Im tiefsten Innern
Ein süß Erinnern
Und einen Gruß
Zum Tagesschluß.
Daß Gottes Güte
Mein Glück behüte,
Daß seine Treu'
Stets mit dir sei;
Daß deine Seele
Sich mir vermähle
Auf ewiglich:
Das bete ich.
Auf ihn nur zähl' ich,
Uns beid' empfehl' ich
Fromm seiner Macht –
Nun, gute Nacht!
Betty Paoli
Mit Leib und Seel'
Manchmal im Traume meiner Nacht
Umschling' ich sie mit tiefer Glut
In ihrer ganzen nackten Pracht
Und tu, was heiße Liebe tut …
Doch wenn sie dann am Tage mir
Begegnet, keusch und rein wie je,
Schäm' ich so bitter mich vor ihr,
Daß ich ihr kaum ins Auge seh'.
Sie aber lächelt still und fein,
Als wüßte sie, was ich verhehl'
Und spräche: Kann es anders sein
Wenn du mich liebst mit Leib und Seel'?
Und hast du nie daran gedacht,
So keusch ich dir am Tage schien,
Ob nicht die...
A. de Nora (Pseudonym für Anton Alfred Noder)
Verzweiflung
Von Ferne tönt der Glockenschlag,
Die Nacht, sie rauscht so dumpf daher.
Ich weiß nicht, was ich tuen mag;
Mein Freud' ist aus, mein Herz ist schwer.
Die Stunden fliehn gespenstisch still,
Fern tönt der Welt Gewühl, Gebraus.
Ich weiß nicht, was ich tuen will:
Mein Herz ist schwer, mein Freud' ist aus.
So dumpf die Nacht, so schauervoll
Des Mondes bleiches Leichenlicht.
Ich weiß nicht, was ich tuen soll...
Wild rast der Sturm, ich hör' ihn nicht.
Ich hab' nicht Rast, ich hab'...
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Um Mitternacht
Bedächtig stieg die Nacht ans Land,
Lehnt träumend an der Berge Wand;
Ihr Auge sieht die goldne Waage nun
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn.
Und kecker rauschen die Quellen hervor,
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
Das uralt alte Schlummerlied
Sie achtet's nicht, sie ist es müd';
Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
Der flücht'gen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
Es singen die...
Eduard Mörike
Begegnung
Was doch heut Nacht ein Sturm gewesen,
Bis erst der Morgen sich geregt!
Wie hat der ungebetne Besen
Kamin und Gassen ausgefegt!
Da kommt ein Mädchen schon die Straßen,
Das halb verschüchtert um sich sieht;
Wie Rosen, die der Wind zerblasen,
So unstet ihr Gesichtchen glüht.
Ein schöner Bursch tritt ihr entgegen,
Er will ihr voll Entzücken nahn:
Wie sehn sich freudig und verlegen
Die ungewohnten Schelme an!
Er scheint zu fragen, ob das Liebchen
Die Zöpfe schon zurecht gemacht,
Die...
Eduard Mörike