Nacht Zitate (Seite 4)
Bruchstücke einer Dichtung
Sonnenaufgänge sing' ich und Sonnenuntergänge:
Aufgang und Untergang ist das Leben –
Aber einmal dämmern Tage,
Da die Nacht in graue Gräber fiel,
Ewig Sonnenleuchten über alle Welten flutet:
Einmal – und ich lausche in die Nacht,
Und mir ist, der fahle Dämmer trägt
Wie ein zitternd Ahnen fernes Pochen,
Abglanz jener tausend Morgenchöre,
Die der Welten hehrstes Fest umbrausen,
Und ich grüße aus dem Zwang der Nacht
...
Ernst Maria Richard Stadler
Der Kajütenjunge
Die Nacht hängt schwarz im Hafen;
die Schiffe haben kaum Gesicht.
Maat und Kapitän, sie schlafen.
nur der Kajütenjunge nicht.
Ihn treiben die Gedanken;
Das Schiff, es schauckelt sacht.
Er würd' dem Himmel danken;
Ein Mädchen für die Nacht.
Die Nacht hängt schwarz im Hafen;
Dem Jungen sind die Augen schwer.
Bald ist er eingeschlafen.
Es weht ein kalter Wind vom Meer.
Manfred Schröder
Zu deinen Füßen will ich ruhn
Und dir ins Auge schaun,
Die blaue Nacht mag leise nun
Auf uns herniedertaun.
Schon tauchet aus dem stillen See
Des Mondes Bild empor,
Und kühner schweift das scheue Reh
Durch Wald und Wiesenmoor.
Mein Haupt laß ruhn auf deinem Schoß,
Da ruht es sanft und weich.
Wie ist der Himmel weit und groß,
Wie ist die Erde reich!
Der schönste Stern in blauer Nacht,
Der schönste Stern bist du,
In deines Lichtes sanfter Pracht,
O gönne mir die Ruh!
An deinem Herzen laß mich...
Otto Roquette
Gebet zur Nacht
Wenn die Sonne untergeht,
dort wo Erd und Himmel sich vereinen,
wenn die letzten goldenen Strahlen
Wolkenbilder sanft umgeben,
geht die Welt zur nächt'gen Ruh.
All des Meeres stille Wellen
nur noch plätschernd sich verlieren
in dem Sand,
der weit und breit
nun verlassen und allein –
und die Möwen suchen kreischend
noch zur Nacht
die letzte Nahrung,
bis der Sonne Schein erlischt
und der Mond mit seinem Licht
schließt des Tages Fülle ein.
Als die Sonne unterging,
wo Erd und...
Otto Reinhards
Es zieht herauf die stille Nacht
Es zieht herauf die stille Nacht
Und decket alles Land;
Groß, ruhig liegt die Sternenpracht
Der Himmel ausgespannt.
Es gehet still und leis die Luft,
Rings schlummert Blum' und Baum:
O nur ein Klang, o nur ein Duft,
Ein leiser Schöpfungstraum.
Das ist für mich die süße Zeit,
Mein dunkles Herz erglüht,
Und Frieden, Schönheit, Seligkeit
Durchfühlen mein Gemüt.
Mein kühles, ernstes Herze lacht,
Das tags erstarret stand:
Mein dunkles Herz, die dunkle Nacht
Sie...
Wolfgang Müller von Königswinter
Schöne, gute Nacht!
Allem schöne gute Nacht,
was da schläft und was noch wacht:
Kindern goldne Weihnachtsbäume,
Knaben Kampf- und Minneträume,
Jungfraun reiner Unschuld Walten,
Dichtern glänzende Gestalten,
Müttern aus prophet'schen Bronnen
ihrer Kinder Künf'ge Wonnen,
Männern hoher Taten Mahnung,
Greisen nahen Friedens Ahnung;
allem schöne gute Nacht,
was da schläft und was noch wacht!
Friedrich Heinrich Karl Freiherr de la Motte-Fouqué
Zu spät
Hab' an die Dornen nicht gedacht,
Als ich die Rose brach,
Die Blätter sanken über Nacht,
Der Dorn mich blutig stach.
Hab' an den Winter nicht gedacht
Im Frühlings-Sonnenstrahl,
Nun schwand die duft'ge Blumenpracht
Und öd' ist's allzumal.
Hab' an das Scheiden nicht gedacht,
Als ich mein Lieb umfing,
Nun kommt der Trennung kalte Nacht,
Die Rosenzeit verging.
Daß ich an's Ende nicht gedacht,
Das macht mir bittern Schmerz,
Das Leid ist kommen über Nacht,
Und bricht mir nun das Herz.
Auguste Kurs
Zu Tod möcht ich mich lieben
Liebster Freund, und kann's denn sein,
Wächst noch immer diese Liebe
Längst war ihr das Herz zu klein
Quillt noch stets von neuem Triebe!
Tag für Tag und Nacht für Nacht,
Füllt sich's fort aus ew'gen Quellen
Und das Herze weint und lacht,
Kann sich gar nicht mehr verstellen.
Süße Krankheit, himmlisch Leid
Und so mag's die Welt denn wissen
Der mich liebt, ist ach, so weit
Und das Herz ist mir zerrissen!
Aber dann im Traum der Nacht,
O wie sind wir da...
Christian Reinhold Köstlin
Blütenreife
I.
Die Blüten schlafen am Baume
In schwüler, flüsternder Nacht,
Sie trinken in duftigem Traume
Die flimmernde, feuchte Pracht.
Sie trinken den lauen Regen,
Den glitzernden Mondenschein,
Sie zittern dem Licht entgegen,
Sie saugen es taumelnd ein:
Sie sprengen die schweigende Hülle
Und gleiten berauscht durch die Luft
Und sterben an der Fülle
Von Glut und Glanz und Duft.
Das war die Nacht der Träume,
Der Liebe schwül gärende Nacht,
Da sind mit den Knospen der Bäume
Auch meine Lieder...
Hugo von Hofmannsthal
Letztes Gedicht
Wie danke ich dafür,
daß Gott die Träume schuf!
Durch diese einzige Tür
kommst du, Geliebteste, zu mir
Was soll mir das Gedränge
des Tages und alle Pein,
Was soll mir noch die Enge
der Mauern im Exil?
Die Nacht, die Nacht allein
verheißt mir Sinn und Ziel
Du kommst, Geliebteste, zu mir
Durch diese leise Tür.
Heute nacht mein Herz vergaß
zu schlagen, du tratest ein
mit wunden Händen, blaß
vom langem Einsamsein
Geliebteste, mein Kind
Sieh wie wir elend sind.
Ich warf mich hin...
Camill Hoffmann
Sie haben wegen der Trunkenheit
Sie haben wegen der Trunkenheit
Vielfältig uns verklagt
Und haben von unsrer Trunkenheit
Lange nicht genug gesagt.
Gewöhnlich der Betrunkenheit
Erliegt man, bis es tagt;
Doch hat mich meine Betrunkenheit
In der Nacht umhergejagt.
Es ist die Liebestrunkenheit,
Die mich erbärmlich plagt,
Von Tag zu Nacht, von Nacht zu Tag
In meinem Herzen zagt,
Dem Herzen, das in Trunkenheit
Der Lieder schwillt und ragt,
Daß keine nüchterne Trunkenheit,
Sich...
Johann Wolfgang von Goethe
Die Nacht
Aus dem Walde tritt die Nacht,
Aus den Bäumen schleicht sie leise,
Schaut sich um in weitem Kreise,
Nun gib acht.
Alle Lichter dieser Welt,
Alle Blumen, alle Farben
Löscht sie aus und stiehlt die Garben
Weg vom Feld.
Alles nimmt sie, was nur hold,
Nimmt das Silber weg des Stroms,
Nimmt vom Kupferdach des Doms
Weg das Gold.
Ausgeplündert steht der Strauch,
Rücke näher, Seel an Seele;
O die Nacht, mir bangt, sie stehle
Dich mir auch.
Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg