Mutter Tochter Zitate
Vorletzte Stunde
Jede Stunde ist Tochter und Mutter zugleich
Und macht uns arm, und macht uns reich.
Und immer öffn' ich von neuem die Tür:
"Tritt ein, du Stunde, was bringst du mir?"
Sie schaut mich an: "Mich hab' ich gebracht;
So hab' ich dein Leben reicher gemacht." –
"Und ärmer!" schrei ich. Sie nickt und geht.
Die Tochter schon auf der Schwelle steht.
"Du, deine Mutter an mich vergaß!
Bring du mir endlich" … Ernst fragt sie: "Was?"
– "Das Leben!" fleh' ich. Da geht sie...
Hugo Salus
Die Waise
(Litauisch)
»Sie haben mich geheißen
Nach Heidelbeeren gehn;
Ich habe nach den Beeren
Im Walde nicht gesehn.
Ich bin hinausgegangen
Zu meiner Mutter Grab,
Worauf ich mich gesetzet
Und viel geweinet hab.« –
»Wer sitzt auf meinem Hügel,
Von der die Tränen sind?« –
»Ich bin's, o liebe Mutter,
Ich, dein verwaistes Kind.
Wer wird hinfort mich kleiden
Und flechten mir das Haar?
Mit Liebeswort mir schmeicheln,
Wie's deine Weise war?« –
»Geh hin, o liebe Tochter,
Und finde dich darein!
Es...
Adelbert von Chamisso
Das unschuldige Mädchen
Meine Mutter sagt' mir:
"Deine Lippen gab dir
Zum Sprechen, Tochter, die Natur,
Und zum Sprechen brauch' sie nur."
Warum sind sie so rot?
Oh, ich könnt' auch mit weißen Lippen sprechen,
Und warum gebot
Meine Mutter: nur zum Sprechen?
Wer zeigt mir armen Mädchen an,
Was mein Mund mehr als sprechen kann?
Matthias Claudius
Vater, Mutter, alle goldnen Lehren,
Die du gibst der Tochter und dem Sohn,
Werden sie mit tauben Ohren hören,
Sprächest du sie auch im flehnden Ton,
Schriebst du sie mit Thränen und mit Schmerz
Auch als Flammenschrift tief in ihr Herz, –
Sie verlöscht! – Umsonst ist alles Bitten, Flehn,
Wenn sie anders handeln dich als reden sehn!
Johann Dietrich Lüttringhaus
In welche soll ich mich verlieben,
Da beide liebenswürdig sind?
Ein schönes Weib ist noch die Mutter,
Die Tochter ist ein schönes Kind.
Die weißen, unerfahrnen Glieder,
Sie sind so rührend anzusehn!
Doch reizend sind geniale Augen,
Die unsre Zärtlichkeit verstehn.
Es gleicht mein Herz dem grauen Freunde,
Der zwischen zwei Gebündel Heu
Nachsinnlich grübelt, welch' von beiden
Das allerbeste Futter sei.
Heinrich Heine