Müde Zitate (Seite 9)
Ein weicher Wind von Mai und Duft getragen,
Sinkt übers müde Land.
Mein offnes Fenster fängt ein Finkenschlagen,
Ein Sehnsuchtsruf, ein fernes Glockenfragen, –
Am Abendhimmel noch ein zartes Band.
Wie ist die Erde heut so lilienmilde,
Voll Güte unerschöpflich tief.
Ich steh vor ihrem wundersamen Bilde,
Vor dem Madonnenbild verzückt, der Wilde
Der Träumer, den sie zum Erstaunen rief.
Ioannis Kondylakis
Die entlaufene Mutter
Kathinka aus Eurich lief davon
Dem Ehemann, dem Saufpatron.
Sie lief bis Malschwitz in toller Hast,
Dort machte sie müde am Hügel Rast.
Mit trübe geweinten Äugelein
Sah sie in Gottes Sonne hinein.
O Hanzo, Hanzo, mein lieber Sohn,
Hast du wohl jetzt dein Frühstück schon?
O Maja, Maja, du Blümlein rot,
Wer kocht dir heute dein Mittagbrot?
Und du, mein Merten, du Kleinster mein,
Wer singt dich heut in den Schlummer ein?
Da weinte sie laut, da stand sie auf
Und nahm gen...
Paul Keller
Künstlerweihe
Wir wandern stumm, verschüchtert, bang gebückt
Und bergen scheu, was wir im Herzen hegen,
Und reden Worte, die uns nicht bewegen,
Und tote Dinge preisen wir entzückt.
Die Seele ist vergraben und erstickt ...
Verfaultes leuchtet fahl auf nächt'gen Wegen ...
Und sind wir müde, soll uns Kunst erregen,
Bis wir im Rausch der leeren Qual entrückt.
Jüngst fiel mein Aug auf Meister Wolframs Buch
Vom Parcival, und vor mir stand der Fluch,
Der vom verlornen Gral...
Hugo von Hofmannsthal
Springbrunn
Das ist ein lustiger Springbrunn
Im Mittagssonnenglanz,
Glitzernde Tropfen tanzen
Den silbernen Sonnentanz.
Viel feuchte, leuchtende Funken –
Das schimmert und rieselt und glüht –
Der speienden Löwenhäupter
Gerunzelte Stirne sprüht.
Die Lindenblätter sich neigen
Und fangen den spritzenden Tau.
Am Becken kühlt und erquickt sich
Die müde Taglöhnersfrau.
Karl Henckell
Laß sterben, was sterben will, und schleppe
dich mit ihm nicht müde! Du zwingst es doch
nicht mehr zum Leben und zu der frohen Freude
eines Sommers! Es hat die Kraft nicht mehr,
dein Mitleid, deine Liebe dir zu danken, und zerrt
dich selber nur in seinen Herbst!
Laß sterben drum, was sterben will ...
und ohne Klage!
Cäsar Otto Hugo Flaischlen
Nun gilt es!
Nun gilt es: nun zeig', daß du stark bist!
Die Zähne zusammen!
Und durchgerungen!
Klagen und Traurigkeit hilft zu nichts
und macht nur müde!
Das Leben ist Krieg…
Das alte Lied!
Um eine Stunde Frieden zu haben
am späten Abend, gilt es zähe
im Kampf zu stehn!
Das ist so und wird es wohl immer so bleiben!
Und manchmal denk' ich sogar: es sei gut!
Also Mut
und Glauben und fröhlich geblieben!
Es soll uns noch lange nicht unterkriegen!
Cäsar Otto Hugo Flaischlen
Flüstern, scheues Atmen, Wanken,
Nachtigallenschlag,
Silberhelles, müdes Schwanken,
Eines Bachs am Hag,
Licht und Schatten, nachtumschlungen,
Schatten und sonst nichts,
Blendende Veränderungen
Eines Angesichts,
Rosenglut in Rauchfontänen,
Bernstein – glanzumloht,
Und die Küsse und die Tränen
Und das Morgenrot!...
Afanassi Afanassjewitsch Fet
Natur und Liebe
Fordre nicht, daß ich mit Worten sage
Was mich quält und peinigt jeden Tag!
Müde bin ich, daß ich keine Worte
Auch von deinen Lippen hören mag.
Menschen haben mir so viel mit Weisheit
Und mit leerem Troste zugesetzt,
Daß vor ihrer wortbehenden Liebe
Wahrlich sich mein scheues Ohr entsetzt.
Laß du mich in deine weichen Hände
Stumm vergraben Stirn und Wangen nur;
Dann empfind' ich schauernd deine Liebe
Wie den leisen Odem der Natur.
Und zu dir zieht mich dieselbe Lockung
Ewigen...
Otto Ernst
Das ists, was mich ganz verstöret:
daß die Nacht nicht Ruhe hält,
wenn zu atmen aufgehöret
lange schon die müde Welt.
Daß die Glocken, die da schlagen,
und im Wald der leise Wind
jede Nacht von neuem klagen
um mein liebes, süßes Kind.
Daß mein Herz nicht konnte brechen
bei dem letzten Todeskuß,
daß ich wie im Wahnsinn sprechen
nun in irren Liedern muß.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Trost
Es haben viel Dichter gesungen
Im schönen deutschen Land,
Nun sind ihre Lieder verklungen,
Die Sänger ruhen im Sand.
Aber so lange noch kreisen
Die Stern' um die Erde rund,
Tun Herzen in neuen Weisen
Die alte Schönheit kund.
Im Walde da liegt verfallen
Der alten Helden Haus,
Doch aus den Toren und Hallen
Bricht jährlich der Frühling aus.
Und wo immer müde Fechter
Sinken im mutigen Strauß,
Es kommen frische Geschlechter
Und fechten es ehrlich aus.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Mich brennt's in meinen Reiseschuh'n
Fort mit der Zeit zu schreiten,
Was sollen wir agieren nun,
Vor soviel klugen Leuten.
Es hebt das Dach sich von dem Haus
Und die Kulissen rühren
Und strecken sich zum Himmel aus
Strom Wälder musizieren.
Da geh'n die einen müde fort
Die andern nah'n behende.
Das alte Stück, man spielt's so fort
Und kriegt es nie zu Ende.
Und keiner kennt den letzten Akt
Von allen die da spielen
Nur der da droben kennt den Takt
Weiß wo das hin soll zielen.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Zwielicht
Dämmrung will die Flügel spreiten,
Schaurig rühren sich die Bäume,
Wolken ziehn wie schwere Träume -
Was will dieses Graun bedeuten?
Hast ein Reh du lieb vor andern,
Laß es nicht alleine grasen,
Jäger ziehn im Wald und blasen,
Stimmen hin und wieder wandern.
Hast du einen Freund hienieden,
Trau ihm nicht zu dieser Stunde,
Freundlich wohl mit Aug und Munde,
Sinnt er Krieg im tück'schen Frieden.
Was heut müde gehet unter,
Hebt sich morgen neugeboren.
Manches bleibt in...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Der Unweise wacht alle Nächte,
denkt an dies und das,
müde ist er, wenn der Morgen kommt,
die Sorge aber dieselbe ist.
Der Unweise,
wenn zu eigen er Gut oder Liebe erlangt,
der Stolz wächst ihm, der Verstand aber nicht;
er steigt höher im Hochmut nur.
Viel schwatzt der Mann
der nicht schweigen kann, unverantwortlich aus;
rasche Zunge, die man im Zaun nicht hält,
spricht sich oft Unglück an.
Edda