Liebe Zitate (Seite 212)
Sokrates und Alcibiades
"Warum huldigst du, heiliger Sokrates,
diesem Jünglinge stets?
Kenntest du Größeres nicht?
Warum siehet mit Liebe,
wie auf Götter, dein Aug' auf ihn?"
Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste,
hohe Jugend versteht, wer in die Welt geblickt,
und es neigen die Weisen
oft am Ende zu Schönem sich.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Menschenbeifall
Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
seit ich liebe? Warum achtetet ihr mich mehr,
da ich stolzer und wilder,
wortereicher und leerer war?
Ach, der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,
und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
an das Göttliche glauben
die allein, die es selber sind.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Die Heimat
Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom
Von fernen Inseln, wo er geerntet hat;
Wohl möchte auch ich zur Heimat wieder;
Aber was hab ich, wie Leid geerntet?
Ihr holden Ufer, die ihr mich auferzogt,
Stillt ihr der Liebe Leiden? ach! gebt ihr mir,
Ihr Wälder meiner Kindheit, wann ich
Komme, die Ruhe noch einmal wieder?
Johann Christian Friedrich Hölderlin
An die jungen Dichter
Liebe Brüder! es reift unsere Kunst vielleicht,
Da, dem Jünglinge gleich, lange sie schon gegärt,
Bald zur Stille, der Schönheit;
Sein nur fromm, wie der Grieche war!
Liebt die Götter und denkt freundlich der Sterblichen!
Hasset den Rausch, wie den Frost! lehrt, und beschreibet nicht!
Fragt die große Natur um Rat.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Besuch
Der Blumentopf am Fenster fehlt.
Er ist wohl eingegangen.
Aber die Marionette hängt noch immer
verquer in ihren Fäden.
Ein paar Bücher, die ich nicht kenne.
Aber dein Lächeln ist das alte.
Ein neuer Teppich,
auf dem du gehst wie früher.
Du kaufst noch immer blaue Zahnbürsten,
holst zu weit aus, wenn du dein Ei aufklopfst,
und sprichst das "e" so komisch aus wie eh und je.
Beim Zahnarzt warst du wohl:
Ja, wenn du lachst, sieht man die neue Plombe.
Aber sonst:
Sogar der Abfalleimer ist...
Peter Hohl
Amanda, liebstes Kind,
Du Brustlatz kalter Herzen,
Der Liebe Feuerzeug,
Goldschachtel edler Zier,
Der Seufzer Blasebalg,
Des Trauerns Löschpapier,
Sandbüchse meiner Pein,
Und Baumöl meiner Schmerzen,
Die Speise meiner Lust,
Du Flamme meiner Herzen.
Nachtstülchen meiner Ruh
Der Poesie Clystier
Des mundes Alicant
Der Augen Lustrevier
Der Complimenten sitz
Du Meisterin zu schertzen
Der tugend Quodlibet
Calender meiner Zeit
Du Andachts-fackelchen
Du quell der Fröligkeit
Du tieffer abgrund du
Voll...
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
Blütenreife
I.
Die Blüten schlafen am Baume
In schwüler, flüsternder Nacht,
Sie trinken in duftigem Traume
Die flimmernde, feuchte Pracht.
Sie trinken den lauen Regen,
Den glitzernden Mondenschein,
Sie zittern dem Licht entgegen,
Sie saugen es taumelnd ein:
Sie sprengen die schweigende Hülle
Und gleiten berauscht durch die Luft
Und sterben an der Fülle
Von Glut und Glanz und Duft.
Das war die Nacht der Träume,
Der Liebe schwül gärende Nacht,
Da sind mit den Knospen der Bäume
Auch meine Lieder...
Hugo von Hofmannsthal
Lieben, Hassen, Hoffen, Zagen,
Alle Lust und alle Qual,
Alles kann ein Herz ertragen,
Einmal um das andere Mal.
Aber weder Lust noch Schmerzen,
Abgestorben auch der Pein,
Das ist tödlich deinem Herzen
Und so darfst du mir nicht sein.
Mußt dich aus dem Dunkeln heben,
Wär es auch um neue Qual,
Leben mußt du, liebes Leben,
Leben noch dies eine Mal!
Hugo von Hofmannsthal
Unser Leiden, unsre Wonnen
Spiegelt uns die Allnatur,
Ewig gilt es unsrer Spur,
Alles wird zum Gleichnisbronnen.
Erstes Grün der frischen Flur
Mahnst an Neigung zart begonnen,
Heißes Sengen reifer Sonnen
Bist der Liebe Abglanz nur!
Schlingt sich um den Baum die Winde,
Denken wir an uns aufs neue,
Sehnen uns nach einer Treue,
Die uns fest und zärtlich binde ...
Und wir fühlen uns verwandt,
Wie wir unser Bild erkannt.
Hugo von Hofmannsthal
»Zukunftsmusik«
Heiligen Mitleids rauschende Wellen,
Klingend an jegliches Herze sie schlagen;
Worte sind Formeln, die können's nicht sagen,
Können nicht fassen die Geister, die hellen.
Frei sind die Seelen, zu jubeln, zu klagen,
Ahnungen dämmern und Kräfte erschwellen:
Töne den Tönen sich zaubrisch gesellen:
Gilt es dem Heute, dem kommenden Tage?
Wer will es deuten, – ein gärendes Wühlen,
Regellos göttlich, – wer will erlauschen
Heldenhaft höchstes und heißestes Fühlen,
Feuerlodern und...
Hugo von Hofmannsthal
Nimm dich in acht!
Seltsame Kreise
Spinnen sich leise
Aus klagenden Augen
Und sie saugen
An deinem Glück!
Einen Andern
Hätten die Kreise
Golden umgeben,
Kraft ihm entzündend,
Liebe verkündend;
Dich aber quälen sie,
Schweigend erzählen sie
Dir von Entbehrung,
Die du verschuldet hast,
Dir von Entehrung,
Die du geduldet hast,
Und von Wünschen, unerfüllbar,
Und von Sehnsucht, die unstillbar
Ihr betrognes Herz durchbebt,
Wie die Ahnung des Verlornen,
Die um blasse Kinderwangen...
Hugo von Hofmannsthal
Den Pessimisten
Solang uns Liebe lockt mit Lust und Plagen,
Solang Begeist'rung wechselt und Verzagen,
Solange wird auf Erden nicht die Zeit,
Die schreckliche, die dichterlose tagen:
Solang in tausend Formen Schönheit blüht,
Schlägt auch ein Herz, zu singen und zu sagen,
Solang das Leid, das ew'ge, uns umflicht,
Solange werden wir's in Tönen klagen,
Und es erlischt erst dann der letzte Traum,
Wenn er das letzte Herz zu Gott getragen!
Hugo von Hofmannsthal
Das kleine Stück Brot ...
Das kleine Stück Brot
Die Blume blaßrot
Und die Decke von Deinem Bette
Wenn ich die drei nur hätte.
Hätt ich das Brot nur immer noch
Davon Du lachend abgebissen
So spürt ich auch den leisen Druck
Von all den fortgeflogenen Küssen.
Wär nicht die Blume ganz verfallen
Hätt irgendwo ein Ding Bestand
Müßt immer wie ein kleiner Vogel
Dein Herz mir klopfen in der Hand.
Und wäre nur die Decke mein
Wie lieb und schläfrig, los vom Mieder
Muß in ihr hingebreitet sein
Die Ahnung...
Hugo von Hofmannsthal
Was ist die Welt?
Was ist die Welt? Ein ewiges Gedicht,
Daraus der Geist der Gottheit strahlt und glüht,
Daraus der Wein der Weisheit schäumt und sprüht,
Daraus der Laut der Liebe zu uns spricht,
Und jedes Menschen wechselndes Gemüth,
Ein Strahl ist's, der aus dieser Sonne bricht,
Ein Vers, der sich an tausend and're flicht,
Der unbemerkt verhallt, verlischt, verblüht.
Und doch auch eine Welt für sich allein,
Voll süß-geheimer, nie vernomm'ner Töne,
Begabt mit eig'ner, unentweihter...
Hugo von Hofmannsthal