Lebens Zitate (Seite 175)
Seelenkampf
Zwei Stimmen kommen nie zur Ruh',
Der Seelenkampf währt unergründet:
Es gibt Vernunft den Gott nicht zu,
Den Liebe träumt und laut verkündet.
Du hast dem Zwist dein Ohr gegeben.
Es ist mein traurig' Los, wie deins,
Mit diesem Widerstreit zu leben.
"Kein Vater leitet diese Welt",
Sagt der Verstand, der urteilsschroffe,
"Hier, wo das Böse recht behält",
Da spricht das Herz: "Ich glaub' und hoffe."
Mit etwas Liebe kommt man weit.
Hoff' auch und glaub' ihn, den ich preise,
Ich spüre...
Sully Prudhomme
Ziellose Liebe
Die wüsten Wasser durchschneidet der Kiel.
Wohin ich fahre – mein fernes Ziel,
ich kenne es nicht, und die Nacht so schwer
und so dunkel – das Leben so dunkel und leer. –
Ein Licht am Ufer – der Sapphosprung!
Da steigt sie auf, so leuchtend und jung,
ich seh ihre ragende Lichtgestalt –
ihr letzter Sehnsuchtsschrei verhallt.
Die Liebe, die Liebe – einziges Ziel,
mit ihr alle Stürme Kinderspiel.
Der Sappho Schrei, wie lange vergellt.
Am Felsen der Sehnsucht alles zerschellt!
Hermione von Preuschen
Du greifst in deines eigenen Schicksals Speichen
Du greifst in deines eigenen Schicksals Speichen
mit Kinderhand,
wähnst goldene Liebeskronen zu erreichen,
erhaschst nur Tand.
Zerstörst vom reinsten Glück die heiligen Blüten
mit täppischer Faust –
und lebst dein Leben – Trug und Wahn zu hüten –,
bis es verbraust!
Hermione von Preuschen
Verschiedenes Maß
"Sieh dort", so sprach der Optimist,
"In goldner Frühlingssonne Blitzen
Auf einem Häufchen Pferdemist
In Eintracht sieben Spatzen sitzen.
Wie reich ist doch der Schöpfungsplan,
Und alles muß zum Besten taugen;
Was hier ein Großer abgetan,
Das können sieben Kleine brauchen!"
"Sieh dort hin", sprach der Pessimist,
"Und faß solch Bild dir in Gedanken:
Wie sich um dreckigen Pferdemist
Die sieben ruppigen Vögel zanken.
Das ist des Lebens großer Zug,
Von einem bis zum andern...
Rudolf Presber
Ich sah dich an
Ich sah dich an. Von fernen Sommertagen
Will sich dem Blick ein deutlich Bild entwirr'n.
Du hast dein Sehnen schwer mit dir getragen –
Nun ward es still um deine müde Stirn.
Du hast begraben Hoffen viel und Glauben,
Baust fern den Märkten dir dein einsam Haus;
Und deine Wünsche ruhn, wie weiße Tauben,
Nach Flug und Sturm in schatt'gen Wipfeln aus.
In deinen schmalen Fingern seltsam Leben,
In ihrem Wirken ein verborgner Sinn,
Als ob aus der Vergangenheit Geweben
Die Fäden...
Rudolf Presber