Leben Leben Zitate (Seite 196)
Zwischen Gräben und grauen Hecken,
den Rockkragen hoch, die Hände in den Taschen,
schlendre ich durch den frühen Märzmorgen.
Falbes Gras, blinkende Lachen und schwarzes Brachland
so weit ich sehn kann.
Dazwischen,
mitten in den weissen Horizont hinein,
wie erstarrt,
eine Weidenreihe.
Ich bleibe stehn.
Nirgends ein Laut. Noch nirgends Leben.
Nur die Luft und die Landschaft.
Und sonnenlos, wie den Himmel, fühl ich mein Herz!
Plötzlich ein Klang,
Ich starre in die Wolken.
Über mir,...
Hermann Oscar Arno Alfred Holz
Maylied
Der Schnee zerrinnt,
Der May beginnt,
Die Blüthen keimen
Den Gartenbäumen,
Und Vogelschall
Tönt überall.
Pflückt einen Kranz,
Und haltet Tanz
Auf grünen Auen,
Ihr schönen Frauen,
Pflückt einen Kranz,
Und haltet Tanz.
Wer weiß, wie bald
Die Glocke schallt,
Da wir des Mayen
Uns nicht mehr freuen,
Wer weiß, wie bald
Sie, leider, schallt.
Drum werdet froh,
Gott will es so,
Der uns das Leben
Zur Lust gegeben,
Genießt der Zeit,
Die Gott verleyht.
Ludwig Heinrich Christoph Hölty
Andachtsvoll, mit feuchten Augen
Und in nie gefühlter Lust
Leg' ich still zum erstenmale
Meinen Knaben an die Brust.
Nimm mich ganz, geliebter Knabe!
Trink mein Leben, trink mein Blut,
Trink meiner Seele Feuer
Meines Herzens reine Glut!
Glücklos müßte hier mein Fühlen
Funke hier und Knospe bleiben!
Soll, in dich hinüberströmend,
Flamme werden, Blüten treiben.
Mia Holm
Hälfte des Lebens
Mit gelben Birnen hänget
und voll mit wilden Rosen
das Land in den See,
ihr holden Schwäne,
und trunken von Küssen
tunkt ihr das Haupt
ins heilignüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm' ich, wenn
es Winter ist, die Blumen, und wo
den Sonnenschein
und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
sprachlos und kalt, im Winde
klirrren die Fahnen.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Winter
Das Feld ist kahl, auf ferner Höhe glänzet
Der blaue Himmel nur, und wie die Pfade gehen,
Erscheinet die Natur, als Einerlei, das Wehen
Ist frisch, und die Natur von Helle nur umkränzet.
Der Erde Stund ist sichtbar von dem Himmel
Den ganzen Tag, in heller Nacht umgeben,
Wenn hoch erscheint von Sternen das Gewimmel,
Und geistiger das weit gedehnte Leben.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Spottet ja nicht des Kinds, wenn es mit Peitsch und Sporn
Auf dem Rosse von Holz mutig und groß sich dünkt,
Denn, ihr Deutschen, auch ihr seid
Tatenarm und gedankenvoll.
Oder kömmt, wie der Strahl aus dem Gewölke kömmt,
Aus Gedanken die Tat? Leben die Bücher bald?
O ihr Lieben, so nimmt mich,
Daß ich büße die Lästerung.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Der Frühling
Es kommt der neue Tag aus fernen Höhn herunter,
Der Morgen der erwacht ist aus den Dämmerungen,
Er lacht die Menschheit an, geschmückt und munter,
von Freuden ist die Menschheit sanft durchdrungen.
Ein neues Leben will der Zukunft sich enthüllen,
Mit Blüten scheint, dem Zeichen froher Tage,
Das große Tal, die Erde sich zu füllen,
Entfernt dagegen ist zur Frühlingszeit die Klage.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Menschenbeifall
Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
seit ich liebe? Warum achtetet ihr mich mehr,
da ich stolzer und wilder,
wortereicher und leerer war?
Ach, der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,
und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
an das Göttliche glauben
die allein, die es selber sind.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Was müssen das für selige Tage
sein, da wir auf ewig vereint
so ganz für einander leben,
was werd ich da an dir haben.
Du wirst mich aufheitern in
trüben Stunden.
Du wirst mir die Lasten,
die ich zu tragen habe, versüßen.
Du wirst mich mit der Welt
versöhnen, wann ich beleidigt bin.
Du wirst mir alles, alles sein.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Zuweilen kommen niegeliebte Frauen
Zuweilen kommen niegeliebte Frauen
Im Traum als kleine Mädchen uns entgegen
Und sind unsäglich rührend anzuschauen,
Als wären sie mit uns auf fernen Wegen
Einmal an einem Abend lang gegangen,
Indes die Wipfel atmend sich bewegen
Und Duft herunterfällt und Nacht und Bangen,
Und längs des Weges, unsres Wegs, des dunkeln,
Im Abendschein die stummen Weiher prangen
Und, Spiegel unsrer Sehnsucht, traumhaft funkeln,
Und allen leisen Worten, allem Schweben
Der...
Hugo von Hofmannsthal
Dichter sprechen
Nicht zu der Sonne frühen Reise,
Nicht wenn die Abendwolken landen,
Euch Kindern, weder laut noch leise,
Ja, kaum uns selber sei's gestanden,
Auf welch geheimnisvolle Weise
Dem Leben wir den Traum entwanden
Und ihn mit Weingewinden leise
An unsres Gartens Brunnen banden.
Hugo von Hofmannsthal
Wohl mir, mein müder Geist
Wird wieder Staub,
Wird, wie der Weltlauf kreist,
Wurzel und Laub;
Wird sich des keimenden Daseins freuen,
Frühlingstriebe still erneuen,
Saftige Früchte zur Erde streuen;
Freilich sein spreitendes Dach zu belauben,
Wird er andern die Säfte rauben,
Andern stehlen Leben und Lust:
Wohl mir, er frevelt unbewußt!
Hugo von Hofmannsthal
Dichter im Lorbeerkranz,
Betrogner Betrüger,
Wärmt dich dein Ruhmesglanz,
Macht er dich klüger?!
Deuten willst du das dämmernde Leben,
Im Herzen erlösen das träumende Streben?
Kannst du denn noch verstehen,
Was du selber gestern gedacht,
Kannst du noch einmal fühlen
Den Traum der letzten Nacht?
Wenn deine Seele weinet,
Weißt du denn auch warum?
Dir ahnt und dünkt und scheinet, -
Oh, bleibe lieber stumm.
Denn was dein Geist, von Glut durchzuckt, gebar,
Eh du's gestaltet, ist's schon nicht mehr...
Hugo von Hofmannsthal
Merkst du denn nicht, wie meine Lippen beben?
Kannst du nicht lesen diese bleichen Züge,
Nicht fühlen, daß mein Lächeln Qual und Lüge,
Wenn meine Blicke forschend dich umschweben?
Sehnst du dich nicht nach einem Hauch von Leben,
Nach einem heißen Arm, dich fortzutragen
Aus diesem Sumpf von öden, leeren Tagen,
Um den die bleichen, irren Lichter weben?
So las ich falsch in deinem Aug, dem tiefen?
Kein heimlich Sehnen sah ich heiß dort funkeln?
Es birgt zu deiner Seele keine Pforte
Dein feuchter...
Hugo von Hofmannsthal