Jahr Zitate (Seite 28)
Ein Jahr versinkt im Zeitenstrom,
sinkt tief bis auf den Grund.
Ein neues hebt sich leise schon,
erwartet seine Stund'.
Was einmal war, kehrt nimmermehr
herauf ans Tageslicht,
ruht auf dem Grunde felsenschwer,
die Flut sich daran bricht.
Noch widersteht der Fels am Grund
von starker Flut umspült,
noch wirkt sein Dasein, tut sich kund
im Wirbel, der zum Tag sich wühlt.
So strömt es fort, und unentwegt
zerschleift das Felsgestein,
bis Gegenkraft sich leiser regt
und aller Grund wird...
Carl Peter Fröhling
Und wieder hier draußen ein neues Jahr -
Was werden die Tage bringen?!
Wird's werden, wie es immer war,
Halb scheitern, halb gelingen?
Wird's fördern das, worauf ich gebaut,
Oder vollends es verderben?
Gleichviel, was es im Kessel braut,
Nur wünsch' ich nicht zu sterben.
Ich möchte noch wieder im Vaterland
Die Gläser klingen lassen
Und wieder noch des Freundes Hand
Im Einverständnis fassen.
Ich möchte noch wirken und schaffen und tun
Und atmen eine Weile,
Denn um im Grabe auszuruhn,
Hat's...
Theodor Fontane
Noch ist Herbst nicht ganz entflohn,
Aber als Knecht Ruprecht schon
Kommt der Winter hergeschritten,
Und alsbald aus Schnees Mitten
Klingt des Schlittenglöckleins Ton.
Und was jüngst noch, fern und nah,
Bunt auf uns herniedersah,
Weiß sind Türme, Dächer, Zweige,
Und das Jahr geht auf die Neige,
Und das schönste Fest ist da.
Tag du der Geburt des Herrn,
Heute bist du uns noch fern,
Aber Tannen, Engel, Fahnen
Lassen uns den Tag schon ahnen,
Und wir sehen schon den Stern.
Theodor Fontane
Aber wir lassen es andere machen
Ein Chinese ('s ist schon an 200 Jahr)
In Frankreich auf einem Hofball war.
Und die einen frugen ihn: ob er das kenne?
Und die andern frugen ihn: wie er das nenne?
»Wir nennen es tanzen«, sprach er mit Lachen,
»Aber wir lassen es andere machen.«
Und dieses Wort seit langer Frist,
Mir immer in Erinnerung ist.
Ich seh' das Rennen, ich seh' das Jagen,
Und wenn mich die Menschen umdrängen und fragen,
So sag ich: »Alles hat seine Zeit.
Auch die Jagd nach dem...
Theodor Fontane
Spätherbst
Schon mischt sich Rot in der Blätter Grün,
Reseden und Astern sind im Verblühn,
Die Trauben geschnitten, der Hafer gemäht,
Der Herbst ist da, das Jahr wird spät.
Und doch (ob Herbst auch) die Sonne glüht, –
Weg drum mit der Schwermut aus deinem Gemüt!
Banne die Sorge, genieße, was frommt,
Eh' Stille, Schnee und Winter kommt.
Theodor Fontane
Ein Anderes an der Freunde Einen
Laß den Tag deine sein, doch deine nicht alleine:
gib uns ein Teil davon, uns, die wir auch sind deine,
als wie du unser bist! Verschleiß' die liebe Zeit
mit angenehmer Lust und leichter Fröhlichkeit!
Wir sind bereit darzu, in was wir nur vermügen,
dich mit auch gleicher Gunst und Liebe zu vergnügen.
Schon' keine Kosten nicht, und denke dies darbei,
daß in dem ganzen Jahr' ein solcher Tag nur sei!
Paul Fleming (Flemming)
Man schreit und lärmt und ereifert sich,
man findet es dumm und lächerlich
und gegen allen Anstand und Brauch,
man ruft die Polizei zu Hilfe,
und diese kommt und verbietet es auch
und sperrt die Straßen und rasselt mit Ketten
und tut, soviel sie irgend kann,
die bedrohte Bürgerruhe zu retten.
Und ein paar Jahre später, gib acht,
ist alles, worob man den Lärm gemacht,
wofür man ereifert sich und erregt,
wogegen man Himmel und Hölle bewegt …
kein Mensch weiß, wie es eigentlich kam:
so...
Cäsar Otto Hugo Flaischlen
Erinnerung
Der Morgen weht mit zarten Lüften,
Und spielt mit Gras und Blatt und Blüt',
Und haucht aus tausend süßen Düften
Erinnerung in mein Gemüt.
Wie bald verweht des Lebens Morgen!
Kein Frühling macht uns wieder jung.
Was bleibt uns zwischen Pein und Sorgen
Als du – als du, Erinnerung?
Momente kommen gut und herzlich,
Und man vergißt das schlimme Jahr,
Ach, man gedenkt entzückend-schmerzlich
Der Stunden, die man glücklich war.
Das Leben ist ein Kranz von Blüten,
Tief zwischen Dornen...
Ernst Freiherr von Feuchtersleben
Erkenntnis
Es braucht wohl Jahre, um zu seh’n,
daß vieles gar nicht wichtig,
wer wenig hat – würd’ untergeh’n,
so meint man, wäre richtig.
Erst wenn der Jugend Sturm gelegt,
dann zieht man die Bilanz,
das Leben – uns dann klar belegt,
der Reichtum war nur Glanz.
Von tausend Dingen ringsumher
hat vieles keinen Sinn,
es macht nur unser Leben schwer,
es bleibt auch kein Gewinn.
Gewonnen hat – wer völlig frei
von Lasten dieser Welt,
man lernt auch den Verzicht dabei,
um den es...
Klaus Ender
Auf einer Burg
Eingeschlafen auf der Lauer
Oben ist der alte Ritter;
Drüber gehen Regenschauer,
Und der Wald rauscht durch das Gitter.
Eingewachsen Bart und Haare,
Und versteinert Brust und Krause,
Sitzt er viele hundert Jahre
Oben in der stillen Klause.
Draußen ist es still und friedlich,
Alle sind ins Tal gezogen,
Waldesvögel einsam singen
In den leeren Fensterbogen.
Eine Hochzeit fährt da unten
Auf dem Rhein im Sonnenscheine,
Musikanten spielen munter,
Und die schöne Braut die weinet.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff