Herbst Zitate (Seite 3)
Ein Augenblick tiefen Ahnens
Ich sitze im Garten des Sommers.
hab Blumen um mich und Grün,
der Wind liebkost meine Wangen,
ich sehe die Wolken ziehn.
Kein Lärm durchdringt diesen Frieden
des ruhigen Plätzchens hier,
von drüben nur leise Töne –
das Nachbarkind übt Klavier.
Da rieseln die Blätter der Birke
auf einmal zu mir herab,
und goldene Flammenherzen
bedecken ihr moosiges Grab.
Ein Augenblick tiefen Ahnens
erfüllt meine schmerzende Brust:
der Herbst kommt schon früher als morgen.
Ich hab...
Ingrid Streicher
Geliebte Stille
Alleine
durch den Tannwald gehn
und nur des Windes Rauschen
in den Wipfeln hörn,
den eignen Schritt
im Schnee;
am Morgen
nach den Blumen sehn
im taubenetzten Garten,
eh noch die Sonne steigt;
im Herbst
über die Felder wandern,
den Kragen hoch gestellt,
und Aug in Aug
dem Reh …
Geliebte Stille.
Wie vermiss ich dich,
wenn ich durchs Leben geh.
Ingrid Streicher
Über die Heide
Über die Heide hallet mein Schritt;
dumpf aus der Erde wandert es mit.
Herbst ist gekommen, Frühling ist weit –
gab es denn einmal selige Zeit?
Brauende Nebel geistern umher;
schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.
Wär' ich hier nur nicht gegangen im Mai!
Leben und Liebe – wie flog es vorbei!
Theodor Storm
Von unserer Liebe
Die Liebe, die in uns ist, ist so tief,
Daß alle Stunden ganz von ihr umsponnen,
Als hätte unser Leben erst begonnen
An jenem Tag, da sie uns beide rief.
Sie wird gleichwie ein warmer, heller Schein
Mit uns auf allen Wegen gehen,
Und wenn wir einst im welken Herbste stehen,
Wird sie verblüht, doch niemals häßlich sein.
Und wie wir denken, wenn ihr weißes Haar
Anmutig schöne, greise Frauen tragen,
Wird man von unserer alten Liebe sagen:
"Man sieht noch jetzt, wie schön sie...
Friedl Schreyvogel
Nebeltag
Vorbei nun ist es mit den blauen Tagen,
es senkt der Herbst die graue Schlußgardine;
vom Garten, der einst Rosenpracht getragen,
dringt Grabesduft verblühter Balsamine.
Ein letztes Ideal ward mir zerschlagen,
Brief zuckt auf Brief verflammend im Kamine;
indessen Schauer überm Parke jagen,
pfeift hell der Sturm die Abschiedskavatine.
Mir ahnt es trüb: wer um das Glück der Erden
sein Herzblut gab, den trösten nur hinferne
noch Arbeitslämpchen und Kamingefunkel.
Denn alle Wonnen, die...
Prinz Emil von Schoenaich-Carolath-Schilden
Mißdeutung
(Im Herbst 1819)
Der Bundestag hat wie ein Leu gebrüllt.
Seid ihr von Grausen, Deutsche, nicht erfüllt?
Macht euch gefaßt auf unerhörte Dinge!
Er geht umher und sucht, wen er verschlinge.
Nicht doch! Es war kein Brüllen, wie ihr wähnt.
Der Bundestag hat nur sehr laut gegähnt;
Denn auf der Bärenhaut der Protokolle
Sich wälzend, spielt er schlafend seine Rolle.
August Wilhelm von Schlegel
Was ist ein Weib? Die Mutter allen Lebens,
Ein Rosenstrauch, der tausend Knospen trägt,
Der Aufblick jenes edlen kühlen Strebens,
Ein Blumenbeet, das tausend Keime hegt;
Ein stiller See, aus dem die zweite Sonne
So hell, wie die vom Dom des Himmels, grüßt;
Ein lieblich Tal, das zweier Seelen Wonne
Mit seines Friedens süßem Traum umschließt;
Ein milder Sommerhauch in Herbstes Tagen;
Im Winterfrost ein warmer Frühlingsstrahl;
Ein lichter Trost, wenn traurig und zerschlagen
Die Seele ringt in...
Otto Schlapp
Im Herbst
Durch die Wälder streif' ich munter,
Wenn der Wind die Stämme rüttelt
Und im Rascheln bunt und bunter
Blatt auf Blatt herunterschüttelt.
Denn es träumt bei solchem Klange
Sich gar schön vom Frühlingshauche,
Von der Nachtigall Gesange,
Und vom jungen Grün am Strauche.
Lustig schreit' ich durchs Gefilde,
Wo verdorrte Disteln nicken,
Denk' an Maienröslein milde
Mit den morgenfrischen Blicken.
Nach dem Himmel schau' ich gerne,
Wenn ihn Wolken schwarz bedecken;
Denk' an tausend liebe...
Friedrich von Sallet
Herbstlese
Schon blicken rote Wipfel
Aus fahlem Laub hervor,
Leis' um der Berge Gipfel
Wallt lichter Nebelflor.
Schon folgt dem Schnitterreigen
Des Jägers rascher Schuß –
Doch reift's noch an den Zweigen
Im letzten Sonnenkuß.
Bald nahen frohe Hände,
Sie schütteln Ast um Ast,
Sie brechen vom Gelände
Der Trauben süße Last.
Denn so ist's allerwegen:
Daß für des Sommers Fleiß
Mit köstlich reichem Segen
Der Herbst zu lohnen weiß.
Doch was ist dir beschieden,
Der du die Zeit verträumt,
Der du, zu...
Ferdinand von Saar
Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.
Friedrich Rückert
Herbstliche Wege
Des Sommers weiße Wolkengrüße
zieh'n stumm den Vogelschwärmen nach,
die letzte Beere gärt voll Süße,
zärtliches Wort liegt wieder brach.
Und Schatten folgt den langen Wegen
aus Bäumen, die das Licht verfärbt,
der Himmel wächst, in Wind und Regen
stirbt Laub, verdorrt und braun gegerbt.
Der Duft der Blume ist vergessen,
Frucht birgt und Sonne nun der Wein
und du trägst, was dir zugemessen,
geklärt in deinen Herbst hinein.
Joachim Ringelnatz