Gut Zitate (Seite 43)
Alles wankt und alles sinket,
Was der Mond beglänzt, vergeht,
Und die Rose, die am Morgen winket,
Ist oft, eh' der Abend thaut, verweht!
Nur des Herzens stillen Frieden
Störet nicht der Schicksalsstürme Wuth,
Und dies bessere Glück ist dir beschieden,
Denn dein Herz ist rein und gut.
Gerhard Adam Neuhofer
Autodafé
Welke Veilchen, stäub'ge Locken,
Ein verblichen blaues Band,
Halb zerrissene Billette,
Längst vergeßner Herzenstand -
In die Flammen des Kamines
Werf ich sie verdroßnen Blicks;
Ängstlich knistern diese Trümmer
Meines Glücks und Mißgeschicks.
Liebeschwüre, flatterhafte
Falsche Eide, in den Schlot
Fliegen sie hinauf - es kichert
Unsichtbar der kleine Gott.
Bei den Flammen des Kamines
Sitz ich träumend, und ich seh,
Wie die Fünkchen in der Asche
Still verglühn -...
Johann Nepomuk Nestroy
Allen Bruder sein!
Allen helfen, dienen!
Ist, seit Er erschienen,
Ziel allein!
Auch dem Bösewicht,
Der uns widerstrebet!
Er auch ward gewebet
Einst aus Licht.
"Liebt das Böse – gut!"
Lehren tiefe Seelen.
Lernt am Hassen stählen –
Liebesmut!
Brüder – hört das Wort!
Daß es Wahrheit werde –
Und dereinst die Erde
Gottes Ort!
Christian Morgenstern
Es kommen zu Palmström heute
die wirklich praktischen Leute,
die wirklich auf allen zehn Zehen
im wirklichen Leben stehen.
Sie klopfen ihm auf den Rücken
und sind in sehr vielen Stücken -
so sagen sie - ganz die Seinen.
Doch wer, der mit beiden Beinen
im wirklichen Leben stände,
der wüsste doch und befände,
wie viel, so gut auch der Wille,
rein idealistische Grille.
Sie schütteln besorgt die Köpfe
und drehn ihm vom Rock die Knöpfe
und hoffen zu postulieren:
er wird auch einer der Ihren,
ein...
Christian Morgenstern
Auf dem Fliegenplaneten
Auf dem Fliegenplaneten,
da geht es dem Menschen nicht gut:
denn was er hier der Fliege,
die Fliege ihm dort tut.
An Bändern voll Honig kleben
die Menschen dort allesamt,
und andre sind zum Verleben
in süßliches Bier verdammt.
In Einem nur scheinen die Fliegen
dem Menschen vorauszustehn:
Man bäckt uns nicht in Semmeln,
noch trinkt man uns aus Versehn.
Christian Morgenstern
Einem Tagelöhner
Lange Jahre sah ich dich
führen deinen Spaten,
und ein jeder Schaufelstich
ist dir wohl geraten.
Nie hat dir des Lebens Flucht
bang gemacht, ich glaube –
sorgtest für die fremde Frucht,
für die fremde Traube.
Nie gelodert hat die Glut
dir in eignem Herde,
doch du fußtest fest und gut
auf der Mutter Erde.
Nun hast du das Land erreicht,
das du fleißig grubest,
laste dir die Scholle leicht,
die du täglich hubest!
Conrad Ferdinand Meyer
Morgengebet
Heute - bisher - oh Herr
habe ich mich gut verhalten:
Ich habe nicht geklatscht
oder meine Geduld verloren,
Ich war weder habgierig
noch egoistisch oder faul,
Ich war nicht mürrisch, böse oder
übermäßig genußsüchtig.
Darüber bin ich wirklich erfreut
Aber - in wenigen Minuten,
oh Gott
steige ich aus meinem Bett,
und von da an brauche ich
möglicherweise eine Menge Hilfe.
Amen.
Willy Meurer
Des Kindes Seligkeit
Ich schlafe ein an meiner Mutter Brust;
o welche Wonne, welche selge Lust!
Die Mutter ist so fromm; sie ist so rein,
und ich will so wie sie auch immer sein.
Ich schlafe ein an meiner Mutter Brust;
o welche Wonne, welche selge Lust!
Sie ist so lieb; sie ist so mild, so gut;
ich sag ihr Alles, was mir wehe tut.
Ich schlafe ein an meiner Mutter Brust;
o welche Wonne, welche selge Lust!
Geht sie dereinst in Gottes Himmel ein,
wird sie mein Engel, o mein Engel sein!
Karl May
Ein kleines Wunder
da sitzt er nun
nur noch zwei Zähne im Mund
der Bart
hat schon drei Tage gesehen
fast 90 ist er
so alt
so jung
früher
war er wohl mal
ein gut aussehender Mann
jetzt
ist er schön
da sitzt er
lässig ins Sofa gelehnt
wendet den Blick nicht
schaut nur sie an
mit einem Lächeln
ach ich weiss nicht wie
ein Lächeln
wie man wohl nur lächeln kann
wenn man fast 90 ist
und die Frau
um die es hier geht
sitzt zwei Meter weiter
mit dem Rücken zu ihm
im Rollstuhl
sie sieht es nicht
dieses...
Anke Maggauer-Kirsche