Drs Zitate (Seite 5)
Das erste Grün
Du junges Grün nach Wintertagen
Du Gruß vom jungen Frühlingsmorgen,
Du sproßtest auf, um mir zu sagen:
Gib nun den Winden Gram und Sorgen
Und froh klopft dir mein Herz entgegen,
Du lehrst es wieder gläubig hoffen;
Die Erde träuft von Gottes Segen,
Und drüber steht der Himmel offen.
Julius Karl Reinhold Sturm
Im März
Plop – plop – plop –
es tropft vom Dach,
das letzte Eis zerrinnt;
und auf der Wiese
drängt mit Macht
aus harter Kruste
zartes Grün.
Die Sonne streift
mit sanfter Hand –
wie eine Mutter
ihres Kindes Scheitel –
das Feld, den Wald,
geliebtes Land.
Die Träne fließt:
das Eis wird Wasser,
das Wasser braust
wie Donnerhall
über die Felsenwand
und braust und rauscht
und fällt ins Tal.
Ingrid Streicher
Frühlingsbeginn
Tief unter meinem Fenster
glitzern die raschen Wellen des Flusses,
und drüben, auf den sanften Höhn,
liegt wieder Schnee.
Auch hier, an meinem Ufer,
sind die Wälder weiß,
die Buchen beugen sich schwer
unter eisiger Last.
Die zarten Blüten, die heuer zu früh
ihren bewunderten Auftritt hatten,
sie leuchten wie bebende Flammen
aus Morgen und Grau.
Ein wenig mehr Wärme
wünsch ich mir vom Lenze,
daß sie sich erretten
ihr Rot, Gelb und Blau!
Ingrid Streicher
Ein Augenblick tiefen Ahnens
Ich sitze im Garten des Sommers.
hab Blumen um mich und Grün,
der Wind liebkost meine Wangen,
ich sehe die Wolken ziehn.
Kein Lärm durchdringt diesen Frieden
des ruhigen Plätzchens hier,
von drüben nur leise Töne –
das Nachbarkind übt Klavier.
Da rieseln die Blätter der Birke
auf einmal zu mir herab,
und goldene Flammenherzen
bedecken ihr moosiges Grab.
Ein Augenblick tiefen Ahnens
erfüllt meine schmerzende Brust:
der Herbst kommt schon früher als morgen.
Ich hab...
Ingrid Streicher
Du willst es nicht in Worten sagen,
Doch legst dus brennend Mund auf Mund,
Und deiner Pulse tiefes Schlagen
Tut liebliches Geheimnis kund.
Du fliehst vor mir, du scheue Taube,
Und drückst dich fest an meine Brust,
Du bist der Liebe schon zum Raube
Und bist dir kaum des Worts bewußt.
Du biegst den schlanken Leib mir ferne,
Indes dein roter Mund mich küßt;
Behalten möchtest du dich gerne,
Da du doch ganz verloren bist.
Du fühlst, wir können nicht verzichten;
Warum zu geben scheust du noch?
Du...
Theodor Storm
Begrabenes Glück
Mitunter weicht von meiner Brust,
Was sie bedrückt seit deinem Sterben;
Es drängt mich, wie in Jugendlust,
Noch einmal um das Glück zu werben.
Doch frag' ich dann: was ist das Glück?
So kann ich keine Antwort geben,
Als die, daß du mir kämst zurück,
Um so wie einst mit mir zu leben.
Dann seh' ich jenen Morgenschein,
Da wir dich hin zur Gruft getragen;
Und lautlos schlafen die Wünsche ein,
Und nicht mehr will ich das Glück erjagen.
Theodor Storm
Geflüster der Nacht
Es ist ein Flüstern in der Nacht,
Es hat mich ganz um den Schlaf gebracht;
Ich fühl's, es will sich was verkünden
Und kann den Weg nicht zu mir finden.
Sind's Liebesworte, vertrauet dem Wind,
Die unterwegs verwehet sind?
Oder ist's Unheil aus künftigen Tagen,
Das emsig drängt sich anzusagen?
Theodor Storm
Die Stadt
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohne Unterlass;
Die Wanderganz mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
Theodor Storm
Heimliche Liebe
Es ist genug der Hände Drücken
Der Füße Tritt, der Augen Nicken,
Wenn, Liebchen, wir bei Leuten sind.
Hör' auf mit weitern Liebeswerken;
Man will es fast zu deutlich merken,
Daß wir uns lieben, gutes Kind.
Sind wir dann insgeheim beisammen,
So lüste frei die heißen Flammen;
Bin ich doch, Närrchen, allzeit dein.
Dann können wir uns satt ja küssen
Und, was wir je zuweilen missen,
Mit Wucher bringen wieder ein.
Karl Stieler
Lebens-Banner
Wohl drängen nach den schönem Räumen
Die Menschen all in edlem Streit,
Indem ihr Streben, Tun und Träumen
Sich glühend um ein Banner reiht.
Zwar lassen diese Pilgerschwärme
Das Banner fallen oft im Lauf
Und raffen mit vertauschter Wärme
Ein neues zeitentsprechend auf.
Erkennst du gleich, daß jede Fahne
Ein Bild erhabnen Wähnens sei,
Geselle dich dem schönen Wahne
Als liebevoller Denker bei.
Er wird zum Genius sich klären,
Der sich zu dir mit Liebe senkt
Und deine...
Johann Fercher von Steinwand