Des Lebens Zitate (Seite 27)
Alter
Das aber ist des Alters Schöne,
daß es die Saiten reiner stimmt,
daß es der Lust die grellen Töne,
dem Schmerz den herbsten Stachel nimmt.
Ermessen läßt sich und verstehen
die eigne mit der fremden Schuld,
und wie auch rings die Dinge gehen,
du lernst dich fassen in Geduld.
Die Ruhe kommt erfüllten Strebens,
es schwindet des verfehlten Pein -
und also wird der Rest des Lebens
ein sanftes Rückerinnern sein.
Ferdinand von Saar
Unstete Waage des Lebens
immer schwankend, wie selten
wagt ein geschicktes Gewicht
anzusagen die immerfort andre
Last gegenüber.
Drüben, die ruhige
Waage des Todes.
Raum auf den beiden
verschwisterten Schalen.
Gleichviel Raum. Und daneben,
ungebraucht,
alle Gewichte des Gleichmuts,
glänzen, geordnet.
Rainer Maria Rilke
Bald vergehn des Lebens Herrlichkeiten,
Bald entflieht das Traumbild eitler Macht,
Bald versinkt im schnellen Lauf der Zeiten,
Was die Erde trägt in öde Nacht.
Lorbeern, die des Siegers Stirn umkränzen,
Thaten, die in Erz und Marmor glänzen,
Urnen, der Erinnerung geweiht,
Und Gesänge der Unsterblichkeit!
Friedrich von Matthisson
Die deutsche Sprache
Dich vor allem, heilige Muttersprache,
Preis ich hoch; denn was mir an Reiz des Lebens
Je gewährt ein karges Geschick, ich hab es
Dir zu verdanken.
Spröde schilt der Stümper dich nur; mir gabst du
Alles; arm an eigenen Schätzen bin ich,
Doch verschwenderisch wie ein König schwelg ich
Stets in den deinen.
Mancher Völker Sprachen vernahm ich; keine
Ist an Farbe, plastischem Reiz, an Reichtum,
Wucht und Tiefe, keine sogar an Wohllaut
Ist dir vergleichbar.
Ja, du bist der...
Heinrich Leuthold
In der Maienfrühe
Lang seufzt ich vergebens,
es war mir im Drang
und Unmut des Lebens
verstummt der Gesang.
Nun bauen die Sänger
des Waldes ihr Nest,
nun halten mich länger
die Sorgen nicht fest.
Die Sorge, die eisig,
das Herz mir umschnürt,
hat alle der Zeisig
und Buchfink entführt.
Welch üppiges Blühen
in Wald und Geheg!
Die Qualen und Mühen,
nun jauchz' ich sie weg.
Früh auf aus dem Bette,
durch Wald und Gesträuch…
Ich pfeif um die Wette,
ihr Vögel, mit eich!
Ich singe und pfeife,
so wie...
Heinrich Leuthold
Um Mitternacht
Um Mitternacht ging ich, nicht eben gerne,
Klein, kleiner Knabe, jenen Kirchhof hin
Zu Vaters Haus, des Pfarrers; Stern am Sterne,
Sie leuchteten doch alle gar zu schön;
Um Mitternacht.
Wenn ich dann ferner in des Lebens Weite
Zur Liebsten mußte, mußte, weil sie zog,
Gestirn und Nordschein über mir im Streite,
Ich gehend, kommend Seligkeiten sog;
Um Mitternacht.
Bis dann zuletzt des vollen Mondes Helle
So klar und deutlich mir ins Finstre drang,
Auch der Gedanke willig, sinnig,...
Johann Wolfgang von Goethe
Nicht Glückes bar sind deine Lenze
Nicht Glückes bar sind deine Lenze,
Du forderst nur des Glücks zu viel;
Gib deinem Wunsche Maß und Grenze,
Und dir entgegen kommt das Ziel.
Wie dumpfes Unkraut laß vermodern,
Was in dir noch des Glaubens ist:
Du hättest doppelt einzufodern
Des Lebens Glück, weil du es bist.
Das Glück, kein Reiter wird's erjagen,
Es ist nicht dort, es ist...
Theodor Fontane
Als siehst Du in ein Buch hinein
Als siehst Du in ein Buch hinein,
Und des blassen Papieres heller Schein
Liegt Dir im Gesicht, und bleich wie Stein
Wird Deine Stirn von des Buches Licht.
So gehst Du im Herbst den Weg, den hellen.
Die Bäume stehen wie wächserne Zellen,
Durchsichtig wie Körbe, lose geflochten,
Vom Licht durchflackert an allen Stellen;
Sie sind gleich Kerzen mit langen Dochten.
Und bleich beschienen von fremden Schmerzen,
Geht jeder unter den Bäumen hin,
Bleich, als trägt er...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Weihnachtslied
Nun bricht die heil'ge Nacht herein
Mit Glockenklang und Kerzenschein,
Und jedem grünen Tannenbaum
Entstrahlt ein lichter Märchentraum.
Wie ziehst du still in meine Brust,
O wundersel'ge Weihnachtslust!
Vor meinen Blicken wird es weit –
Und lächelnd winkt die Jugendzeit.
Sie naht mit leisem Feentritt, –
Ach, alle Wonnen bringt sie mit;
Des Lebens Sorge, Gram und Weh'
Versank in des Vergessens See.
O läutet, Glocken, läutet hell!
Verlöscht! ihr Kerzen, nicht zu schnell!
Im Osten...
Friedrich Dannemann
Die Form ist alles. Sie ist das Geheimnis des Lebens. Gib der Trauer Ausdruck, und sie wird dir teuer. Gib der Freude Ausdruck, und sie vertieft dein Entzücken. Willst du Liebe empfinden? Dann stimme eine Liebeslitanei an, und die Worte werden jene Sehnsucht hervorrufen, von der die Welt glaubt, daß sie ihr entströmen. Zernagt Gram dein Herz? Dann tauche in die Sprache des Grams ein, lerne ihren Ausdruck von Prinz Hamlet und der Königin Constantia, und du wirst entdecken, daß der reine...
Oscar Wilde
Kindliche Wundermärchen über Wandeln auf dem Wasser und Wiederauferstehung eines Toten werden umso eher als Wunder geglaubt, je weniger die eigene Bildung dazu befähigt, die tatsächlichen Wunder des Mikrokosmos des Universums und der unendlich komplizierten Systeme des Lebens auch nur annähernd als solche wahrzunehmen. Was hilft alle Aufklärung, alles Licht, wenn die Leute entweder keine Augen haben oder die, die sie haben, vorsätzlich verschließen.
Georg Christoph Lichtenberg