Alte Zitate (Seite 27)
In seinem Garten wandelt er allein;
In alle Bäume gräbt er immer wieder
Gedankenschwer den einz'gen Namen ein,
Und in dem Namen klagen seine Lieder.
Sanft blaut der Himmel, milde Rosen webt
Die Sommerzeit durch mächt'ge Blättermassen.
Er schaut sie nicht; die Zeit, in der er lebt,
Ist alt, verblüht, von allen längst verlassen.
Theodor Storm
Alles was auf Erden besteht,
beruht auf Ehre und Treue,
wer heut' die alte Pflicht verrät,
verrät morgen auch die neue.
Jede Gabe ist ein Geschenk Gottes,
der Charakter aber ein Produkt der eigenen
Seele, weshalb Gaben entzücken,
Charaktere aber geliebt werden.
Denn nur der ist reich,
der geliebt wird und lieben darf.
Adalbert Stifter
Um Mitternacht
Ein andrer hat das Weib errungen,
Um das ich sang mit süßem Schall;
Er ist der Held, der dich bezwungen,
Doch ich bin deine Nachtigall!
Und wenn ihr beide längst gefunden
Den Schlummer, der mein Auge flieht,
Singt immer noch in nächt'gen Stunden
Die Nachtigall ihr altes Lied.
Zühküt, zühküt – die süßen Grüße
aus der vergangnen Liebeszeit;
Und ihre Sehnsucht, o die süße,
Ist reicher – als ihr beide seid!
Karl Stieler
Der alte Wirt steht vor der Tür,
aufs Glatteis tropft der Regen,
a Fremder, der geht aa grad für,
pumps – is er dorten g'legen.
Jetzt hat der Fremde aufbegehrt:
"Dös Glatteis is so z'wider!"
"Ja", sagte der Wirt, "hab mirs schon denkt:
sie schlagen dorten nieder.
Denn auf dem Fleck san heut schon g'falln
g'weiß zehne, darf i sagen,
i paß jetzt schon die ganze Zeit,
ob sie net aa hinschlagen."
Karl Stieler
Dir gilt es!
Stets werd' ich dich als Menschen achten,
Denn menschlich bist du von Gestalt;
Du kannst mit Händ' und Füßen trachten,
Bist jung und wirst nach Jahren alt.
Doch soll ich dich als Freund umfassen,
So mußt du in der Menschenbrust
Auch etwas lieben, etwas hassen
Und Leid empfinden oder Lust.
Du mußt vermögend sein, zu beten
In jedem wahren Heiligtum,
Mit schöner Ehrfurcht hinzutreten
Vor jeden echten Siegesruhm.
Johann Fercher von Steinwand
Vergangenheit
War's nicht ein schöner Morgen?
War's nicht ein Maientag,
Wo ich, im Glück geborgen,
Im Arm der Liebe lag?
War nicht es sternenhelle,
Und sonnenhell zugleich?
Lag nicht an armer Schwelle
Ein unermeßlich Reich?
Zog nicht vom Himmel nieder
Unsterblich tausendmal
Die Göttin ew'ger Lieder
Mit Kränzen ohne Zahl?
Ihr wiegt das Haupt verneinend,
Zieht mich zur Welt zurück –
Mir selbst gestorben scheinend –
Alt Glück, du bist mein Glück! –
Karl Siebel
Das blanke Gold
Macht Weiß aus Schwarz, aus Häßlich Schön,
Macht Unrecht recht, Schlecht gut, Alt jung, Feig' tapfer;
Es lockt den Priester fort von dem Altare,
Reißt Halbgenes'nen weg das Schlummerkissen.
Ja, dieser gelbe Sklave löst und bindet
Geweihte Bande, segnet den Verfluchten,
Macht selbst den Aussatz lieblich; hilft dem Dieb
Zu Ämtern, Titeln, Ehr- und Anerkennung,
Und schafft der überjähr'gen Witwe Freier.
William Shakespeare
Wenn alles da war, wenn nichts Neues lebt,
So ist der Geist in seiner Hoffnung blind,
Der in den Wehen neuen Schaffens bebt
Und nur nochmals trägt ein vorhandnes Kind.
O, könnten rückwärts meine Augen spähen
Fünfhundert Jahre mit der Sonne Lauf,
Dein Bild in einem alten Buch zu sehen,
Da Schrift zuerst nahm den Gedanken auf;
Gern sähe ich, wie man in alten Tagen
So stolz gefügtes Wunderwerk besang,
Ob jene uns, ob wir sie überragen,
Ob alles gleich blieb in der Zeiten Gang;
Doch sicher weiß...
William Shakespeare
Fünfzehn
Jahre bin ich alt,
enttäuscht,
unglücklich verliebt.
Mein ganzes Weltbild ist mal wieder–
zusammengebrochen.
Alle gleich!
Meine Mutter sieht
mich lächelnd an,
streicht mir über die Haare
und bemerkt kopfschüttelnd:
"Kind, Kind…
Wenn du dich anlehnen willst,
halt dich nicht an einem Mann fest.
Such dir ein Geländer.
Ute Maria Seemann
Frau Tierisch
Die Beste der Bestien
wohnt über mir,
viermal geworfen
von vier Anderen.
Immer wenn sie
die Jungen abspeist,
brüllt sie wies Vieh
vom Balkon die Befehle:
Sitz! Friss! Ab in dein Zimmer!
Nur im Bad wo es so schön
herunterhallt, fließt ihre Scheiße
in die Kanäle für alle.Dort
kommen sie zusammen
wie eine gute alte Familie.
Stefan Schütz
Ewig wechselt der Wille den Zweck und die Regel, in ewig
Wiederholter Gestalt wälzen die Taten sich um.
Aber jugendlich immer, in immer veränderter Schöne
Ehrst du, fromme Natur, züchtig das alte Gesetz,
Immer dieselbe, bewahrst du in treuen Händen dem Manne,
Was dir das gaukelnde Kind, was dir der Jüngling vertraut,
Nährest an gleicher Brust die vielfach wechselnden Alter;
Unter demselben Blau, über dem nämlichen Grün
Wandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Geschlechter,...
Johann Christoph Friedrich von Schiller
Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht;
Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,
Wenn unerträglich wird die Last, greift er
Hinauf getrosten Mutes in den Himmel
Und holt herunter seine ew'gen Rechte,
Die droben hangen unveräußerlich
Und unzerbrechlich, wie die Sterne selbst.
Der alte Urstand der Natur kehrt wieder,
Wo Mensch dem Menschen gegenübersteht.
Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr
Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben.
Johann Christoph Friedrich von Schiller
Hoffnung
Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen,
Nach einem glücklichen, goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung!
Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling locket ihr Zauberschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben,
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf.
Es ist kein leerer...
Johann Christoph Friedrich von Schiller