Emanuel Geibel Zitate über tag
17. Oktober, 1815 – 6. April, 1884
Zitieren Sie diese Seite: ZitierenZitate
Vorüber
O darum ist der Lenz so schön
Mit Duft und Strahl und Lied,
Weil singend über Tal und Höh'n
So bald er weiter zieht;
Und darum ist so süß der Traum,
Den erste Liebe webt,
Weil schneller als die Blüt' am Baum
Er hinwelkt und verschwebt.
Und doch! Er läßt so still erwärmt,
So reich das Herz zurück;
Ich hab' geliebt, ich hab' geschwärmt,
Ich preis' auch das als Glück.
Gesogen hab' ich Strahl auf Strahl
Ins Herz den kurzen Tag;
Die schöne Sonne sinkt zu Tal.
Nun komm', was kommen...
Emanuel Geibel
Lied des Mädchens
Laß schlafen mich und träumen,
Was hab' ich zu versäumen
In dieser Einsamkeit!
Der Reif bedeckt den Garten,
Mein Dasein ist ein Warten
Auf Liebe nur und Lenzeszeit.
Es kommt im Frühlingsglanze
Für jede kleine Pflanze
Einmal der Blütentag.
So wird der Tag auch kommen,
Da diesem Frost entnommen
Mein Herz in Wonnen blühen mag.
Doch bis mir das gegeben,
Däucht mir nur halb mein Leben,
Und kalt wie Winters Wehn;
Trüb schauert's in den Bäumen –
O laß mich schlafen, träumen,
Bis...
Emanuel Geibel
Lieb' und stirb
Durch Erd' und Himmel leise
Hinflutet eine Weise
Wie sanftes Harfenwehn,
Die jedem Dinge kündet,
Wozu es ward gegründet,
Woran es soll vergehn.
Sie spricht zum Adler: Dringe
Zur Sonne, bis die Schwinge
Dir trifft ein Wetterschlag;
Spricht zu den Wolken: Regnet,
Und wenn die Flur gesegnet,
Zerrinnt am goldnen Tag.
Sie spricht zum Schwan: Durchwalle
Die Flut und dann mit Schalle
Ein selig Grab erwirb.
Sie spricht zur Feuernelke:
Im Duft glüh' auf und welke!
Zum Weibe: Lieb' und...
Emanuel Geibel
Lied
Ach, du fliehst vergebens
Was dich härmt und kränkt:
Keinem wird des Lebens
Bittrer Zoll geschenkt.
Wenn der erste süße
Jugendleichtsinn schwand,
Bleibt dir an die Füße
Stets ein Weh gebannt.
Zu den höchsten Matten,
Unter's stille Dach
Wandelt, wie dein Schatten,
Dir die Sorge nach.
Mischt zu jedem Glanze
Sich als Nebel still,
Nagt an jedem Kranze,
Der dir blühen will;
Bis du, unter Schmerzen,
An durchkämpftem Tag
Dir errangst im Herzen,
Was sie bänd'gen mag:
Muth, der...
Emanuel Geibel
Weil ich ohne Groll und Klage
Dies Geschick des Lebens trage
Und den Sturm zur Ruh beschwor:
Meint ihr, daß ich drum vergessen,
Was ich einst so reich besessen,
Was ich, ach, so früh verlor?
Zwar die Tränen sind zergangen,
Zu des Tags bewegtem Prangen
Lernt' ich lächeln, wie vorher;
Doch geräuschlos, tief im Herzen,
Gehn die nie verwund'nen Schmerzen
Wie ein leiser Strom durch's Meer.
Emanuel Geibel
Mahnung
Sieh, das ist es, was auf Erden
Jung dich hält zu jeder Frist,
Daß du ewig bleibst im Werden,
Wie die Welt im Wandeln ist.
Was dich rührt im Herzensgrunde
Einmal kommt's und nimmer so;
Drum ergreife kühn die Stunde,
Heute weine, heut' sei froh!
Gieb dem Glück dich voll und innig,
Trag' es, wenn der Schmerz dich preßt,
Aber nimmer eigensinnig
Ihren Schatten halte fest.
Heiter senke, was vergangen,
In den Abgrund jeder Nacht!
Soll der Tag dich frisch empfangen,
Sei getreu doch neu...
Emanuel Geibel
Laß andre nur im Reigen
Mit lautem Gruß mir nahn,
Du bist mein lieblich Schweigen,
Und siehst mich freundlich an.
Dein Auge tief und minnig,
Es sagt mir Tag für Tag,
Was nimmer so herzinnig
Die Lippe künden mag.
So hat die Frühlingssonne
Auch Schall und Rede nicht,
Und doch mit stiller Wonne
Durchschauert uns ihr Licht.
Mir gab den Wohllaut eigen,
Der dir den Blick beschied;
Sei du mein lieblich Schweigen
Und ich will sein dein Lied.
Emanuel Geibel
Vögelein, wohin so schnell?
»Nach Norden, nach Norden!
Dort scheint die Sonne nun so hell,
Dort ist's nun Frühling worden.«
O Vögelein mit den Flügeln bunt,
Und wenn du kommst zum Lindengrund,
Zum Hause meiner Lieben,
Dann sag ihr, daß ich Tag und Nacht
Von ihr geträumt, an sie gedacht,
Und daß ich treu geblieben.
Und die Blumen im Thal
Grüß tausend, tausendmal!
Emanuel Geibel
Am zerfall'nen Burggemäuer
Ueber'm schwarzen Fichtenhag
Glüht's noch einmal auf wie Feuer,
Und versunken ist der Tag.
Schauernd rühren sich die Wipfel,
Drunten schwillt der Rhein mit Macht,
Und vom Thal empor zum Gipfel
Steigt wie ein Gespenst die Nacht.
Da befällt ein heimlich Grausen
Mir im Dunkeln Herz und Sinn:
»Steine bröckeln, Wellen brausen,
Und wie bald bist du dahin!«
Emanuel Geibel