Im Winter
Wiesengrund und Bergeshöh'
Liegen wie begraben,
Auf dem schimmernd weißen Schnee
Tummeln sich die Raben.
Mag die Sonne auch ihr Licht
Fernehin entsenden,
Es erquickt und wärmet nicht,
Kann nur schmerzlich blenden.
Dicht vor meinem Fenster steht
Eine schlanke Linde,
Mit Demanten übersä't
Stöhnet sie im Winde.
An die Scheiben pocht sie leis',
Leis' wie Glöckchen läuten;
Was sie sagen will, ich weiß
Mir es wohl zu deuten.
Arme Linde! Tag und Nacht
Scheinst du mir zu klagen:
»Dürft ich doch, statt todter Pracht,
Wieder Blüthen tragen!«
Aktuelle Zitate
Schicksalslied
Ihr wandelt droben im Licht
auf weichem Boden, selige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.
Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.
Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruh'n:
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur...
Johann Christian Friedrich Hölderlin
