Zeit Zitate (Seite 86)
Von der Zeit
Mein Haus sagte zu mir:
"Verlaß mich nicht, denn hier wohnt deine Vergangenheit".
Und die Straße sagte zu mir:
"Komm und folge mir, denn ich bin deine Zukunft".
Und ich sage zu beiden, zu meinem Haus und zu der Straße:
"Ich habe weder Vergangenheit, noch habe ich Zukunft.
Wenn ich hier bleibe, ist ein Gehen in meinem Verweilen;
und wenn ich gehe, ist ein Verweilen in meinem Gang.
Nur Liebe und Tod ändern die Dinge."
Khalil Gibran
Sämann, geh in Gottes Namen
Und bestell dein Ackerfeld;
Streu' auf Hoffnung deinen Samen
Und vertrau' dem Herrn der Welt;
Warte still auf seinen Segen,
Bitt' um Sonnenschein und Regen,
Daß dein Feld am Erntetag
Goldne Garben bringen mag.
Geh', o Mensch, und säe Thaten
In den Acker deiner Zeit,
Deines Wohlthuns edle Saaten
Reifen für die Ewigkeit.
Darfst du heut' nicht Früchte schauen,
Lerne auf die Zukunft bauen;
Wenn schon lang dein Hügel grün,
Kann dir noch die Ernte blüh'n.
Karl Gerok
Reue
Die Nacht war schwarz, die Luft war schwül,
Ich fand nicht Schlaf auf meinem Pfühl,
Mein Sinn ward trüb und trüber;
Da schritten die Tage der alten Zeit
Zu langem, langem Zug gereiht
Wehklagend mir vorüber:
»Du hattest den Lenz und du hast ihn entlaubt,
Du hattest das Heil und du hast nicht geglaubt,
Du hattest ein Herz zum Lieben,
Du hast es vertändelt mit eitlem Schein;
Nun bist du zuletzt allein, allein
Mit deinem Jammer geblieben.
Und wie du ringst in bangem Gebet,
Es ist...
Emanuel Geibel
Herr, in dieser Zeit Gewog,
Da die Stürme rastlos schnauben,
Wahr, o wahre mir den Glauben,
Der noch nimmer mich betrog;
Der noch sieht in Nacht und Fluch
Eine Spur von Deinem Lichte,
Ohne den die Weltgeschichte
Wüster Greuel nur ein Buch:
Daß, wo trostlos unbeschränkt
Dunkle Willkür scheint zu spielen,
Liebe doch nach ew'gen Zielen
Die verborgnen Fäden lenkt.
Emanuel Geibel
Bleich war das Kind zu nennen – geboren im Schoße der Armut,
Ward er aus Mitleid genährt, fast nur aus Mitleid gepflegt.
Bald doch wuchs er heran. Von hohen Zielen getragen,
Schlug er mutig sich durch als der Bedrückten Prophet.
Furchtlos nun schaut er in die Tiefe, drin seine Feinde versinken,
Feinde der Gleichheit, des Rechts, Feinde der Bildung, des Lichts.
Und er wird siegen, muß siegen – das Banner der Zukunft ihm reichend,
Will es die Logik der Zeit, fordert's der Mehrheit Geschick.
August Geib
Die Hoffnung spricht dem matten Kranken
Das süße Wort »Genesung« zu.
Sie zeigt, wenn seine Kräfte wanken,
Dem Wanderer das Ziel der Ruh.
Der Redlichste, der unverschuldet
Verkannt ist, wird von ihr erfreut;
Der Arme, der im Stillen duldet,
Harrt, stark durch sie, der bessern Zeit.
Franz Freiher von Gaudy
Rasch welkt das Leben dahin,
gestern noch blühend und stark,
heute schon kraftlos und matt,
morgen tief drunten im Grab
Staub zum Staub sich gesellt.
Nur ein Erinnern noch bleibt
droben für kurze Zeit,
in den Herzen der Freunde ein Licht,
von der modernden Hand vielleicht
auf gilbendem Blatt ein kleines Gedicht.
Carl Peter Fröhling
Diese grünen, friedevollen,
endelosen Sommerweiten,
drüber hell die Lerchen trillern
und die kleinen Wolken schwimmen,
unterm Hauch sich Blumen neigen,
Schaf und Kuh genüßlich weiden,
Frieden, Frieden um sich breiten.
Zeit, so bleibe stillestehn,
Augenblick, zur Ewigkeit dich dehn!
Carl Peter Fröhling
Was die Zeit
für gut und richtig hält,
daran sind Zweifel wohl erlaubt.
Wie leicht ist für ein Menschenaug’
die Sicht verstellt,
wie rasch hat sich ein Menschenherz
für das erwärmt, was viele wollen,
wie wechselt schnell des Menschen Sinn,
wenn Mode streng diktiert, wie alle leben sollen.
Carl Peter Fröhling
Großer Gott, wir loben dich
Großer Gott, wir loben dich,
Herr, wir preisen deine Stärke,
vor dir beugt die Erde sich
und bewundert deine Werke.
Wie du warst vor aller Zeit,
so bleibst du in Ewigkeit.
Alles, was dich preisen kann,
Cherubim und Seraphinen,
stimmen dir ein Loblied an;
alle Engel, die dir dienen,
rufen dir in sel'ger Ruh':
"heilig, heilig, heilig!" zu.
Himmel, Erde, Luft und Meer,
sie verkündern deine Ehre;
der Apostel glänzend Heer,
der Propheten sel´ge Chöre
und der Märtyrer...
Ignaz Franz