Zeit Zitate (Seite 67)
Unmut
Freilich, freilich, alles eitel,
Alles Trug und Schein –
Ach, wie bald ergraut der Scheitel,
Und du stehst allein!
Deine Hoffnungen und Taten
Hat die Zeit gefällt,
Und du siehest neue Saaten
Ohne dich bestellt.
Und du fragst zuletzt mit Grollen:
Hab' ich nur gelebt,
Um der rauhen Hand zu zollen,
Die die Gräber gräbt?
Ferdinand von Saar
Ausgleich
Was an Schmerzen du erfahren,
Ist vergessen auch zur Stund',
Küßt nach langen, öden Jahren
Wieder dich ein schöner Mund.
Was die Zeit an Ruhm dir raubte,
Hast du doppelt reich und schnell,
Wenn dein Kranz, der früh entlaubte,
Wieder ausschlägt grün und hell.
Darum sel'ge Tränen weine,
Wird dir noch ein spätes Glück:
Denn es bleibt nun auch das deine,
Und kein Gott nimmt's mehr zurück!
Ferdinand von Saar
Die Jungfrau Lore Ley
Die Jungfrau Ley macht' einst Furore,
sie war recht hübsch und sie hieß Lore
und saß schon jahrelang allein
auf einem Stein, hoch über'm Rhein.
Sie winkte allen Fahrensleuten,
die sich natürlich drüber freuten,
sie kämmte sich, das war so Brauch
und sang dazu, das Schiff sank auch.
So brachte sie durch Händewinken
schon manchmal manches Schiff zum Sinken,
das tauchte dann auch im Verlauf
der ganzen Zeit nie wieder auf.
Und die Moral von dem Gedicht:
Wenn jemand winkt,...
Edmund Ruhenstroth
Unsterblichkeit ist nicht der Zukunft aufgespart,
Unsterblichkeit ist im Gefühl der Gegenwart.
Du wärst nicht, der du bist, in diesem Nu der Zeit,
Wenn du derselbige nicht wärst in Ewigkeit.
So bald du denken willst, du wärest nicht mehr einst:
So fühlst du, daß du dich insoweit selbst verneinst.
Verneine nur dies Nein! dazu hast du empfahn
Des Geistes Kraft allein, dich ewig zu bejahn.
Friedrich Rückert
Nie stille steht die Zeit, der Augenblick entschwebt,
Und den du nicht benutzt, den hast du nicht gelebt.
Und du auch stehst nie still, der gleiche bist du nimmer,
Und wer nicht besser wird, ist schon geworden schlimmer.
Wer einen Tag der Welt nicht nutzt, hat ihr geschadet,
Weil er versäumt, wozu ihn Gott mit Kraft begnadet.
Friedrich Rückert
Ich bin der Welt abhanden gekommen,
Mit der ich sonst viele Zeit verdorben,
Sie hat so lange nichts von mir vernommen,
Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben!
Es ist mir auch gar nichts daran gelegen,
Ob sie mich für gestorben hält,
Ich kann auch gar nichts sagen dagegen,
Denn wirklich bin ich gestorben der Welt.
Ich bin gestorben dem Weltgetümmel,
Und ruh' in einem stillen Gebiet!
Ich leb' allein in meinem Himmel,
In meinem Lieben, in meinem Lied!
Friedrich Rückert
Wie sich die Zeit des Verstandes verschiebt,
da doch die Jahre nicht säumen:
Leider in Träumen und Schäumen
sind mir so viele verstaubt und verstiebt.
Neigung, sie läßt sich nicht zäumen,
wie das Laub in den Bäumen
unwiderstehlich von frischem schiebt.
So in den blühenden Räumen
des Frühlings bin ich nun wieder verliebt.
Friedrich Rückert
Ich bin bereit, denn es ist Zeit
für unser'n Pakt über die Ewigkeit
Reich mir die Hand, mein Leben
Nenn mir den Preis
ich schenk dir gestern, heut und morgen
dann schließt sich der Kreis
kein Weg zurück, das weiße Licht kommt näher
Stück für Stück - will mich ergeben
muß ich denn sterben, um zu leben?
Richard Rothe
Wie mit ungehemmtem Schritt
Wechseln Tag und Leben,
Nimmt der Wechsel dich auch mit,
Wandelt sich dein Streben.
Holde Züge, Melodie'n
Zaubrisch einst ergreifend,
Läßt du kühl vorüber ziehn,
Kaum die Seele streifend.
Was dein Wesen einst berückt,
Was dein Herz bereute,
Blüthen sind's, im Lenz gepflückt,
Die der Wind zerstreute.
Wenn zu lächeln dir...
Otto Roquette
Zu deinen Füßen will ich ruhn
Und dir ins Auge schaun,
Die blaue Nacht mag leise nun
Auf uns herniedertaun.
Schon tauchet aus dem stillen See
Des Mondes Bild empor,
Und kühner schweift das scheue Reh
Durch Wald und Wiesenmoor.
Mein Haupt laß ruhn auf deinem Schoß,
Da ruht es sanft und weich.
Wie ist der Himmel weit und groß,
Wie ist die Erde reich!
Der schönste Stern in blauer Nacht,
Der schönste Stern bist du,
In deines Lichtes sanfter Pracht,
O gönne mir die Ruh!
An deinem Herzen laß mich...
Otto Roquette
Für Rilke
Dans l'école, Hamburg
Verwunden mein Geist in eintöniger Mattigkeit
So müd' geworden, daß zu enfalten er zu schwach.
Mir ist, als wüßt' ich all das Wahre vor begebener Zeit
Und das Geschehene erst küßt seine Schönheit wach.
Des reinen Geistes ehrbares Gedankengut,
das in allerkleinste Bahnen gezwungen.
Ist's ausgesprochen, des Intellektes Heldenmut
Und jedes dürft'ge Wort dem Herzen abgerungen.
Laßt meine Stäbe nur die Kleinigkeit eines Spaltes trennen
Und hinter jedem...
Christian Röhrs
Um Mitternacht
Nun ruht und schlummert alles,
Die Menschen, der Wald und Wind,
Das Wasser leisen Falles
Nur durch die Blumen rinnt.
Der Mond mit vollem Scheine
Ruht breit auf jedem Dach;
In weitem Wald alleine
Bin ich zur Stund' noch wach.
Und alles, Lust und Schmerzen,
Bracht' ich in mir zur Ruh'.
Nur eins noch wacht im Herzen,
Nur eins: und das bist du!
Und deines Bildes Friede
Folgt mir in Zeit und Raum:
Bei Tage wird er zum Liede,
Und nachts wird er zum Traum.
Julius Rodenberg
Geist und Herz
Was der Verstand auch denkt und sinnt,
Sein Licht ist kalter Schein!
Es wohnt das Glück, das Himmelskind,
Im Herzen nur allein.
Die Zeit verlöscht des Geistes Licht,
Verweht's wie Staub und Rauch. –
Des Herzens heil'ge Stimme spricht
Noch in dem letzten Hauch.
O, wenn das arme Herz verwaist,
Das ist der größte Schmerz! –
Die Welt erobert sich der Geist,
Den Himmel schenkt das Herz.
Emil Rittershaus