Worte Zitate (Seite 48)
Allerseelen
Wie groß die Herbstnacht niederblickt,
Aus sternlos shwarzem Himmelsrahmen,
Ein Trauervorhang, eingestickt
Mit Heimgegangner Bild und Namen.
Mit Namen, die noch immerfort
Uns lieb sind aus vergangnen Tagen:
Wir möchten, ach, so manches Wort
Den teuren Hingeschiednen sagen.
Und allen, deren geistig Licht
Noch in viel hundert dunklen Nächten
Uns leuchten wird und Sieg verspricht
Im Kampfe mit den finstren Mächten.
Hermann Ritter von Lingg
Der Rauch auf dem Felde
Lene Levi lief am Abend
Trippelnd, mit gerafften Röcken,
Durch die langen, leeren Straßen
Einer Vorstadt.
Und sie sprach verweinte, wehe,
Wirre, wunderliche Worte,
Die der Wind warf, daß sie knallten
Wie die Schoten,
Sich an Bäumen blutig ritzten
Und verfetzt an Häusern hingen
Und in diesen tauben Straßen
Einsam starben.
Lene Levi lief, bis alle
Dächer schiefe Mäuler zogen,
Und die Fenster Fratzen schnitten
Und die Schatten
Ganz betrunkne Späße machten –
Bis die Häuser...
Alfred Lichtenstein
Waldgang
Ich ging an deiner Seite
In einem Buchenhaine;
Ein störendes Geleite
Ließ nimmer uns alleine.
Und mußten wir zurücke
Ins Herz die Worte pressen,
Uns sagten unsre Blicke,
Daß wir uns nicht vergessen.
Und sehn wir uns nicht wieder
In diesem Erdenleben,
Dich werden meine Lieder
Verherrlichend umschweben.
Das Bächlein trieb hinunter
Der Wellen rasche Tänze,
Und rauschend flocht und bunter
Der Herbst der Wehmut Kränze.
Doch aus des Walds Verdüstern,
Den Stimmen des Vergehens,
Hört' ich...
Nikolaus Lenau
An den Wind
Ich wandre fort ins ferne Land;
Noch einmal blickt' ich um, bewegt,
Und sah, wie sie den Mund geregt,
Und wie gewinket mit der Hand.
Wohl rief sie noch ein freundlich Wort
Mir nach auf meinen trüben Gang,
Doch hört' ich nicht den liebsten Klang,
Weil ihn der Wind getragen fort.
Daß ich mein Glück verlassen muß,
Du rauher, kalter Windeshauch,
Ist's nicht genug, daß du mir auch
Entreißest ihren letzten Gruß?
Nikolaus Lenau
Der kreissende Berg
Ein kreissender Berg macht' ein Geschrei
so laut und trieb ein solches Wesen,
daß jeder, der vom Lärm herbeigelockt,
nun meint', er müßt' genesen
von einer Stadt, noch größer als Paris wohl gar.
ein Mäuslein war's, das er gebar.
Werd' ich dieser Fabel inne,
die als Dichtung Trug und Schein,
aber wahr nach ihrem Sinne,
fällt mir stets ein Dichter ein,
der sagt: "Ich will den Kampf euch singen,
wie mit dem Donnrer Jupiter einst die Titanen rangen."
Ein großes Wort; doch...
Jean de La Fontaine
Das Glück
Hat wer von Glück gesprochen?
Ist gar ein schönes Wort,
Dem Ohr ist es verklungen,
Dem Herzen hallt es fort.
Wie eine holde Sage,
Vom Glauben fromm geweiht,
So wie ein reizend Märchen
Aus längst vergangner Zeit.
Es weckt so süße Ahnung
Wo es die Herzen traf,
Und wiegt auch große Kinder
Zuweilen noch in Schlaf.
Auguste Kurs
Des Herzens Jugend stirbst nicht ab
Auf längster Lebensreise,
Sie birgt sich nicht im dunkeln Grab,
Sie schlummert höchstens leise.
Und wenn nur in der Jahre Lauf
Das rechte Wort erklungen,
Dann hat sie fröhlich wieder auf
Zu Tage sich geschwungen.
Und strahlet aus den Augen hell
wie Sternenleuchten wieder,
Und weckt der Lieb' und Freude Quell
Und weckt die alten Lieder.
sie läßt die Wangen wieder glüh'n,
Die Herzen höher schlagen,
Und läßt die Rosen wieder blüh'n,
Wie in des Lenzes...
Auguste Kurs
Es wird nicht dunkel bleiben
Es wird nicht dunkel bleiben
auch wenn meine Augen
das Licht
noch nicht wahrnehmen
können
glaube ich
es wird nicht dunkel bleiben
denn die Dunkelheit
ist besiegt –
das Licht hat das letzte Wort
behalten
durch den
der von sich sagt:
Ich bin das Licht</em>
seitdem weiß ich
es wird nicht dunkel bleiben
Gudrun Kropp
Heimat
Heimat ist nicht nur ein Wort
Heimat das bist Du und ich
Heimat ist nicht nur ein Ort
Heimat die ist innerlich
Heimat ist stets wo ich bin
Schlägt in meinem Herzen
Heimat ist des Leben's Sinn
Nicht ein Land mit Grenzen
Heimat ist woher ich kam
Und wohin ich gehe
Heimat ist nicht fern noch nah
Heimat heißt ich lebe
Heimat ist ganz einfach Leben
Grenzenlos und unbeschwert
Ist der inner'n Stimme Beben
Das Gewissen das man hört
Seele ist die Heimat allen Lebens
Dieses sag' ich...
Robert Kroiß
Rätsel
Bald ist's von dieser, bald von jener Sorte:
dort gilt's der Silbe, hier gilt es dem Worte.
Leicht läßt es dich in alle Ferne schweifen,
wiewohl grad nur das Nächste zu ergreifen.
Bescheiden steht's und wartet in der Ecke,
bis du den Sinn holst aus dem Wortverstecke.
Wenn endlich dir die Lösung glücken soll,
sei zu bedenken dieses dir gegeben:
gelöst wär' nur die eine eben,
jedoch fast jedes Ding im Leben,
es bleibt dir leider dessen voll.
Ja mehr als das – ich wag es auszusprechen
und...
Karl Kraus
Die Sachverständigen!
Daß du nicht merkst, woran man darbe,
verprasst man es in einemfort:
Die Blinden reden von der Farbe,
die Tauben reden von dem Wort;
die Lahmen lehren, wie man tanze,
die Huren, wie man Andacht treibt.
Kurz, Rezensenten gehn aufs Ganze
und können sagen, wie man schreibt.
Karl Kraus