Wind Zitate (Seite 19)
Ein weicher Wind von Mai und Duft getragen,
Sinkt übers müde Land.
Mein offnes Fenster fängt ein Finkenschlagen,
Ein Sehnsuchtsruf, ein fernes Glockenfragen, –
Am Abendhimmel noch ein zartes Band.
Wie ist die Erde heut so lilienmilde,
Voll Güte unerschöpflich tief.
Ich steh vor ihrem wundersamen Bilde,
Vor dem Madonnenbild verzückt, der Wilde
Der Träumer, den sie zum Erstaunen rief.
Ioannis Kondylakis
Die Last
Die Last auf meinen Schultern
erdrückt die Leichtigkeit
der wunderzarten Tage
unlängst vergang'ner Zeit.
Die Lust scheint fast verschüttet,
Gefühle unter Kies.
Verzeih mir meine Leere,
ich fühl' mich selbst ganz mies.
Stell bitte nicht in Frage,
was uns zusammenhält.
Der Wind verbläst solch Tage,
und Licht erfüllt die Welt.
Klaus D. Koch
Verträumte Jugend
Mir liegt ein Lied voll Leide
schon lang, so lang im Sinn.
Über die träumende Heide
trug ich's erst leise hin.
Weit in schlafende Wälder
schleppt ich sein schluchzendes Herz;
über weiße Winterfelder
wehte wie Wind sein Schmerz.
Heut soll sein Klagen gehen
hinaus mit klingendem Schrei;
Nie hab ich die Jugend gesehen!
Nun ging sie ewig vorbei.
Karl Ernst Knodt
Der Liebe Obdach
Die Liebe baut, ein thöricht Kind,
Ihr Haus aus Blum- und Blattgewinden;
Hier hofft sie gegen Frost und Wind
Ein freundlich Obdach einst zu finden.
Doch eine Herbstnacht war genug,
Ihr Hoffen ganz in Leid zu kehren,
Das leichte Haus im wilden Flug
Mit Dach und Pfosten zu zerstören.
Nun irrt sie, mit verzagtem Blick,
Zum Tod erschöpft, im wüsten Wetter,
Und sammelt aus verlornem Glück
Sich weinend noch die welken Blätter.
Hermann Kletke
Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mir!
Du strahlst mir, durch die Binde meiner Augen,
Mit Glanz der tausendfachen Sonne zu!
Es wachsen Flügel mir an beiden Schultern,
Durch stille Ätherräume schwingt mein Geist;
Und wie ein Schiff, vom Hauch des Windes entführt,
Die muntre Hafenstadt versinken sieht,
So geht mir dämmernd alles Leben unter:
Jetzt unterscheid ich Farben noch und Formen,
Und jetzt liegt Nebel alles unter mir.
Heinrich von Kleist
Ich geh zur Bank und sage Dank!
Holt meine Aktien aus dem Schrank,
rückt meine Wertpapiere raus,
Ich nehm' die Dinger mit nach Haus
und falte sie heut Nacht zu Drachen,
als Nachtfalter will ich noch einmal lachen
und morgen früh, nach dem Erwachen,
häng ich die Drachen in den Wind,
so schön, wie sie gefaltet sind –
und wo die Aktien sonst auch stehn:
Ich will sie nochmals steigen sehn!
Klaus Klages
Im Schnee
Wie naht das finster türmende
Gewölk so schwarz und schwer!
Wie jagt der Wind, der stürmende,
Das Schneegestöber her!
Verschwunden ist die blühende
Und grüne Weltgestalt;
Es eilt der Fuss, der fliehende,
Im Schneefeld nass und kalt.
Wohl dem, der nun zufrieden ist
Und innerlich sich kennt!
Dem warm ein Herz beschieden ist,
Das heimlich loht und brennt!
Wo, traulich sich dran schmiegend, es
Die wache Seele schürt,
Ein perlend, nie versiegendes
Gedankenbrauwerk rührt!
Gottfried Keller
Serenade
Wenn Birkenblätter wie goldner Schaum
wirbeln auf welkenden Matten,
spinn unter Dach deinen friedlichen Traum
in Mitternachts Wolkenschatten.
Wenn der Wind an deinem Fenster erscheint,
ein schneebleicher Freiersmann,
träume, daß er es gut mit dir meint
und dir nichts anhaben kann.
Träume vom spielenden Sonnenstaub,
dem heiteren, sommerwarmen,
und daß du, umhegt von grünem Laub,
geschlafen in meinen Armen.
Erik Axel Karlfeldt
Wohl mir, nach all dem Spielen, Schweifen:
du bist der Ernst, und du bist mein;
um unsere Liebe auszureifen,
braucht's keiner Sonne warmen Schein!
Hörst du die Winde heulen, pfeifen?
Hochzeitlich dringt's zu uns herein!
Wir lachen, wenn die Balken knarren,
denn unser Glück hat feste Sparren.
Erik Axel Karlfeldt
Sehnsucht
Das macht der duftige Jasmin,
Daß ich nicht Ruhe finde,
Die Nachtgedanken der Sehnsucht ziehn
Hinaus und schweifen im Winde.
Ob eine Seele wohl mein gedenkt
In all der blühenden Runde?
Ich hätte gar bald mein Herz verschenkt,
So einsam ist die Stunde!
Wie Silber liegt der Mondenschein
Über den schweigenden Gärten. –
O ging es jetzt in die Welt hinein
Mit einem lieben Gefährten!
O kämst du, Einziger, her zu mir,
Zu mir in Nacht und Schweigen!
Und führtest die Einsame fort von hier,...
Max Kalbeck
Paradies
Kleine Seele, springst im Tanze,
Legst in warme Luft den Kopf.
Hebst die Füße aus glänzendem Gras,
Das der Wind in zarte Bewegung treibt.
Frische Fülle, quellendes Wasser,
Stürmisches, friedliches, hohes,
Sich ausbreitendes Wachsen.
Glückselige Oase.
Morgen nach durchtobter Nacht.
Mit dem Himmel Brust an Brust.
Friede, Versöhnung, Versinkung.
Franz Kafka
Der Atheist
hat ein Bild von ›Gott‹,
das er negiert.
Der Fanatiker
hat eines, mit dem er sich
die Augen tapeziert.
Der Gläubige
vertraut einem Bild,
das ihm vom eigenen Herzen
oder von anderen
anvertraut ist.
Der von Liebe Erleuchtete
schaut das wahre Selbst.
Er lebt im bildlosen
Flüstern des Windes
und atmet Sonne
aus jedem Regentropfen.
Peter Horton
Hälfte des Lebens
Mit gelben Birnen hänget
und voll mit wilden Rosen
das Land in den See,
ihr holden Schwäne,
und trunken von Küssen
tunkt ihr das Haupt
ins heilignüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm' ich, wenn
es Winter ist, die Blumen, und wo
den Sonnenschein
und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
sprachlos und kalt, im Winde
klirrren die Fahnen.
Johann Christian Friedrich Hölderlin
Reiselied
Wasser stürzt, uns zu verschlingen,
Rollt der Fels, uns zu erschlagen,
Kommen schon auf starken Schwingen
Vögel her, uns fortzutragen.
Aber unten liegt ein Land,
Früchte spiegeln ohne Ende
In den alterslosen Seen.
Marmorstirn und Brunnenrand
Steigt aus blumigem Gelände,
Und die leichten Winde wehn.
Hugo von Hofmannsthal