Wille Zitate (Seite 55)
Du bist so willig, leicht drum zu gewinnen,
du bist so schön, als Beute drum begehrt;
und wann versagte sich mit spröden Sinnen
ein Weibgeborner, wenn ein Weib gewährt?
Und dennoch will ich dir zur Warnung sagen:
Laß deine süßen Lüste nicht zu frei,
die dich in diesen tollen Taumel jagen,
worin du zweifach brechen mußt die Treu -
die ihre, da dein Reiz sie hat geblendet,
die deine, da er sich mir abgewendet.
William Shakespeare
Winter
Nun hüllt in stille Wintertrauer
Die Erde sich mit ihrer Lust
Und nimmt zum Schutz vor kaltem Schauer
Die müden Kinder an die Brust.
Auf all die schlummernden Gestalten,
Daß sie kein eis'ger Hauch mehr schreckt,
Und um dem Lenz sie zu erhalten,
Hat Gott ein wärmend Kleid gedeckt.
Da liegen sie in holden Träumen
Am Herzen ihrer Mutter still,
Bis sie ein Ruf zu neuem Keimen,
Zu schönerm Los sie wecken will.
Franz Xaver Seidl
Nachklang
Lang' schwebt ein Duft noch um die Stelle,
Wo einst ein Wohlgeruch geruht –
Lang woget noch des Meeres Welle
Wenn sich gelegt des Windes Wut.
Noch fühl ich um die Lippen schweben
Den Hauch von deiner Küsse Glut!
Noch will sich nicht zufrieden geben –
Was du so wild bewegt – mein Blut!
Heinrich Seidel
Weltlauf
Man denkt wohl hin und her.
Manches könnt' besser sein; –
Dies zu leicht – das zu schwer –
Groß oder klein.
Manchmal zu still die Welt,
manchmal zu toll –
Nichts geht wie's soll.
Durst und kein Tropfen Wein –
Käs' und kein Brod –
Zahnschmerz und Liebespein –
Überdruß – Noth!
Dieser wird wild darob,
Strampelt und schreit –
Wird wie ein Wüthrich grob –
Schafft sich nur Leid.
Jener, der winselt drum,
Jammer und acht
Weint viele Thränen drum,
Seufzt Tag und Nacht.
Und die Welt, wie sie...
Heinrich Seidel
Ein schöner Traum
Wenn draußen die Blumen blühen, dann muß ich an dich denken.
Ich bin in dich verliebt und kann meine Gedanken nicht mehr lenken.
Ich denke an dich und fange an zu träumen.
Dein Anblick bringt mich dazu, vor Liebe zu schäumen.
Wenn du mich anlächelst, dann steht die Welt einfach still.
Ich seh dich an und weiß, du bist der, den ich will.
Deinen Augen sind feurig und deine Lippen zum Küssen.
Ich hab mal wieder geschlafen und mein Chef hat mich aufwecken müssen.
Jeremy Seaver
Immer wenn Du fühlst,
daß Dein Leben abwärts geht,
dann laß es geschehen,
abwärts gehen ist bequem.
Sammle frische Kräfte
für den nächsten Anstieg!
Immer wenn Du fühlst,
daß Du auf Irrwegen gehst,
dann laß es geschehen,
denn Irrwege haben ihren Reiz.
Sammle frische Kräfte
für den richtigen Weg!
Immer wenn Du fühlst,
daß Dein Leben haltlos ist,
dann laß es geschehen,
denn loslassen will gelernt sein.
Sammle frische Kräfte,
um neue Ufer zu erstreben.
Immer wenn Du fühlst,
daß Du einsam...
Peter E. Schumacher
Der bekehrte Dieb
Gar klein war die Christel,
Gar groß meine Lieb;
Ich stahl ihr ein Küßchen,
Da schalt sie mich Dieb.
"Sei gut wieder", sagt ich,
"Ich wills nicht mehr tun,
Doch reich zur Versöhnung
Ein Mäulchen mir nun."
Und weil sie so brav war,
So hat sies gewährt,
Und mir noch als Draufgab
Zwei neue beschert.
Ich nahm mirs zur Warnung
Und stahl dann nie mehr,
Denn freiwillig gab sie
Die späteren her.
Demetrius Schrutz
Anfang vom Ende
Daß all das Schöne nun längst zu Ende,
wie könntest du's verstehn?
Ich hab ja die lieben, süßen Hände
geküßt beim Kommen und Gehn:
Und hab in deinem dämmrigen Zimmer
mit dir gekost und gelacht –
und hab auch geplaudert mit dir wie immer
bis spät, bis spät in die Nacht.
Im Heimgehn wieder, durch stille Gassen,
schlich's über mich so bang,
wie ich mein armes Mädel verlassen,
so lange schon! ach wie lang!
Doch, daß ich so einsam von dir gegangen,
wie käm's dir denn zu Sinn,
und...
Arthur Schnitzler
Was kann doch auf Erden geliebet mehr werden als süßer Gesang!
Was treibet vom Herzen behender die Schmerzen als lieblicher Klang?
Die Musik allein die Tränen abwischet, die Herzen erfrischet,
wenn sonst nichts hilflich will sein.
Die Musik vertreibet, vertilget, verschreibet nach Thule das Leid,
macht Hinkende springen, Verzagende singen vor herzlicher Freud.
Sie treibet die Feind, den Frieden zu schließen, sodass sie oft müssen,
gezwungen, werden gut Freund.
Die Musik den Kranken macht...
Laurentius von Schnifis
Schlaf und Traum
Schlaf ist eine dunkle Reise
In ein frührothelles Land,
Wandrer Traum gesellt sich leise,
Reicht uns seine Spielmannshand.
Nacht ist still gewordner Wille,
Der gebietet, der vollzieht,
Wenn die Königin der Stille
In uns singt ihr Zauberlied.
Alles muß sich dann erfüllen,
Was die dunkle Sehnsucht bringt,
Das Begehrte zu enthüllen,
Fessel springt und Schleier sinkt.
Denn dem Traum hat ihre Schwingen
Bunte Wirklichkeit geliehn:
Alle Himmel zu durchdringen,
Alle Höllen zu...
Carl Ludwig Schleich
Das Mädchen
Wie so innig, möcht ich sagen,
Sich der Meine mir ergiebt,
Um zu lindern meine Klagen,
Daß er nicht so innig liebt.
Will ich's sagen, so entschwebt es;
Wären Töne mir verliehen,
Flöß' es hin in Harmonien,
Denn in jenen Tönen lebt es.
Nur die Nachtigall kann sagen,
Wie er innig sich ergiebt,
Um zu lindern meine Klagen,
Daß er nicht so innig liebt.
Friedrich von Schlegel
Lied
Schaff das Tagwerk meiner Hände,
Hohes Glück, daß ich's vollende.
Will der rote Morgen tagen,
Hoffnung hohe Freude geben,
Rosenlicht am Himmel schweben,
Kühner Mut die Kräfte wagen,
Muß ich sagen:
Schaff das Tagwerk meiner Hände,
Hohes Glück, daß ich's vollende.
Senkt sich milde Röte nieder,
Wenn die Ruh' am Bache lauschet,
Abend kühl im Walde rauschet,
Dunkel schlagen ferne Lieder,
Seufz' ich wieder:
Schaff das Tagwerk meiner Hände,
Hohes Glück, daß ich's vollende.
Friedrich von Schlegel