Welt Zitate (Seite 56)
Konsequenz
Wer da zu früh die Gunst der Welt erfahren
Und ihres Beifalls Übermaß errungen,
Der wird sofort, von Hochmut rasch durchdrungen,
Die menschliche Gemeinheit offenbaren.
Schon auf dem Gipfel wird er sich gewahren,
Gewappnet, wie dem Haupt des Zeus entsprungen;
Verachten wird er dreist der Wahrheit Zungen,
Ungnädig sein – auch gegen Schmeichlerscharen.
Er fühlt sich, und die höchste selbst der Kronen
Vermag ihm keine Demut einzuflößen:
Daß er sie trägt, soll euch, nicht ihn...
Ferdinand von Saar
Der Säulenheilige
Ich kenne einen Menschen, der als Anachoret,
Wie einst die heil'gen Büßer, auf hoher Säule steht.
Im Sommer brennt hernieden versengend heißer Strahl,
Im Winter muß er dulden des Frostes starre Qual.
Der Glieder freies Regen, es ist ihm, ach, verwehrt;
Von ferne muß er schauen, was tief sein Herz begehrt.
Stumm geht die Welt vorüber und reicht ihm kühl hinan,
Was seine Pein verlängern, doch sie nicht lindern kann.
So steht er viele Jahre – gern stürzt' er sich hinab,
Doch...
Ferdinand von Saar
Muß auch der Mann sein Haus und Vaterland verlassen,
Was kümmerts ihn? Ist doch jeder Ort sein Zelt.
Der Reiche findet nachts in seinem Hause Ruhe,
Des Armen Haus ist da, wo Nacht ihn überfällt.
Ists nötig denn, daß er am eignen Herde sitze?
Sein ist, wo er auch geht, des Schöpfers weite Welt.
Saadî
Der Alkohol
Der Alkohol ob Bier, ob Wein,
er wird geschluckt, immer hinein,
dass er vom Geiste nimmt Besitz,
die Augen groß, die Nase spitz,
ich bin fast blau, die Welt ist schön,
dann woll'n wir mal nach Hause geh'n.
Auch harte Drinks sind voller Tücke,
der Kopf ist leer, es klafft ne Lücke,
ach noch ein Bier, das geht wohl rein,
ein kleines noch, dass muss noch sein,
es rumort im Bauch und Geiste,
der Mund geht auf, raus kommt das meiste.
Nun ist's genug, jetzt bin ich blank,
die...
Heinz Bernhard Ruprecht
O glaube nicht, daß du nicht seiest mitgezählt;
Die Weltzahl ist nicht voll, wenn deine Ziffer fehlt.
Die große Rechnung zwar ist ohne dich gemacht,
Allein du selber bist in Rechnung mitgebracht.
Ja mitgerechnet ist auf dich in alle Weise;
Dein kleiner Ring greift ein in jene größeren Kreise.
Zum Guten, Schönen will vom mangelhaften Bösen
Die Welt erlöst sein, und sollst sie mit erlösen.
Vom Bösen mache dich, vom Mangelhaften frei;
Zur Güt' und Schöne so der Welten trägst du bei.
Friedrich Rückert
Weltklugheit
Weltklugheit rät dir an: Verachte keinen Mann!
Du weißt nicht, wie er dir noch nützen, schaden kann.
Die Liebe gibt dir ein: Lieb alles, groß und klein!
Der höchsten Liebe wert wirst du dadurch allein.
O sieh, den Streit der Welt versöhnt ein Gotteshauch!
Wer Himmelsliebe hat, der hat Weltklugheit auch.
Friedrich Rückert
Beim Hauch des Morgens und der Mitternächte Schauer
Fühl ich die Trauer, daß die Welt hat keine Dauer;
Daß wir am Anfang schon dem End entgegen gehn
Und doch am Ende noch beim Anfang immer stehn.
Bald haben wirs verwacht, bald haben wirs verträumt,
Nie säumend Tag und Nacht, das Glück ist stets versäumt.
Friedrich Rückert
Nie stille steht die Zeit, der Augenblick entschwebt,
Und den du nicht benutzt, den hast du nicht gelebt.
Und du auch stehst nie still, der gleiche bist du nimmer,
Und wer nicht besser wird, ist schon geworden schlimmer.
Wer einen Tag der Welt nicht nutzt, hat ihr geschadet,
Weil er versäumt, wozu ihn Gott mit Kraft begnadet.
Friedrich Rückert
Vergessen
Ich bin vergessen; könnt auch ich vergessen,
Die Welt vergessen, welche mich vergaß!
Vergessen, was ich war, und was ich bin!
Vergessen, was ich tat, und was ich litt!
Wie oft ich tat, was ich nicht sollte tun,
Nicht wollte tun, und dennoch tat! wie oft
Nicht tat, was tun ich sollte, konnte tun,
Auch wollte tun, und nicht tat! Könnt ich das
Vergessen, mich vergessen, und ich wäre
Ein König glücklicher Vergessenheit.
Friedrich Rückert
Mit jeder Sprache mehr, die du erlernst, befreist
Du einen bis daher in dir gebundnen Geist,
Der jetzo tätig wird mit eigner Denkverbindung,
Dir aufschließt unbekannt gewes'ne Weltempfindung,
Empfindung, wie ein Volk sich in der Welt empfunden;
Nun diese Menschheitsform hast du in dir gefunden.
Ein alter Dichter, der nur dreier Sprachen Gaben
Besessen, rühmte sich, der Seelen drei zu haben.
Und wirklich hätt' in sich nur alle Menschengeister
Der Geist vereint, der recht wär' aller Sprachen...
Friedrich Rückert
Liebesfrühling
Du meine Seele, du mein Herz,
Du meine Wonn', o du mein Schmerz,
du meine Welt, in der ich lebe,
mein Himmel du, darein ich schwebe,
o du mein Grab, in das hinab
ich ewig meinen Kummer gab!
Du bist die Ruh', du bist der Frieden,
du bist der Himmel, mir beschieden.
Daß du mich liebst, macht mich dir wert,
dein Blick hat mich vor mir verklärt,
du hebst mich liebend über mich,
mein guter Geist, mein bess'res Ich!
Friedrich Rückert
Die Zukunft habt ihr, ihr habt das Vaterland,
Ihr habt der Jugend Herz, Erzieher, in der Hand.
Was ihr dem lockeren Grund einpflanzt, wird Wurzeln schlagen,
Was ihr dem zarten Zweig einimpft, wird Früchte tragen,
Bedenkt, daß sie zum Heil der Welt das werden sollen,
Was wir geworden nicht und haben werden wollen.
Friedrich Rückert
Lied
Bin ich einst tot, mein Liebster,
sing keine Trauermessen;
pflanz mir zu Häupten Rosen nicht
noch schattige Zypressen:
Laß grünes Gras mich decken,
das Tau und Regen näßt;
und wenn ihr wollt, gedenket,
und wenn ihr wollt, vergeßt.
Ich sehe nicht die Schatten,
spür nicht des Regens Fall;
hör nicht den schwermutsatten
Gesang der Nachtigall;
und träumend lang im Dämmer,
der nimmer steigt noch fällt,
wer weiß, ob ich gedenke,
ob ich vergeß der Welt.
Christina Georgina Rossetti